Schnauze voll
27.06.2006 um 09:00
Das hat großartige Konsequenzen:
* Die Menschen werden - wenn sie Geld haben- es gern ausgeben, um die Gebühr nicht zahlen zu müssen. Das ist ein kräftigesKonjunkturprogramm.
* Wenn sie mehr haben als sie ausgeben wollen oder können,werden sie es bei ihrer Bank langfristig anlegen, denn auch so entfällt die Gebühr.
* Wenn auf dem Finanzmarkt noch ein Zins gezahlt wird, erhöht die Zentralbank dieGebühr geringfügig, bis der Marktzins Null ist.
* Wird der Marktzins negativ,reduziert die Zentralbank die Gebühr geringfügig, bis der Zins wieder gegen Nulltendiert.
* In Verbindung mit dieser Feinsteuerung kann die Zentralbank denGeldwert durch die Steuerung der Geldmenge stabil - die Inflation also exakt auf Null -halten.
* Geldwertstabilität macht finanzielle Dispositionen langfristigberechenbar und bietet ein hohes Maß an Sicherheit für Vorsorgemaßnahmen aller Art.
* Unternehmen können sich - gegen Sicherheiten wie heute - zinslos Kredite beschaffenund das löst einen beispiellosen Investitionsschub aus.
* Der Staat kann sichteilweise aus der Geldgebühr oder -steuer finanzieren und deshalb andere Steuern senken.
* Die öffentlichen Haushalte vermeiden langfristig den heute zweithöchstenBudgetposten - die Zinsen - und können so tatsächlich in Infrastruktur investieren.
* Die großartigste Konsequenz fließenden Geldes aber ist, das unser heutiges Einkommenplötzlich die doppelte Kaufkraft hat.
Fließendes Geld halbiert die Preise
Die doppelte Kaufkraft? Ja: Wenn Sie heute ein Brot kaufen, kommt es aus einermodernen Bäckerei:
* Die geschmackvolle Einrichtung des Backwarenladens, indem sie das Brot kaufen, ist mit Kredit finanziert,
* der Lieferwagen, mit demdas Brot angeliefert wird, ist mit Kredit finanziert,
* die Produktionsanlagender Bäckerei sind mit Kredit finanziert,
* der Anlagenbauer, der dieBackwarenfabrik geliefert hat, hat sein Werk mit Kredit finanziert,
* dieStahlhütte, die das Rohmaterial dafür geliefert hat, hat ihre Fertigung mit Kreditfinanziert,
* das Eisenerz und die Kohle für die Stahlproduktion sind imkreditfinanzierten Bergbau gewonnen worden,
* die Gebäude für alleProduktionsstätten in einer in Wirklichkeit noch viel längeren Liefer- undProduktionskette, sind mit Kredit finanziert.
Alle diese kumuliertenKreditzinsen sind im Preis des Brotes, das Sie kaufen, enthalten. Auch wenn Sie selbstvollkommen schuldenfrei sind, bezahlen Sie mit dem Preis jedes Brotes, das Sie kaufen ca.40 Prozent Zinsen.
Und wenn einmal an irgendeiner Stelle in der langenProduktionskette ausreichend Eigenkapitel vorhanden ist und ganz ohne Bankkreditegearbeitet wird, müssen die Zinsen trotzdem in die Preise hineinkalkuliert werden. Würdensie es nicht, wäre es für den Unternehmer einfacher, sein Geld bei der Bank anzulegen, woes sich auch während seines Schlafes vermehrt - und ohne den aufreibenden und riskantenJob eines Unternehmers.
Fließendes Geld beendet die Arbeitslosigkeit
Wenn wir jetzt noch die reduzierte Steuerlast berücksichtigen, die sich vermutlich insämtlichen Stufen des Produktionsprozesses von Brot niederschlägt und auch bei uns alsKäufer des Brotes, kommen wir auf ungefähr 50 Prozent. Mit anderen Worten: Ob wir wollenoder nicht, auch wenn wir ganz schuldenfrei sind, zahlen wir im Durchschnitt ungefähr dieHälfte unseres Einkommens, das wir ausgeben, für Zinsen. Und wenn die - als einesegensreiche Folge fließenden Geldes - wegfallen, haben wir mit unserem heutigenEinkommen die doppelte Kaufkraft.
Hand auf Herz: Wollen Sie wirklich doppelt soviele Dinge kaufen? Vielleicht wollen Sie es. Aber Sie können sicher sein, dass manchanderer lieber halb so viel arbeitet. Die Folge davon ist, dass viele MenschenHalbtagstätigkeiten anstreben und das Arbeitsangebot zurückgeht. Sogar im Mittelaltersind unsere Vorfahren mit teilweise nur 30 Arbeitsstunden in der Woche ausgekommen. Beimheutigen Stand der Technik könnten 20 Stunden genügen, ohne dass es uns an irgendetwasmangelte. Ein auch nur um den Anteil der Arbeitslosen an der Erwerbsbevölkerungreduziertes Arbeitsangebot würde die Arbeitslosigkeit im statistischen Durchschnittverschwinden lassen. Gibt das Arbeitsangebot weiter nach, werden die Gesetze des Marktesdie Löhne und Gehälter sogar anheben.
Fließendes Geld erhält die Umwelt
Die ganz große "Bescherung" durch fließendes Geld aber ist noch etwas anderes:Solange der Zins die Umlaufsicherung für das Geld ist, lohnen sich nur solcheInvestitionen, die in überschaubarer Zeit das eingesetzte Geld wieder erwirtschaften.Üblicherweise wird bei Investitionsentscheidungen mit 12 Prozent gerechnet, die auch dasRisiko mit abdecken, denn es kann ja während der Laufzeit der Investition etwas schiefgehen.
Wir müssen deshalb zukünftige Rückflüsse aus der Investition mit 12Prozent abzinsen (das ist die Spiegelseite der Verzinsung). Das bedeutet: Wenn ich inzehn Jahren eine Million Euro einnehmen werde und sie auf den Wert von heute abzinse,erhalte ich nur 321.973 Euro. Wenn ich in hundert Jahren eine Million Euro einnehme undsie auf den Wert von heute abzinse, erhalte ich nur 12 Euro.
Es ist bekannt dassz. B. der Deutschen Bank 12 Prozent nicht genügen und sie eine Eigenkapitalrendite von 25Prozent verlangt. Wenn ich in hundert Jahren eine Million Euro einnehme und sie mit 25Prozent auf den Wert von heute abzinse erhalte ich den Hundertsten Teil einesZwei-Cent-Stücks.
Für winzige Bruchteile eines Eurocents in der Zukunft lohnt essich nicht, heute zu investieren. Deshalb "rechnen" alle großen Konzerne nur nach ihrenkurzfristigen Vorteilen, holzen Bäume ab, die über Generationen gewachsen sind, zerstörenBöden und Fischbestände für kurzfristigen Ertrag, ruinieren unser Klima und riskierenEndlagerkosten für atomare Abfälle für hunderttausend(!) Jahre. Da das Klima vielleichtdoch erst in hundert Jahren kollabiert geht ein Schaden von einer Million Euro heute mitnur 0,0002 Euro in die Kalkulation ein. Der Erhalt von tropischen Regenwäldern,Trinkwasserquellen, Artenvielfalt, sauberer Luft und dem klimatischen Gleichgewicht isteinfach nicht rentabel.
Fließendes Geld ändert das: Weil es nicht verzinst wird,wird es auch nicht abgezinst. Die Trilliardenkosten für die Endlagerung atomarer Abfällemüssen in den Atomstrom hineingerechnet werden, mit der Folge, dass wir dann mit einereinzigen Kilowattstunde Atomstrom unser ganzes Lebenseinkommen verprassen würden.
Aber auch der zukünftige Nutzen z. B. der Magnetschwebetechnik würde nicht abgezinstund in voller Höhe in die heutigen Investitionsentscheidungen eingehen. Vielleichtrechnet es sich dann plötzlich, ganz Europa mit einem Tunnelsystem zu unterkellern, indem Magnetschwebezüge mit 500 km/h verkehren und auch unsere Autos ans Ziel bringen. Undan der Oberfläche dieses wunderschönen Kontinents können wir dann einen paradiesischenNaturpark anlegen. Ob diese oder andere Projekte: Fließendes Geld wird einenInvestitionsboom sondergleichen auslösen - wohl nicht mehr in Kathedralen, aber in eineInfrastruktur, die heute technisch möglich und dadurch dann auch finanzierbar wird.
Spekulationskapital allerdings wird einen Währungsraum mit fließendem Geld meiden.Das wird uns fröhlich stimmen, denn es treibt die Preise in die Höhe, schafft aber keineWerte.
Auch Sie können diese Goldenen Zeiten herbeiholen
Geld bringtmehr Menschen um den Verstand als die Liebe. Sobald wir aber den Konstruktionsfehler desKapitalismus - unser destruktives Geldsystem - erkennen und fließendes Geld einführen,sind wir nicht länger Sklaven der Wirtschaft. Die Wirtschaft wird dann von selbst demLeben dienen - und damit auch uns Menschen. Unser heutiges destruktives Geldsystembelässt uns im Zustand einer gefräßigen Raupe, die ihren Lebensraum sinnlos zerstört.Fließendes Geld verwandelt uns in einen Schmetterling, der voller Freude lebt und dasBlumenmeer nicht zerstört, sondern befruchtet. Die Verwandlung in den Schmetterling istder einzige Sinn der Existenz der Raupe gewesen. So wird unser wunderschöner kleinerPlanet wieder zu dem Paradies, als den Gott ihn erschaffen hat.
"Wir sollten unsnicht so gebärden, als ob das Erkennen volkswirtschaftlicher Zusammenhänge nur denGralhütern vorbehalten bliebe, die ihre verhärteten Standpunkte vortragen", hat LudwigErhard gesagt. Wenn Sie diesen Aufsatz gelesen und verstanden haben, brauchen Sie - umHans Bühler erneut zu zitieren - die übrigen Werke der Volkswirtschaftslehre nur alsKommentar zu lesen, denn Sie wissen etwas, was die Hochschulen ausblenden, was diemeisten Medien nicht berichten und was die Politik nicht zur Kenntnis nimmt: Sie kennenjetzt die Ursache der schmerzhaftesten Probleme unserer Zeit.
Was in unseremBewusstsein als Möglichkeit vorhanden ist, kann auch geschehen. Die Erde wird den Himmelspiegeln oder die Hölle. Es ist Ihre Entscheidung. Sie können jetzt wählen - zwischenschweigender Mitschuld und mutiger Rede oder Tat.
Der Autor war Manager inder chemischen Industrie und Professor für Betriebswirtschaftslehre. Er hat das BusinessReframing Institut in Karlsruhe gegründet und arbeitet als Unternehmensberater. SeitJanuar 2006 ist er 1. Vorsitzender der INWO Deutschland.