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Die moralische Pflicht der Wissenschaft
13.02.2019 um 12:14Die moralische Pflicht der Wissenschaft oder wenn ist, was nicht sein darf
Aus einem anderen Thread ist eine interessante private Diskussion erwachsen, die ich für eine gute Grundlage für eine Diskussion erachte. Es geht hierbei um die moralische Frage der Wissenschaft. Die grundlegende Frage lautet, was darf Wissenschaft und was darf sie nicht?
Diese Frage meine ich nicht im Kontext ethisch verwerflicher Experimente, sondern viel mehr im Lichte des reinen Erkentnisgewinns und der Verantwortung der Wissenschaft, was mit diesen Erkenntnissen passiert.
Als Beispiel möchte ich das bekannte Libet-Experiment anführen und die Fragestellung verdeutlichen. Da das Experiment bis heute für Diskussionen sorgt, bitte ich es im Geiste der 70er Jahre zu betrachten:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/neue-erkenntnisse-zur-willensfreiheit-wie-das-gehirn.976.de.html?dram:article_id=371055
Wikipedia: Libet-Experiment
Dies stellt die Rechtssprechung in diesem Fall natürlich vor einen riesigen Scherbenhaufen. So ist diese bis dato auf den freien Willen ausgelegt und darauf, dass ein Täter für seine Tat zur Rechenschaft gezogen wird.
Wir kommen also an den Punkt, wo man die Frage stellen muss, ob Libet nun die Verantwortung für den Niedergang der Rechtssprechung tragen würde, wenn es so gekommen wäre. Welche moralischen und ethischen Überlegungen muss die Wissenschaft anstellen, wenn es darum geht neue Erkenntnisse zu gewinnen? Wer trägt die Verantwortung für die beschriebenen Beobachtungen?
Vince Ebert, promovierter Diplomphysiker äußerte sich in seiner Kolumne dazu:
https://www.spektrum.de/kolumne/was-waere-wenn-wissenschaft-moralisch-waere/1551994
Dem entgegen steht die folgende Position, vertreten durch Helmut Schmidt, ehemaliger Bundeskanzler, verfasst in der Zeit:
https://www.zeit.de/1982/25/gesellschaftliche-moral-des-wissenschaftlers
Ich will nun natürlich kein ellenlanges Essay zur Thematik verfassen, sondern viel mehr etwas Input für eine Diskussion liefern. Was glaubt ihr? Was ist wichtiger? Der Erkenntnisgewinn oder der Schutz der Gesellschaft? Muss Wissenschaft sich mit diesen moralischen Fragen auseinandersetzen oder liegt die Frage, was aus dem Wissen gemacht wird nicht beim Wissenschaftler? Wie sollten wir mit Ergebnissen verfahren, die unser Gemeinwohl gefährden? Es geht mir nicht primär um Libet oder Einstein, sondern eher um die fundamentale Frage nach der Moral der Wissenschaft.
Ich hoffe auf eine spannende Diskussion.
Aus einem anderen Thread ist eine interessante private Diskussion erwachsen, die ich für eine gute Grundlage für eine Diskussion erachte. Es geht hierbei um die moralische Frage der Wissenschaft. Die grundlegende Frage lautet, was darf Wissenschaft und was darf sie nicht?
Diese Frage meine ich nicht im Kontext ethisch verwerflicher Experimente, sondern viel mehr im Lichte des reinen Erkentnisgewinns und der Verantwortung der Wissenschaft, was mit diesen Erkenntnissen passiert.
Als Beispiel möchte ich das bekannte Libet-Experiment anführen und die Fragestellung verdeutlichen. Da das Experiment bis heute für Diskussionen sorgt, bitte ich es im Geiste der 70er Jahre zu betrachten:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/neue-erkenntnisse-zur-willensfreiheit-wie-das-gehirn.976.de.html?dram:article_id=371055
Wikipedia: Libet-Experiment
„Und zwar haben sie auf eine Uhr geschaut und sollten sich den Zeigerstand der Uhr merken – das war ein Punkt, der sich ziemlich schnell gedreht hat: Wann habe ich den Ruck verspürt, den Finger zu bewegen?Wenn wir diese Erkenntnis nun annehmen und aufgrund der Ermangelung eines Gegenarguments annehmen, dass dies wahr wäre, sind die Auswirkungen mit einer besonders großen Sprengkraft versehen. Gesellschaftlich stehen wir dann vor der Frage, ob ein Verbrecher wirklich für sein Verbrechen verantwortlich ist oder, ob dies auf unterbewusste Vorgänge zurückzuführen ist und der Täter dementsprechend seine Tat nicht aus einem freien Willen heraus begangen hat. Es stellt sich die Frage, ob man dafür nun bestraft werden kann, wenn man die Tat überhaupt nicht bewusst ausführen wollte.
Dann hat er gemessen, wann sie tatsächlich den Finger bewegt haben und hat rausgefunden: Der Ruck, den Finger zu bewegen, dieses Gefühl, jetzt will ich den Finger bewegen, hat 300 Millisekunden stattgefunden, bevor sich der Finger tatsächlich bewegt hat.
Gleichzeitig hat er noch Hirnströme gemessen, das Bereitschaftspotential, und hat herausgefunden, eine halbe Sekunde vorher – also noch einmal 200 Millisekunden vor dem Ruck – hat sich schon eine typische Veränderung dieser Hirnaktivität ergeben. Das ist dann viel diskutiert worden, weil es so wirkt, als würde das Hirn entscheiden, wann sich der Finger bewegt, und 200 Millisekunden später haben wir dann als Personen den Eindruck, wir würden den Finger bewegen wollen, aber in Wirklichkeit ist alles schon entschieden.“
Dies stellt die Rechtssprechung in diesem Fall natürlich vor einen riesigen Scherbenhaufen. So ist diese bis dato auf den freien Willen ausgelegt und darauf, dass ein Täter für seine Tat zur Rechenschaft gezogen wird.
Wir kommen also an den Punkt, wo man die Frage stellen muss, ob Libet nun die Verantwortung für den Niedergang der Rechtssprechung tragen würde, wenn es so gekommen wäre. Welche moralischen und ethischen Überlegungen muss die Wissenschaft anstellen, wenn es darum geht neue Erkenntnisse zu gewinnen? Wer trägt die Verantwortung für die beschriebenen Beobachtungen?
Vince Ebert, promovierter Diplomphysiker äußerte sich in seiner Kolumne dazu:
https://www.spektrum.de/kolumne/was-waere-wenn-wissenschaft-moralisch-waere/1551994
Die Methode der Wissenschaft ist deswegen so erfolgreich, weil sie gerade nicht an moralische Autoritäten gebunden ist und weil sie unideologisch an Fragen herangeht, deren Antworten uns vielleicht verstören oder sogar ärgern könnten. Wer dagegen eine wie auch immer geartete Moral vor den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess stellt, verhindert in letzter Konsequenz Erkenntnis. Denn er belegt die Erforschung von unliebsamen Hypothesen mit einem Tabu. Darüber hinaus sollte sich Wissenschaft auch nicht um Konsensmeinungen scheren. Wären 99 Prozent aller Mediziner der Meinung, dass der Wirkmechanismus der Homöopathie funktioniert, dann änderte diese überwiegende Mehrheit nichts daran, dass die Aussage trotzdem falsch ist. Über die Gesetze der Naturwissenschaft kann man nicht demokratisch abstimmen.Wir gelangen also an einen Punkt, an dem die Wissenschaft nicht mehr rein rational betrachtet werden kann, sondern auch aus einem philosophischen Blickwinkel. Auf der einen Seite steht der unbedingte Drang nach neuen Erkenntnissen und auf der anderen Seite die Wirkung solcher Erkenntnisse.
Dem entgegen steht die folgende Position, vertreten durch Helmut Schmidt, ehemaliger Bundeskanzler, verfasst in der Zeit:
https://www.zeit.de/1982/25/gesellschaftliche-moral-des-wissenschaftlers
Sicher, ohne einen Politiker wie Roosevelt und seine politischen Berater – übrigens auch ohne Einsteins Ratschlag – wäre es vielleicht nicht zur Anwendung der Atombombe gekommen. Aber ohne Otto Hahn und Lise Meitner und ohne andere Wissenschaftler hätte auch der Politiker nicht die Möglichkeit gehabt, eine derartige Waffe in seine Pläne und in sein tatsächliches Handeln hineinzunehmen.Ich denke ich treffe auf Zustimmung, wenn ich sage, dass die Welt ohne Atombombe eine bessere wäre. Was würden wir Einstein und dem Rest der Forschungsgruppe also sagen, wenn wir vor Ort gewesen wären? "Behaltet dieses Wissen bitte bitte für euch. Es wird unserer Gesellschaft nicht gut tun".
Keiner von beiden, weder der Politiker noch der Wissenschaftler, kann die Verantwortung auf den anderen abschieben. In der Verantwortung hängen sie vielmehr unauflöslich ineinander. Beiden scheint es auf manchem Gebiet so zu gehen wie dem Zauberlehrling, dem die Kontrolle über den wundertätigen Besen entglitten ist. Nun wird der Besen zum Unheil, und niemand hatte es gewollt.
Ich will nun natürlich kein ellenlanges Essay zur Thematik verfassen, sondern viel mehr etwas Input für eine Diskussion liefern. Was glaubt ihr? Was ist wichtiger? Der Erkenntnisgewinn oder der Schutz der Gesellschaft? Muss Wissenschaft sich mit diesen moralischen Fragen auseinandersetzen oder liegt die Frage, was aus dem Wissen gemacht wird nicht beim Wissenschaftler? Wie sollten wir mit Ergebnissen verfahren, die unser Gemeinwohl gefährden? Es geht mir nicht primär um Libet oder Einstein, sondern eher um die fundamentale Frage nach der Moral der Wissenschaft.
Ich hoffe auf eine spannende Diskussion.