drogen-politik: psychedelische substanzen
26.01.2006 um 20:22
interview mit albert hofmann (ich poste den ganzen artickel, dar die meldung nach einiger zeit aus dem netz genommen wird,wie bei nachrichten seiten oft üblich)
«LSD ermöglicht gewissermassen ein Aufwachen»
Ärzte sollten mit LSD arbeiten können, fordert Albert Hofmann – etwa um psychisch Kranken zu helfen oder Sterbende zu begleiten.
Mit Albert Hofmann sprach Jean-Martin Büttner
Sie haben sich bei einem Vortrag in den USA als «little Swiss chemist» vorgestellt. Darf man davon ausgehen, dass das Ihrem Selbstverständnis entspricht?
Absolut. Ich bin ein gewöhnlicher Schweizer, der es am liebsten einfach hat, da ist mir am wohlsten dabei. Einfach und reell. Leute, die grossspurig auftreten, sind mir nicht sympathisch.
Dazu passt Ihr berühmter Satz, das LSD habe Sie gefunden und nicht umgekehrt. Warum ausgerechnet Sie?
Das weiss ich nicht, das ist Schicksal. Ich hatte das LSD ja nach fünf Jahren ein zweites Mal hergestellt, an einem Freitagnachmittag im April 1943 – und geriet dabei in einen ganz eigenartigen, traumartigen Rauschzustand. Ich hatte keine Ahnung, woher dieser Zustand kam und dachte zuerst, er habe mit dem Lösungsmittel zu tun, das ich verwendet hatte. Dem war nicht so, also musste ich beim Umkristallieren etwas LSD aufgenommen haben. Auf diese Weise ist das LSD zu mir gekommen. Und da ich sehr sauber arbeitete und genau wusste, dass ich nichts eingenommen hatte, wurde mir klar: Das muss eine saumässig starke Substanz sein.
Wer die Wirkung von LSD erfahren hat, weiss um die Schwierigkeit, davon zu erzählen. Wie würden Sie die Erfahrung beschreiben?
Unter LSD gerät man in einen sehr tiefen Zustand. Das Ich entschwindet, man nimmt sich als Bestandteil eines Ganzen wahr, ist im Himmel und auf der Erde heimisch, fühlt sich geborgen im Universum, geht ein in ein allgemeines Bewusstsein. Das ist ein mystischer Zustand, der auch durch Meditation angestrebt wird. Der Mensch unterscheidet sich von allen anderen Lebewesen darin, dass er ein Bewusstsein hat – was erklärt, warum Tiere nicht auf LSD reagieren. Das Bewusstsein ist das göttliche Geschenk an den Menschen. Er weiss, wer er ist und weiss, dass es einen Schöpfer gibt. Er kann sich wundern und die Schönheit sehen. Dieses Bewusstsein nun, dieses Zugehörigkeitsgefühl, wird unter LSD stark intensiviert.
Was auch starke Ängste auslösen kann.
Natürlich, darin liegt die Gefahr. Die Leute können Angst bekommen und das Gefühl haben, sie seien verloren, wenn sie in einen solchen, völlig anderen Zustand geraten. LSD ist nahe verwandt mit Meskalin und anderen uralten Kultdrogen, deren Wirkung schon die Indianervölker kannten. Und weil diese Kultdrogen in ein anderes Bewusstsein führten, wurden sie von einem Priester oder einer Priesterin abgegeben. Zuvor musste man fasten und beten, man musste rein sein und die Substanz in einer rituellen Zeremonie einnehmen. Tat man das nicht, tötete der Pilz oder machte einen wahnsinnig.
Schon bei den eleusischen Mysterien der griechischen Antike wurden Halluzinogene als sakrale Drogen eingesetzt, über einen Zeitraum von fast 2000 Jahren. Halluzinogene gehören somit auch zu unserer abendländischen Kultur.
Das ist das Grossartige: Das Erleben unter LSD deckt sich mit Zeugnissen aus der Zeit der eleusischen Mysterien. Alle berühmten Persönlichkeiten dieser Zeit mussten einmal in ihrem Leben nach Eleusis, um diese Erfahrung zu machen.
Sogar Cicero hat diese Reise unternommen.
Sogar Cicero. Und er sagte danach: «Wer das nicht gehabt hat, kennt den Anfang und das Ende des Lebens nicht.» Da es sich um Mysterien handelte, durften die Eingeweihten danach nicht genau sagen, was sie erlebt hatten. Die Griechen waren ein geniales Volk: Statt ein Buch zu schreiben wie Sigmund Freud über die Libido, stellten sie eine Gestalt hin wie die Aphrodite und statteten sie mit den entsprechenden Eigenschaften aus.
Bis heute hoffen Therapeuten, mit Hilfe von LSD schwere psychische Leiden wie Depressionen, Süchte und selbst Kriegstraumen besser und auch schneller behandeln zu können. Wie kann LSD dabei helfen?
Bevor das LSD auf die Strasse gelangte, konnten wir eine Menge therapeutische Erfahrungen sammeln. Die Substanz wurde bei der Psychoanalyse von Patienten verwendet, die nicht mehr ansprechbar, also blockiert waren. Gab man ihnen LSD, wurden sie stimuliert, sie sind gewissermassen aufgewacht, und man konnte mit der eigentlichen Analyse beginnen. Was damals als Wundermittel galt, wurde in der Folge zur Kultdroge der Jugend – und damit zu einer politischen Gefahr für Amerika. Der Entscheid der USA, das LSD zu verbieten, war ein rein politischer Entscheid. Jeder Arzt hat kontrollierten Zugriff auf Heroin, Morphin, sogar Strychnin, sollte das nötig sein. Aber für LSD gilt ein Totalverbot. Es gilt im Prinzip bis heute – für Herstellung, Besitz und Anwendung. Das muss sich ändern, und ich denke, dass der LSD-Kongress in Basel dazu beitragen wird. Wenigstens die Ärzte sollten wieder die Möglichkeit bekommen, mit LSD therapeutisch zu arbeiten.
Der Schriftsteller Aldous Huxley liess sich auf dem Totenbett von seiner Frau LSD geben; er starb ganz friedlich, sein letztes Wort war «Yes». Wie schätzen Sie die Bedeutung Ihrer Substanz für die Sterbebegleitung ein?
Ich denke, das sei etwas vom Wichtigsten, für das LSD Verwendung finden könnte. Man gibt Sterbenden ja sehr oft Morphin. Wo das Morphin nicht mehr wirkt, bekommt man die Schmerzen mit LSD weg. Und ermöglicht zugleich ein Erwachen der Patienten. Darauf deuten zumindest die Versuche hin, die man bis zum Verbot der Substanz durchführen konnte. Ich verstehe wirklich nicht, weshalb man diese Behandlungsmöglichkeit nicht weiter untersucht.
Könnten Sie sich vorstellen, in einer solchen Situation selber LSD zu nehmen?
Das könnte ich mir vorstellen. Aber man weiss natürlich nicht, wie man stirbt.
Die Staaten blühen nur, wenn entweder Philosophen herrschen oder die Herrscher philosophieren.
Die schlimmste Art der Ungerechtigkeit ist die vorgespielte Gerechtigkeit.
- Platon -