Link: www.ksta.de (extern) (Archiv-Version vom 21.04.2007)Ankara -Mehr als 200 Aussteller aus der Türkei wollen auf der diesjährigen Hannover Messeihre Produkte zeigen. Ministerpräsident Tayyip Erdogan wird zur Eröffnung derIndustrieschau am Sonntagabend anreisen, denn die Türkei ist 2007 Partnerland derHannover Messe. Erdogan und die türkischen Aussteller können in Hannover selbstbewusstauftreten: Das einstige Agrarland ist auf dem Weg zum modernen Industriestaat. Amdeutlichsten zeigt sich das in der rasanten Entwicklung der türkischen Exporte. In denvergangenen vier Jahren sind die Ausfuhrerlöse von 36 auf 85 Milliarden Dollargewachsen.
Das Volumen des bilateralen Warenverkehrs erreichte im vergangenen Jahrmit 23,5 Milliarden Euro einen neuen Rekord. Die Bundesrepublik ist der wichtigste Marktfür die türkischen Exporteure, hier setzen sie rund 13 Prozent ihrer Waren ab. In derRangliste der Lieferanten liegt Deutschland nur knapp hinter Russland, was aber alleinauf das Konto der russischen Öl- und Gaslieferungen geht. Auch in den kommenden Jahrendürften die Exporte eine wichtige Stütze des türkischen Wirtschaftswachstums bleiben. Inden ersten drei Monaten 2007 legten die Ausfuhren bereits um weitere 20 Prozent zu. Damitdürften die Ausfuhrerlöse in diesem Jahr erstmals die Marke von 100 Milliarden Dollarübersteigen.
Der Exportboom spiegelt einen tief greifenden Strukturwandel dertürkischen Wirtschaft. Denn nur mit T-Shirts und Teppichen, Zitronen und Pistazien wärendiese Steigerungsraten nicht zu erzielen. Zwar machen Textilien in der Ausfuhrstatistikmit einem Drittel immer noch den größten Posten aus. Aber ein wachsender Anteil derExporte entfällt auf Industrie- und Hightech-Güter. Eine immer größere Rolle spielt zumBeispiel die schnell wachsende Automobil- und Kfz-Zulieferindustrie. Von rund einerMillion produzierten Fahrzeugen gingen 2006 fast 700 000 in den Export, eine Steigerungvon 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wer in Deutschland einen Bus der Marke Mercedesbesteigt, wer einen Fiat Doblo, Ford Transit oder Renault Megane steuert, sitztwahrscheinlich in einem Fahrzeug „made in Turkey“.
Auch in deutschen Wohnzimmernund Küchen gibt es längst viele türkische Produkte. Rund die Hälfte der in Westeuropaverkauften Fernseher stammen aus türkischer Produktion, ungeachtet der japanischen,koreanischen, niederländischen oder deutschen Markennamen auf den Geräten. Auch dieProdukte der deutschen Traditionsmarken Telefunken und Grundig kommen aus Anatolien. Fürdie deutsche BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH hat sich die Türkei sogar zum größtenFertigungsstandort überhaupt entwickelt. In dem nördlich von Istanbul gelegenen Werk derBSH-Türkei produzieren 3000 Mitarbeiter pro Jahr rund 2,5 Millionen Waschmaschinen,Trockner, Geschirrspüler, Herde und Kühlschränke.
Deutsche Unternehmen haben einelange Tradition in der Türkei. Die Präsenz mancher Firmen, wie zum Beispiel Siemens,reicht sogar bis ins 19. Jahrhundert zurück. In den 80er und 90er Jahren war es vor allemder große, heute fast 74 Millionen Menschen zählende türkische Markt, der deutscheUnternehmer in die Türkei zog. Längst haben sie aber Anatolien als Produktionsstandortentdeckt. „Vor zehn Jahren gab es in der Türkei etwa 500 Firmen mit deutscherBeteiligung, heute sind es fast 2700“, rechnet Marc Landau vor, Geschäftsführer derDeutsch-Türkischen Industrie- und Handelskammer (AHK) in Istanbul.
Nicht zuletztdie 1996 eingeführte Zollunion mit den EU-Staaten und die Beitrittskandidatur hat vieleUnternehmen in die Türkei gezogen. Neben dem großen Binnenmarkt lockt das Land mitbeträchtlichen Lohnkostenvorteilen. In der Automobilindustrie beispielsweise rechnet manin Deutschland mit Lohngesamtkosten von über 30 Euro pro Stunde. In der Türkei sind esdagegen nur etwa 6,50 Euro. Zwar liegen in Ländern wie Bulgarien die Lohnkosten nochniedriger, aber für die Türkei spricht die deutlich höhere Produktivität undQualifikation der meisten Mitarbeiter.