Soll es einen 3. Weltkrieg geben ?
09.08.2006 um 17:07
Auf dem Weg zum Dritten Weltkrieg?
Washington (dpa) - Viele Stimmen inverschiedenen politischen Lagern prophezeien kriegerische Zeiten. Selbst wenn im Libanondie Waffen Israels und der Hisbollah in Kürze schweigen sollten, drohen wachsendeInstabilität und noch mehr Blutvergießen. Der republikanische US-Politiker Newt Gingrichspricht gar von "frühen Stufen" eines "Dritten Weltkriegs" - und die politischen Falkenin den USA fordern unverhüllt mehr Kriege.
An ein baldiges Ende desBlutvergießens im Libanon, im Irak, in den Palästinenser-Gebieten, in Israel oderAfghanistan glauben inzwischen nicht einmal mehr die Berufs-Optimisten in denAußenministerien vieler Staaten. Uneinigkeit herrscht jedoch über die Ursachen für dievorausgesagten düsteren Jahre. Islamisten prangern die Arroganz des Westens an, forderndie Auslöschung Israels und propagieren den "Heiligen Krieg". Neokonservative halten den"Kampf der Kulturen", die Schlacht zwischen freiem Westen und "Islam-Faschisten" ohnehinfür unvermeidlich. Vor allem in Europa fürchten dagegen viele, dass es gerade der"globale Krieg gegen den Terrorismus" von US-Präsident George W. Bush ist, der die Weltin Flammen setzt.
Dass die blutigen Ereignisse im Libanon und im Irak"Geburtswehen eines neuen Nahen Ostens" seien, wie US-Außenministerin Condoleezza Ricemeinte, stößt vielerorts auf tiefe Skepsis, selbst in Washington auf Hohn und Spott. "Daslustigste, was ich seit langem gehört habe", lästerte sogar der renommierte Nahostexperteund Ex-Regierungsberater Richard Haas in der "Washington Post". Eine Politik derKonfrontation werde den Anti-Amerikanismus weltweit nur noch anheizen.
Für Bushaber sind die Kämpfe im Libanon, wie im Gaza-Streifen, im Irak oder in Afghanistan nurMosaiksteine der globalen Konfrontation, auch den Begriff des "Dritten Weltkrieg" hat erschon verwendet. "Der Dritte Weltkrieg hat... schon begonnen", sagte ebenfalls jüngstIsraels UN-Botschafter, Dan Gillerman. "Der arabisch-israelische Konflikt verschmilzt nunmit dem weltweiten Krieg zwischen radikalem Islam und dem Westen", schrieb der PublizistCharles Krauthammer im "Time"-Magazin. Nach Faschismus und Kommunismus erhebe nun derradikale Islam Anspruch auf Weltherrschaft. "Der Kampf (der USA) wird diesmal lang undschmerzhaft sein."
Tief pessimistisch zeigte sich auch der liberale PublizistThomas Friedman, der die arabisch-islamische Welt gefesselt sieht in einermittelalterlichen Ideologie des Märtyrertums, der Opferhaltung und der Weigerung, sichwirtschaftlich, politisch und kulturell der Moderne zu öffnen. Die USA auf der anderenSeite seien unfähig, weltweit eine Koalition der Vernunft zu schmieden, vor allem weil"die Welt Bush hasst", so der Pulitzer-Preisträger in der "New York Times".
Ausanderer Sicht entwirft Gingrich ein Schreckensszenario. Eine Allianz von Terrornetzen undStaaten wie Iran und Nordkorea - bereit, biologische oder nukleare Waffen einzusetzen, umdie "moderne Zivilisation zu zerstören". Dem Ex-Sprecher des Repräsentantenhauses mag dieKriegs-Rhetorik zur Vorbereitung seiner Kandidatur für die US-Präsidentschaftswahl 2008dienen.
Aber auch in der islamischen Welt geistert das Worte vom "DrittenWeltkrieg" schon lange herum. "Wenn die USA den 3. Weltkrieg entzünden wollen, dannwerden wir das begrüßen" zitierten US-Medien jüngst Irans Hisbollah-Chef Mojtaba Bigdeli.Besondere Bedeutung wird in den USA dem jüngsten Kampf Israels mit der Hisbollahzugesprochen. Denn der Iran demonstriere hier seinen Führungsanspruch in der islamischenWelt und seine Fähigkeit zur Destabilisierung der Region, so der Islam-Experte Prof. NoahFeldmann. Israels Waffengang gegen Hamas und Hisbollah könnte sich schnell als"Stellvertreterkrieg" erweisen, "der direkt in den großen (Krieg) führt".
DieRechte in den USA fordert ohnehin mit Vehemenz, "die Handschuhe auszuziehen" undanzugreifen. "Wir müssen erwägen, diesen Akt der iranischen Aggression mit einemMilitärschlag gegen die Nuklearanlagen des Irans zu beantworten. Warum warten?...", hießes im neokonservativen "Weekly Standard". Der konservative Publizist Max Boot rief Bushzu mehr Härte auf. Israel zahle derzeit den Preis für den weichen US-Kurs gegenüberDamaskus und Teheran. Die "extrem humane Zurückhaltung" der Israelis im Libanon, dienicht einmal "zufällig" die Botschaften Syriens und des Irans in Beirut bombardierten,sei auch ein falsches Signal. Boot rief in der "Los Angeles Times" unverhohlen zumAngriff auf Syrien auf, wo Israel den USA "die Schmutzarbeit" abnehmen könnte.
Der Bush-Biograf John Podhoretz schrieb, dass Rücksichtnahme auf zivile Opfer "inWirklichkeit eine nicht akzeptable Brutalität" sei. Wenn der "skrupellose, barbarischeFeind" nicht geschlagen werde, bedeute das endloses Blutvergießen. Nur der Abwurf vonAtombomben in Japan und das Bombardement Dresdens habe den 2. Weltkrieg beenden können."War es nicht schon ein Fehler, dass wir zu Beginn des Irak-Kriegs nicht genug Sunnitengetötet haben, um sie ausreichend einzuschüchtern?", fragt Podhoretz in der "WashingtonTimes".
Linke und Liberale fürchten, dass die USA unter Bush mit dem Verweis aufeine gefährliche "Beschwichtigungspolitik" (Appeasement) gegenüber einem unversöhnlichenFeind neue Präventiv-Kriege erwägen. Pulitzer-Preisträger David Broder verwies aufhistorische Beispiele, als die USA in Kriegen nicht siegten und die (freie) Welt dennochnicht zusammenbrach: in Korea und Vietnam. Auch im Kongress und im US-Außenministeriumfordern manche eine klügere US-Diplomatie statt fragwürdiger Militäreinsätze - undprovozieren heftige Gegenstimmen. Der Kalte Krieg mit dem "müden, atheistischen undbürokratischen" Sowjetreich sei sehr viel leichter gewesen als der anstehende Kampf gegenreligiöse Fanatiker ohne Skrupel und mit einem "Kult des Todes", betont Gingrich.