Che Guevara und die „Nürnberger Prozesse“
1952, kurz vor den Präsidentschaftswahlen putschte sich der Armeechef und spätere Massenmörder Fulgencio Batista mit Hilfe der CIA in Kuba an die Macht. Kuba war vor und während der Diktatur Batistas das „Bordell“ der USA. Die USA kontrollierten 75% des Handels. Sie besaßen 90% der Minen des Landes und 50% des Bodens. Die Bevölkerung lebte in Armut, 80% waren Analphabeten und es gab kaum medizinische Versorgung. Während Batistas Amtszeit wurden 20.000 Kubaner und Kubanerinnen, teilweise nach bestialischer Folter, von Batistas Schergen ermordet. Zur Einschüchterung der Bevölkerung wurden viele der Ermordeten aus Autos auf die belebten Straßen geworfen.
Nach dem Scheitern seines „Sturms auf die Moncada-Kaserne“ 1953, sammelte Fidel Castro in Mexico einige „Getreue“, unter ihnen der argentinische Arzt Che Guevara, und versuchte mit 81 Männern und der Yacht „Granma“ Kuba im November 1956 zu erreichen um Batista zu stürzen. Kurz nach der Landung auf Kuba überlebten von den 82 Revolutionären nur 17 Männer. Alle übrigen waren, nachdem sie gefangen genommen und gefoltert wurden, tot. Dieser Gruppe von 17 Rebellen schlossen sich immer mehr Bauern und Bewohner Kubas an, weshalb sie Batistas, von den USA unterstütze, Armee innerhalb von zwei Jahren besiegen konnten. Der asthmakranke Ernesto Guevara de la Serna (14. Juni 1928- 9.10.1967) war als Arzt zu Castros Gruppe gestoßen, erst während der Kämpfe wurde er zum Kommandanten, dem höchsten Rang der Guerilleros, ernannt. Wie in jedem Krieg, so auch in einem Guerillakrieg, kommen Menschen zu Tode. Che Guevara hatte die Verantwortung für seine Gruppe – während der Gefechte gab es wiederholt Entscheidungen die Menschenleben forderten. Verräter, die mit Batistas Armee kollaborierten wurden kurzerhand exekutiert. Durch diese Kollaborationen wurden wiederum viele, auch unbeteiligte, Bauern mit ihren Familien von Batistas Armee und der Geheimpolizei ermordet. Einige dieser Füsilierungen führte Che Guevara persönlich aus. In seinem „Kubanischen Tagebuch“ beschreibt der „Che“ detailliert die Entscheidungen über Leben und Tod. Viele von seinen Mitkämpfern geforderten standrechtliche Erschießungen wurden von „Che“ verhindert, solange keine Gefahr für die umliegenden Bauern oder die Revolution bestand. Als seine größte militärische Leistung gilt die Einnahme von Santa Clara mit Camilo Cienfuegos im Dezember 1958. Nachdem alle Kasernen von Santa Clara eingenommen wurden, schickte Batista einen gepanzerten Zug voller Waffen und Munition für seine Soldaten nach Santa Clara. Mit einem Täuschungsmanöver überfiel Guevara mit seinem zahlenmäßig weit unterlegenen Trupp diesen Zug, wobei kein, auch gegnerischer, Soldat ums Leben kam.
Am 13. Januar 1959 weiht Guevara in La Cabana eine militärische Kulturakademie ein, um die Alphabetisierung der Bauern aus seiner Kolonne fortzusetzen. Nach dem Sieg der Revolution kam es zur „Großen Abrechnung“, zu den Schnellgerichtsverfahren gegen die Folterer der Batista-Diktatur, welche von der Bevölkerung und den Medien damals vehement gefordert wurden. In den Medien wurde täglich über neue geheime Friedhöfe, die Ermordung unbewaffneter Jugendlicher und Vergewaltigungen durch das Batista-Regime berichtet. Während der Prozesse und anschließenden Hinrichtungen beschuldigten die USA Kuba, seine Kritiker unterschiedslos zu füsilieren und leiten damit eine massive Kampagne gegen die neue kubanische Regierung ein. Die Exilkubaner und Ex-Folterer der Batista-Diktatur in den USA machten Che Guevara zum „Schlächter von La Cabana“. In La Cabana hatten die revolutionären Gerichte „1“ und „2“ ihren Sitz. Das erste richtete über Batistas Polizisten und Militärs und das zweite, das keine Todesstrafen aussprach, über Zivilpersonen. Den Vorsitz über das Gericht „1“ hatte Miguel Angel Duque de Estrada. Che Guevara gehörte keinem der beiden Tribunale an, jedoch überprüfte er als Garnisonskommandant die Berufungen. Guevara erklärte den kritischen kubanischen Genossen, das Arbenz in Guatemala vor allem deshalb gestürzt werden konnte, weil er seine Armee nicht von illoyalen Elementen gesäubert hatte – ein Fehler, welcher der CIA die Möglichkeit gegeben hatte, sein Regime zu infiltrieren und zu beseitigen. Auf die US-amerikanischen Kampagnen gegen die Tribunale reagiert Fidel Castro in diversen Reden. Castro verglich die Verbrecher der Batista-Diktatur mit den Angeklagten in den „Nürnberger Prozessen“. Im „Nürnberger Prozess“ wurden nach dem zweiten Weltkrieg Politiker und Militärs, sowie Wirtschaftsführer der NS Diktatur angeklagt. Bekanntlich kam es dabei kam es zu vielen Todesurteilen. Beispielsweise wurden Hans Frank, Wilhelm Frick, Alfred Jodl, Fritz Sauckel, Alfred Rosenberg, Joachim von Ribbentrop oder Wilhelm Keitel zum Tod durch den Strang von den Alliierten verurteilt. Neben den „Nürnberger Prozessen“ verurteilten in den drei Westzonen alliierte Militärgerichte insgesamt 5025 deutsche Angeklagte. In 806 Fällen wurden Todesurteile ausgesprochen, von denen 486 vollstreckt wurden. Die Nürnberger Prozesse haben eine Anzahl von Anwälten hervorgebracht, deren revisionistische Verteidigungsstrategien die Einstellung von Teilen der Bevölkerung in Deutschland damals und heute stark beeinflusst haben. Nicht nur rechtsradikale, antidemokratische Gruppierungen kritisieren seit über 60 Jahren diese Todesurteile. Zum 60. Jahrestag der Nürnberger Prozesse meinte der Ex-SDS Mann und heutige NPD/DVU Sympathisant, Bernd Rabehl: „Hier hätten „Killer über Killer zu Gericht“ gesessen. Der Prozess sei lediglich eine „Farce“ gewesen.“
Von 1959 bis 1961 war Guevara Präsident der Nationalbank und von 1961 bis 1965 Industrieminister. Chef der Nationalbank wurde er, weil auf einer Versammlung von Aktivisten, Fidel Castro fragte: ,,Gibt es einen Ökonomisten im Saal?“ Guevara hob die Hand, weil er verstanden hatte: ,,Gibt es einen Kommunisten im Saal?“ ,,Gut, du wirst Präsident der Nationalbank“, bestimmte Castro. Guevara war ein Bankier, der das Geld als Symbol der Ausbeutung verachtete: ,,Der Lohn ist ein altes Übel, das durch den Kapitalismus entsteht und auch nicht mit dem Sozialismus untergeht. Das Problem wird erst dann ausgemerzt sein, wenn es kein Geld mehr gibt, wenn man am idealen Ziel angekommen ist: dem Kommunismus.“ Täglich arbeitete er fünfzehn Stunden in der Bank, und am Wochenende arbeitete er freiwillig bei der Zuckerrohrernte mit, was heutzutage sehr ungewöhnlich erscheinen mag. Die Initiative, freiwillige Arbeit, war eine seiner zentralen Ideen für seine Vorstellung vom „neuen Menschen“. Che Guevara war mitverantwortlich für die Nationalisierung US-amerikanischer Unternehmen, der Enteignung des Großgrundbesitzes und dem ländlichen Siedlungs- und Bildungsprogramm. Sein großer Traum war die Schaffung eines „Neuen Menschen“, der materiellen Interessen entsagt, selbstlos und solidarisch und ewig revolutionär ist. Seine größten politischen Fehler machte Che Guevara wohl in der Zeit als Industrieminister, in dem er sich beispielsweise der Zucker-Monokultur, einer Forderung der Sowjetunion, nicht klar entgegenstellte. Diese Fehlentscheidung der damaligen Zeit wirkt noch heute in Kuba nach, da einige Lebensmittel importiert werden müssen. Die Idee der freiwilligen Arbeitseinsätze scheiterte. Guanahacabibes, war ein kleines Dorf auf der Halbinsel Corrientes, wo es mitten im nichts einen ehemaligen Holzbetrieb gab. Ursprünglich war hier von den Streitkräften ein Arbeitslager eingerichtet, was auch vom Industrieministerium genutzt wurde. Bei Fällen von Disziplinlosigkeit bestimmte das Ministerium das Strafmaß von ein paar Wochen oder Monaten Aufenthalt in Guanahacabibes. Che Guevara meinte dazu:“ Guanahacabibes ist keine feudale Strafe. Nach Guanahacabibes werden keine Leute geschickt die ins Gefängnis gehören. Nach Guanahacabibes werden Leute geschickt, die kleinere oder größere Fehler gegenüber der revolutionären Moral begangen haben, bei gleichzeitigem Verlust des Arbeitsplatzes. Es ist harte Arbeit, aber keine bestialische Arbeit.“ Wenn jemand etwas stiehlt, muss der Dieb ins Gefängnis und der Direktor der ihn gedeckt hat, nach Guanahacabibes. Obwohl diese Lager nichts mit Arbeitslagern in NS-Deutschland oder der Sowjetunion zu tun hatten und Che Guevara oft sonntags die Arbeit mit den Bestraften teilte, hatte das Lager einen üblen Ruf, vor allem unter den mittleren und höheren Kadern des Ministeriums.
Vor und lange Zeit nach 1959 war die ganze kubanische Gesellschaft, die Psychiatrie, die Justiz damals schwulenfeindlich, nicht nur auf Kuba, sondern weltweit. 1960 existierte beispielsweise in der BRD der so genannte Paragraph 175, der sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe stellte. Trotzdem bleibt es eine Schande, wie auch die kubanischen Revolutionäre den Homosexuellen begegnet sind. Fidel Castro hat kürzlich persönlich die Schuld für die damaligen Fehler gegenüber den Homosexuellen auf sich genommen. Natürlich ist Kuba keine parlamentarische Demokratie nach westlichem, aber auch keine Volksdemokratie nach östlichem Vorbild. Kuba mit den ehemaligen Ostblockstaaten zu vergleichen, ist völlig falsch. Die Kubanische Revolution von 1959 wirkt bis heute, trotz des Wirtschaftsembargos der USA. Der kubanische Staat garantiert jedem kubanischen Bürger eine kostenlose medizinische Versorgung. Die Säuglingssterblichkeit ist in Kuba niedriger als in den USA. Für humanitäre Hilfsleistungen wurden von der kubanischen Regierung immer wieder Ärzte in andere Länder entsandt. Das hoch entwickelte Bildungssystem ist kostenlos für die kubanische Bevölkerung. Die Einschulungsquote liegt bei 100 Prozent, Analphabetismus geht gegen null. Im Gegensatz zu so gut wie allen mittel- und südamerikanischen Ländern gibt es in Kuba keine „Favelas“. Wenn es in der Region ein Land gibt, in dem Soziale Gerechtigkeit auf der Staatsagenda ganz oben steht, das ist es Kuba. Seit Anfang an versucht die USA im Verbund mit Exilkubanern die Kubanische Revolution rückgängig zu machen. Seit 1959 gibt es Sabotageakte und Bombenangriffe auf Kubanische Kindergärten, Schulen oder andere Einrichtungen, mit vielen Toten. Die USA, unter ihrem Präsidenten Kennedy, planten einen Stützpunkt in Kuba zu errichten, weshalb am 15. April 1961 folgerichtig amerikanische Bomber kubanische Flugplätze bombardierten. Am 17. April landeten in der Schweinebucht die von den USA und deren US-Marine unterstützten Exilkubaner, viele davon ehemalige Folterer des Batista-Regimes. Die Invasion der USA scheiterte, die kubanischen Verteidiger verloren 161 Kämpfer. Zur Verteidigung Kubas wollte die Sowjetunion Atomsprengköpfe auf Kuba stationieren, was fast im 3. Weltkrieg endete, da die USA zwar eigene Mittelstreckenraketen in Europa stationierte, dieses Recht jedoch dem Kontrahenten Sowjetunion, durch Androhung eines Atomkrieges, verwehrte. Nach dem Schweinebuchtdebakel der USA folgten viele US-Mordversuche gegen Fidel Castro, ständig garniert mit Schauermärchen, der amerikanischen und bundesdeutschen Presse über die bärtigen Revolutionäre. Die Ermordung Che Guevaras durch die CIA in Bolivien, nach monatelanger Einkreisung durch die bolivianische Armee, trug maßgeblich zum Mythos Che Guevaras bei. Eine Mythologisierung die dem freien Westen „zuwider“ war und gegen die seit den 60er Jahren angekämpft und angeschrieben wird. Dass Exilkubaner, konservative Medien, die Springerpresse und die US-amerikanische Regierung seitdem versuchen hasserfüllte Medienkampagnen gegen Castro und Kuba zu führen ist verständlich und nachvollziehbar. Seit wenigen Jahren versuchen nun auch einige Lohnschreiber von der TAZ, Zeit oder Gerd Koenen auf das antikubanische Boot aufzuspringen.
Hermann L. Gremliza schrieb 10/2007 in Konkret: „Bei den Deutschen (..), gilt Mao, seit seine Jünger zu seinen Scharfrichtern konvertiert sind, als einer der großen Verbrecher der Weltgeschichte, Hitler mindestens gleich, und mit ihm jeder, der an dem 1917 begonnenen und 1989 verlorenen Gefecht, dem vorerst letzten, irgend teilhatte: Lenin, Stalin, Thälmann, Ulbricht, Honecker, Castro, Ho Chi Minh, Meinhof. Sie alle waren nichts als gemeine Mörder und Menschenschinder, Revolution, Kommunismus bloß Vorwände fürs Ausleben ihrer defekten Charaktere. Der Aufwand, solche Nachricht in die Köpfe zu trichtern, ist beträchtlich. Heerscharen von Journalisten und Professoren waren auszuhalten, eine komplette Lumpenbourgeoisie, Hunderte Institute und Vereine zu gründen und zu alimentieren. Bei einem nur misslang die Aufnahme ins politische Verbrecheralbum: Ernesto Guevara, Che. Der Ernst der Lage, beschrieben von einem, der bei der »Taz« gelernt hat, was er bei Springers »Welt« braucht: Warum Che? Jetzt, wo jeder weiß, dass der Kommunismus ein Nebelreich der Armut und Unterdrückung war (und in Kuba noch immer ist). Jeder weiß, dass der lateinamerikanische Guerillakampf ein grausames Spiel ideologischer Phantasten war (und in Kolumbien noch immer ist). Und dennoch: Che, der Kommunist und Guerillakrieger, gilt als kuchengut wie der Dalai Lama. Während seine Geistesverwandten längst von ihren Betonsockeln gestoßen wurden, prangt Che weiter auf T-Shirts und Postern, eröffnen Bars und Cafés mit seinem Namen. (..)“
Wer Che Guevara einen „Massenmörder“ schimpft, sollte sein Geschichtsverständnis sowie seine eindimensionale Denkweise nochmals überprüfen. Während des zweiten Weltkrieges kamen durch die Sowjet- und US-Armee viele unbeteiligte Menschen ums Leben. Durch das deutsche „Unternehmen Barbarossa“ wurden 27 Millionen Sowjetbürger zwischen 1941 und 1945 ermordet. Rotarmisten töteten auch aus Rache viele deutsche Zivilisten. US amerikanische Flieger bombardierten beispielsweise versehentlich Prag, allierte Streitkräfte füsilierten auch eigene Soldaten, sie bombardierten Dresden, Köln, Hamburg und viele andere deutsche Städte. War deshalb der Krieg der Alliierten unmoralisch? Hätten die Alliierten mit Lichterketten gegen die deutsche Barbarei protestieren sollen? Wie hätte Kuba seinen Diktator Batista entmachten können? Mit Sitzblockaden oder gemeinschaftlichen Gebeten und Bibelkreisen? Warum nun der Versuch des „irgendwie“ linken Citoyens, Che Guevaras Lebensleistung zu diskreditieren, den Jean Paul Sartre den perfektesten Menschen seiner Zeit nannte? Der Arzt aus Rosario, der als Guerilla-Kommandant, Minister und Schriftsteller und abermals Guerilla-Kämpfer sicherlich Fehler machte, zu viel von sich und seinen Mitmenschen erwartete und neben weitsichtigen Dingen, einiges schrieb, was nicht haltbar war und ist, deshalb Stalinisten und Massenmörder zu bezeichnen, hat nichts mit der Realität zu tun. Was läuft ab, im Kopf des linksliberalen „Che“-Kritikers, wenn er mit den Hinrichtungen Alfred Jodls oder Fritz Sauckels, mit der alliierten Bombardierung Dresdens inklusive der entsprechenden NPD-Empörung der „Kameraden“, konfrontiert wird? Wenn Linke, Grüne, Sozialdemokraten, meist religiöse Friedensbewegte irgendwann begreifen, dass sie mit ihrem Engagement an unüberwindliche Grenzen stoßen, sie realisieren, dass sie mit ihrer Gesinnung politisch nicht viel, bis überhaupt nichts, erreicht haben, ist es nahe liegend eine gewisse Missgunst, beziehungsweise einen gewissen Hass auf Personen zu entwickeln, die sehr viel für ihre Mitmenschen erreicht haben. Ernesto Che Guevara, der alles riskierend, eben nicht am Schreibtisch, wirkungslose Artikel schreibend, das Elend der Welt beklagte, ist mit seiner Vita ein schmerzhafter Stachel in der wohlfeilen Ideologie, des im „warmen Wohnzimmer sitzenden“, linksliberalen Citoyens.
http://fidelchescosmos.wordpress.com/2010/12/23/che-guevara-und-die-%E2%80%9Enurnberger-prozesse%E2%80%9C/