grad beim stöbern nen artikel gefunden, der den nagel auf den kopf trifft :
Nichts als wilde Spekulationen
Deutsche Medien und der Absturz von Flug MH 017
Weder ist bisher erwiesen, dass Flug MH 017 überhaupt abgeschossen wurde, noch mit welchem Raketentyp, ganz zu schweigen davon, welche Seite die Verantwortung für die Katastrophe trägt. Zumindest wurden die seit Tagen von Washington und Kiew beschworenen »eindeutigen Hinweise« bislang nicht vorgelegt. Dennoch werden auf der vorschnellen Festlegung, »pro-russische Separatisten« hätten das Flugzeug mit einer russischen Rakete abgeschossen, bereits wildeste Schlussfolgerungen, Warnungen und Kriegsdrohungen aufgebaut. Die wurden nun in allen großen deutschen Medien so lange wiederholt, bis jeder, der die Beweise tatsächlich einfordert, als Sonderling gilt.
Wer nun verwundert denkt, die Sache sei doch längst klar, bei dem hat diese Taktik verfangen, der bewegt sich bereits in der medialen Spekulationsblase. Doch die »eindeutigen Hinweise« - es sind bislang Behauptungen einer der beiden Kriegsparteien, mehr nicht. Was wiederum nicht ausschließt, dass sie stimmen könnten. Aber wie zweifelhaft nie konkretisierte »Erkenntnisse« von US-Geheimdiensten sind, sollte nach den Lügen-Exzessen vor den Kosovo-, Irak-, Afghanistan-, Syrien- und Libyen-Kriegen klar sein. Auch das heißt nicht, dass diese Geheimdienste im aktuellen Fall nicht die Wahrheit sagen. Angesichts der Erfahrungen wäre aber höchste Vorsicht angebracht. Und diese Vorsicht, die russischen Verlautbarungen völlig zu Recht entgegengebracht wird, vermisst man gegenüber Washington und Kiew momentan schmerzlich - in allen großen deutschen Medien.
Der Moskauer Spiegel-Online-Korrespondent Benjamin Bidder steht hier nur an der Spitze einer alle journalistischen Regeln missachtenden, deutschen Medienlandschaft (die öffentlich-rechtlichen Sender eingeschlossen), wenn er am Sonntag schreibt: »Nach dem Abschuss von Flug MH 017 gelten die Separatisten als Massenmörder« - und damit gleich mehrere unbewiesene Behauptungen einer der Kriegsparteien zu Fakten erklärt. Andere Beiträge gehen so weit, Russland oder Wladimir Putin persönlich für den Absturz der Maschine verantwortlich zu machen.
Gleichzeitig findet Kiews Torpedierung der zahlreichen europäisch-russischen Bemühungen um einen Waffenstillstand keine Erwähnung, obwohl das einfach nachprüfbare Vorgänge wären. Ebenfalls nicht thematisiert wird, dass es während eines Bürgerkriegs eben nicht so einfach ist, das »eigene« Gebiet für »Untersuchungen« zu öffnen, und möglicher Spionage das Feld zu ebnen. Die völlige mediale Entkoppelung der Vorgänge in der Ostukraine vom Putsch in Kiew ist schon länger ein Grundproblem für eine glaubwürdige, rationale Betrachtung des Gesamtkonflikts.
Während in westlichen Medien noch auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs auch nach schlimmsten anti-sowjetischen Tiraden immerhin der Position der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS ein kleiner Raum eingeräumt wurde, verzichtet man heute ganz einfach auf den Standpunkt der »Gegenseite«: Stündlich werden Verlautbarungen aus Kiew und Washington verbreitet, es wird dem aber keine offizielle Reaktion aus Russland gegenüber gestellt. Und wenn, dann wird nicht Außenminister Sergej Lawrow zitiert, sondern möglichst extreme Äußerungen von hierzulande unbekannten und darum schwer einzuordnenden russischen Medien. Das ist, als würden statt Außenminister John Kerry die entfesselten Kommentatoren des rechten US-Senders »Fox-News« als offizielle US-Position dargestellt.
Es wäre völlig unverantwortlich, die Separatisten aus dem Kreis der möglichen Täter zu streichen. Genauso ist es aber im besten Falle naiv, der anderen Kriegspartei, Kiew und Washington, schon jetzt einen Freibrief auszustellen. Denn dann macht man genau das, was man der russischen Propaganda zu Recht anlastet.
nachtrag: hoppla link vergessen
http://www.neues-deutschland.de/artikel/939796.nichts-als-wilde-spekulationen.html