Doors schrieb:Die Gefahr, die von Rechts ausgeht, ist in meinen Augen, abgesehen von den direkten mörderischen Auswirkungen auf ihre Opfer die Tatsache, dass Ansichten inziwschen salonfähig geworden sind, von Rassismus über Antisemitismus bis hin zum Hass auf Frauen oder Homosexuelle (Das wird man ja doch wohl noch sagen dürfen), für die sich Menschen noch vor Jahrzehnten geschämt hätten, bzw. diese nicht öffentlich rausgetrötet hätten. Aus Gedanken werden Worte, aus Worten werden Taten.
Scham ist per se halt kein guter Helfer, um Dinge langfristig oder gar auf Dauer zurückzuhalten, denn Schamgrenzen sind relativ schnell veränderlich. Und es ist auch immer eine faszinierende Sache, mit Schamgrenzen zu spielen und diese auszutesten. Letztendlich entwickeln sich Gesellschaften auch durch die Veränderbarkeit von Schamgrenzen bzw. verändern sich diese mit Entwicklungen, die die Gesellschaft nimmt.
Doors schrieb:Hinzu kommt, dass ehemals in der Mitte verortete, also gut bürgerliche Parteien, anfangen, den rechten Rattenfängern mit beiden Augen auf die Wähler schielend, hinterher zu laufen.
Nein, das ist grundsätzlich ja gar nicht der Fall. Gerade in der Thüringen-Krise hat die konservativ-bürgerliche Fraktion letzten Endes durch Enthaltung sogar einem linken MP zum Amt verholfen, um Rechtsaußen zu isolieren. Das ist äußerst bemerkenswert, man muss immer bedenken, dass die CDU ideologisch eigentlich der AfD doch näher steht als der Linkspartei. Davon, dass die bürgerliche Mitte der äußersten Rechten "hinterherläuft", kann also faktisch wohl kaum die Rede sein. Etwas anderes ist es allerdings, darauf zu reagieren, dass eine migrationskritische Partei angesichts von aufgrund geopolitischer Lagen erwartbaren hohen Zahlen an Zuwanderern 10 – 25 % der Wählerstimmen erhält und das tendenziell zunehmend. Diese Leute fängt man nicht damit ein, indem man sagt, sie würden sich halt irgendwelche Probleme einbilden. Gerade für Parteien der konservativen Mitte ist es durchaus relevant, hier Angebote zu machen. Ob nun ein Merz vom Schwarzen Felsen da hilfreich ist, sei dahingestellt…
Doors schrieb:Den fundamentalistisch-religiösen islamistischen Terror würde ich hinsichtlich seines Weltbildes auch eher in die rechte Ecke stellen. Von Befreiung, Frauenrechten, Demokratie ist bei den Jungst ja auch eher weniger die Rede.
Ja, grundsätzlich sind Islamisten eindeutig wohl viel eher als Rechte einzustufen als als Linke, das sind sie bestimmt nicht. Die Gefahr einer Verbrüderung europäischer Rechter mit Islamisten würde ich aber derzeit als eher gering einschätzen. Interessanterweise gibt es aktuell v. a. im rechtspopulistischen Spektrum sehr viele Bewegungen, die in der Tendenz eher israelfreundlich sind.
@eckhart Diese Zustände waren in den frühen Jahren der Bundesrepublik gegeben, jedoch auch nicht über alle Maßen verwunderlich. Nach einer Diktatur ist es immer so, dass Strukturen aus dieser Diktatur z. B. im Justizapparat immer noch vorhanden sind. Meist ist es wohl kaum möglich, sämtliches Personal auszutauschen. In der DDR verhielt es sich dagegen in der Tat ein wenig anders. Während der Westen trotz Neugründung des Nationalstaates gewissermaßen in einem Strom der Kontinuität des alten Reiches mit all seinen Irrungen und Wirrungen stand, wurde im Osten quasi ein ganz neuer Staat, das sog. "Sozialistische Vaterland" etabliert, hier kam auch eine von der vorausgegangenen NS-Diktatur unbeleckte neue Elite ans Ruder, die meist aus dem Exil kam bzw. aus den Lagern und Gefängnissen der Nazis. Das Selbstverständnis, mit den Gräueln des Dritten Reichs ohnehin nichts zu tun zu haben, war von daher ausgeprägt, anders als im Westen. Dass diese neue Elite mit kommunistischem Hintergrund im Osten nun selber eine Diktatur ausübte, steht zwar auf einem anderen Blatt, war aber ideologisch bereits vorgeprägt.
Halten wir uns aber nicht zu lange in der Vergangenheit auf und betrachten wir das Heute. Hier muss man schon aufgrund des Generationenwechsels einen Cut machen. Ohne Zweifel haben die Bewohner der ostdeutschen Länder andere Erfahrungen mit diktatorischen Regimen als jene der Westländer. Nicht nur aus Geschichtsbüchern und von Erzählungen von Oma und Opa, wie ich z. B., sondern aufgrund der größeren zeitlichen Nähe zumindest die älteren ganz real in ihrem Leben, ihrer persönlichen Vergangenheit. Und, Wunder was, das kann sich der Wessi ja kaum vorstellen, die haben von 1949 – 1989 auch ein Leben gehabt und das hat sich offensichtlich auch nicht ausschließlich auf dem Kasernenhof und in irgendwelchen ideologischen Schulungen abgespielt!
Zahlen zeigen uns aber, dass nicht nur ältere Leute die Linkspartei oder auch die AfD wählen, die Linkspartei hatte in den 2000er-Jahren auch einen deutlichen Zuwachs und hat sich sogar im Westen etabliert, die AfD macht aktuell Furore. Das hat wohl kaum etwas mit der ferneren Vergangenheit zu tun, sondern mit Problemstellungen der heutigen Zeit, das sollte man bedenken. Es führt auch, denke ich, zu gar nichts, wenn man sich wie im Fall der Linkspartei zu stark auf deren Vergangenheit konzentriert oder im Fall der AfD auf vermeintliche Vorläufer in dieser, man muss sich wohl oder übel mit den Themen befassen, die diese heute aufwerfen, denn jene sind Zeichen unserer Zeit. Dass sich Wähler radikaler Parteien links wie rechts ob im Osten oder im Westen tatsächlich mehrheitlich in eine Diktatur (zurück)träumen, bezweifle ich stark.
Das Hufeisen stellt eben ein Modell dar, politische Gruppierungen fein säuberlich von links bis rechts darin aufzureihen. Offensichtlich ist es wohl so, dass die Enden des Eisens als Grenze zum antidemokratischen Spektrum gesehen werden. Aber könnte man nicht auch das gesamte Hufeisen als demokratisches Spektrum betrachten und die Gesamtheit seiner Ränder als den Rand dieses Spektrums ansehen? Wir wissen, dass sich in den Parteien der Mitte, die also näher der Beuge des Hufeisens angesiedelt sind, auch nicht ausschließlich lupenreine Demokraten tummeln.