@jeverStell dir mal vor du wärst eine dritte person. nicht der sprayer (oder tagger) und auch nicht der eigentümer. Ich behaupte jetzt mal zwei Figuren:
"Max der Sprayer"(nachstehend "Max" genannt) und "Dr. Karl Bonzkopf" (nachstehend "Karl" genannt).
Max ist 16, steht unter sozialem Druck, kommt nicht mit der Schule klar und verspürt den Drang zur freien Entfaltung. Er hat zwar selten Erfolge in jeglicher Hinsicht; aber einer Sache ist er sich 100%ig sicher: Er hat ein besonderes zeichnerisches Talent und kann gut mit Fraben umgehen.
Karl ist 56, Selfmade Man aus der Zeit eines Deutschen Wirtschaftswunders, genießt zu Recht das Leben und liebt die Kunst der Architektur. Karl sieht sich als Gewinnertyp auf ganzer Linie. Er würde es öffentlich zwar nie zugeben, jedoch hält er sich und sein System gar als Krönung der Evulotion. Karl ist egoistisch, knallhart und geht beruflich "über Leichen". Er ist deswegen sicher kein schlechterer Mensch, denn er sorgt für seine Familie und gibt sich immer größte Mühe, den menschen zu helfen, die er liebt.
Beide halten sich für Kenner auf ihrem Gebiet und sind von ihrem Werteprinzipien und ihrer Kunst überzeugt. Beide haben Herz und Verstand und doch sind sie so unterschiedlich wie katz und Maus, denn in einer wesentlichen Frage unterscheiden sie sich.
max ist unzufrieden. Es brennt in seinem Inneren, denn ein Monster lauert in ihm. Es drängt darauf, zu Wort zu kommen. Doch Seine Lehrer können mit kleinen Monstern nichts anfangen und seine Eltern sind zu beschäftigt, weil sie alle Mühen auftun, um ihre Existenz sichern. Max lehnt viele Denkweisen seines Systems einfach ab, sei es bewust oder unbewust. Er besitzt die Frechheit, gegen Gesetze zu verstoßen und fremdes Eigentum zu zerstören. Max hasst Grenzen und Unzugänglichkeiten. Er sieht Kriege, Hungersnot, Globalisierten Kapitalismus und allgemeine Monokulturisierung. Er fuhlt sich machtlos und völlig überfordert. In der Schule fallen nurnoch Schüler positiv auf, die Markenklamotten tragen und die neusten Handys haben. Genau das stört max an seinen Mitschülern. Er kann da nicht mithalten, da er den Sinn darin nicht versteht. Doch max glaubt stark sein zu können. Er glaubt an sich und hält sich an seinem Talent fest. Er läßt sich nicht mehr alles Gefallen! Er sucht sich ein Synonüm und kann sich nachts wie ein Comic-Superhelden feiern. Er ist jemand und für seine Kunst geht er "über Leichen". Er geht sprühen, um Spuren in seiner Welt zu hinterlassen, ohne dabei um Erlaubnis zu fragen.
Karl hat keinerlei Verständnis dafür, warum es sein muss, dass gerade sein Haus, sein kostbar erarbeites Eigentum, der schändung durch Grafitis zum Opfer fallen muss. Er ist sprachlos darüber, dass Max, dieser Bengel ohne jede Wertschätzung, die Frechheit besitzt, einfach so unerwünschte Farbstriche gegen Karls hart erarbeitete Hauswand zu sprühen. Dieser Akt gleicht einer persönlichen Beleidigung! Karl hat die Schnauze voll.
wir alle haben die schnauze voll, jeden tag auf sinnlose buchstaben zu glotzen! Schau dich mal um und vergleich mal den anteil an werbung und den anteil an grafiti im öffentlichen raum. klar man sieht manchmal ein werbeplakat, dass einem gefällt, weil die idee witzig ist und doch sagt es dir unterm strich nur eines: gib mir dein geld! Ist Grafiti nicht vielleicht auch eine Trotsreaktion auf dieses Phänomän?
Ja. Das meiste Grafiti ist für die allgemeine Sehgewohntheiten schlichtweg unesthätisch. Aber fragen sich die Menschen nach dem "warum?"
Manchmal jedoch gibt es Bilder, wo die Leute Sagen: Mensch, das ist Kunst, weil es kein frendes Eigentum zerstört. Oder weil das Bild sich an allgemeinen Sehgewohnheiten orientiert (Figuren, schöne Farben), um so besser angenommen zu werden. Doch hier liegt für mich sogar die Grauzone der Definition zu Grafiti - aber egal. Grafiti ist geneuso ignorant zu seinem Publikum, wie Ottonormalzivilist zu Grafiti steht. Denn das Warum stellt sich für ihn nicht. Warum tun diese Kinder sowas? Was machen wir falsch? Ist die Anhäufung von Eigentum und die Ausgrenzung derer, denen wir es wegnehmen etwa nicht richtig? Könnte es nicht sogar sein, dass der Krieg gegen Grafiti eine Verläugnung der eigenen Probleme gleicht?
Fakt ist: Die Kinder sind sauer. Sie sehen ihre Zukunft und schauen auf ein Spiel des Lebens, welches ihnen nicht gefällt. Sie müssen einer Norm entsprechen der sie nicht entsprechen können oder wollen. Sie werden gezwungen, sich selbst zu verleugnen und mitzumarschieren. Sie müssen mitmachen bei einer Weltwirtschaft, welche die Welt zerstört und sie Fragen sich "WARUM?".
Das Schaf im Bärenfell