@smartfishHier die Auszüge aus den beiden Biografien:
Einmal, alsMuhammad neun Jahre alt war – andere sagen, er sei zwölf gewesen-, reisten sie mit einerHandelskarawane bis nach Syrien. In Bostra, in der Nähe eines Rastplatzes, an dem diemekkanische Karawane stets zu halten pflegte, gab es eine Klause, die seit Generationenvon christlichen Mönchen bewohnt war. Wenn einer starb, nahm ein anderer seinen Platz einund erbte alles, was sich in der Zelle befand, unter anderem auch einige alteHandschriften. Unter diesen Handschriften befand sich ein Buch, in dem ein Prophetangekündigt wurde, der bei den Arabern erscheinen sollte. Bahira, der Mönch, der zudieser Zeit in der Klause lebte, kannte den Inhalt dieses Buches gut. Er war um so mehrdaran interessiert, als er – wie Waraqah – fühlte, dass das Kommen dieses Propheten nochzu seinen Lebzeiten stattfinden würde.
Er hatte oft gesehen, wie die mekkanischenKarawane kam und nicht weit vor seiner Zelle hielt. Als sie aber diesmal in Sichtweitekam, erregte etwas ganz und gar Ungewöhnliches seine Aufmerksamkeit: Eine kleine, tiefhängende Wolke schwebte langsam über ihren Köpfen, so dass sie immer zwischen Sonne undeinigen wenigen Reisenden stand. Mit großem Interesse beobachtete Bahira ihr Näherkommen.Aus diesem Interesse wurde jähes Erstaunen, als sie hielten und die Wolke dasselbe tat:Sie blieb still über dem Baume stehen, in dessen Schatten die Reisenden Schutz gefundenhatten, während der Baum selbst seine Zweige tiefer hängen ließ, so dass sie nun zweifachbeschattet waren. Bahira wusste, dass ein solches Wunder, auch wenn es bescheiden war,hohe Signifikanz besaß: Nur die Gegenwart einer hohen spirituellen Persönlichkeit konntees erklären. Sofort kam ihm der erwartete Prophet in den Sinn. Konnte es sein, dass erendlich gekommen war und sich unter diesen Reisenden befand?
Man hatte dieVorratskammer der Klause eben erst mit Nahrungsmitteln aufgefüllt; deshalb ließ Bahira,während er alles zusammentrug, was er besaß, der Karawane sagen: „Ihr Männer der Quraysh,ich habe euch ein Mahl bereitet und möchte, dass ihr alle kommt, jung und alt, Sklave undfreier Mann“. Sie kamen in seine Klause, aber ungeachtet seiner Worte hatten sie Muhammadzurückgelassen, damit er das Gepäck und die Kamele bewachte. Als sie näher kamen,musterte Bahira jedes Gesicht. Er konnte in keinem etwas finden, das der Beschreibungseines Buches entsprach. Es schien auch keiner unter ihnen zu sein, zu dem die Größeeines solchen Wunders passte. Vielleicht waren nicht alle gekommen. Also wiederholte er:„Ihr Männer der Quraysh, lasst keinen einzigen zurück.“ „Wir haben keinen dort gelassenaußer einem Knaben, dem jüngsten von uns“, erwiderten sie. Da sagte Bahira: „Seid nichtso schlecht zu ihm! Sagt ihm er soll kommen. Auch er soll bei diesem Mahl zugegen sein.“Abu Talib und die anderen bereuten ihre Gedankenlosigkeit. „Man muss uns wirklich dafürtadeln, dass wir den Sohn AbdAllahs zurückgelassen haben und ihn nicht zu diesem Festmahlmitgenommen haben!“ sagte einer der Männer, ging hinunter zu ihm, umarmte ihn und brachteihn mit zu den anderen.
Ein Blick auf das Gesicht des Knaben genügte Bahira, um dieWunder zu verstehen; und als er ihn während des Essens aufmerksam beobachtete, stellte erfest, dass vieles an dessen Gesicht und Körper mit dem übereinstimmte, was in seinem Buchgeschrieben stand. Nachdem das Mahl beendet war, setzte sich der Mönch zu seinem jüngstenGast und stellte ihm Fragen über sein Leben, über seinen Schlaf und über allgemeineDinge. Muhammad antwortete ihm gerne auf alle Fragen, denn der Mönch war ein ehrwürdigerMann, und seine Fragen waren wohlwollend und höflich. Er legte auch gerne seinen Umhangab, als der Mönch ihn schließlich bat, er möge ihm seinen Rücken zeigen. Bahira hatteschon keine Zweifel mehr gehabt, doch nun war er doppelt überzeugt, denn hier zwischenseinen Schultern befand sich das Mal, das er zu sehen erwartet hatte, das Siegel derProphetenschaft an eben der Stelle, die in seinem Buch beschrieben war. Er wandte sich anAbu Talib: „Welcher Verwandtschaftsgrad besteht zwischen diesem Knaben und dir?“ „Er istmein Sohn“, gab Abu Talib zurück. „Er ist nicht dein Sohn“, widersprach der Mönch, „eskann nicht sein, dass der Vater des Knaben noch am Leben ist.“ „Er ist der Sohn meinesBruders“, erklärte nun Abu Talib. „Was ist mit seinem Vater geschehen?“ fragte Bahiraweiter. „Er starb, als der Knabe noch nicht geboren war.“ „Das ist die Wahrheit“,bestätigte der Mönch. „Führe den Sohn deines Bruders zurück in sein Land und schütze ihngegen die Juden, denn bei Gott, wenn sie ihn sehen und wissen, was ich über ihn weiß,dann werden sie versuchen, ihm zu schaden. Große Dinge warten auf deines Bruders Sohn“(Quelle: Martin Lings „Muhammad“ Seite 46-48)
Nachdem seine Gäste das Mahlbeendet hatten und weggingen, trat Bahira zu Mohammed und flehte ihn an:
„O Knabe,ich bitte dich bei Lat und Uzza, beantworte mir, was ich dich frage.“
Die beidenGöttinen rief er vor Mohammed nur deswegen an, weil er zuvor seine Begleiter bei ihnenhatte schwören hören. Der Prophet erwiderte: „Bitte mich nicht bei Lat und Uzza, dennnichts hasse ich mehr als diese beiden!“ (Quelle: Ibn Ishaq „Das Leben des ProphetenSeite 35)