@mitras mitras schrieb:Die Einschätzung eines Bauern, der die Wolken analysiert und den Tiefstand der Mücken und dann schlechtes Wetter für den nächsten Tag prophezeit, dabei oft Recht behält, - würdest du das als Wissen bezeichnen? Er kann in diesem Moment nur eine starke Vermutung anstellen, denn vielleicht ändern sich die Zeichen noch wie bei einer Wettervorhersage. Glaubt er oder weiß er?
Ich würde eher sagen, er glaubt. Prinzipiell würde ich aber sagen, das ist nochmal verschieden von dem Wissen und Glauben, was wir zuvor diskutiert haben. Hier handelt es sich nämlich um einen Sachverhalt, der in der Zukunft möglicherweise eintreffen wird, nicht aber um eine Tatsache, die entweder wahr oder falsch ist, vielmehr wird die Aussage erst bei ihrem Eintreffen wahr oder falsch. Das ist genauso wie bei Schrödingers Katze, solange der Tag nicht eingetroffen ist, trifft beides zu, es regnet sowohl und regnet auch nicht in der Zukunft.
mitras schrieb:Wenn du im TV siehst, dass die CDU sagen wir 40% bekommen haben, weißt du, dass diese Zahl wirklich stimmt?
Auch hier würde ich sagen, nein weiß ich nicht. Erst wenn ich mehrere Quellen gecheckt habe, und die CDU tatsächlich 40% hat, kann ich von Wissen reden, und zwar indem Zusammenhang, wie Wissen überhaupt möglich ist.
Die Interessanter Frage ist ja die, ob es besser ist, verschiedene Quellen zu checken und dann der Meinung zu sein, dass man weiß, dass die CDU 40% hat oder ob es genauso zuverlässig ist, einfach etwas zu raten. Und dann lautet die Antwort ja, dass ersteres besser ist, weil es viel wahrscheinlicher den Sachverhalt der Wirklichkeit abbildet. Wenn man also an dem Begriff des Wissens festhalten möchte, macht dies nur Sinn in Verbindung mit Wahrheit und Begründung. Den Begriff des Wissens ganz abzulehnen, weil man nie etwas sicher wissen kann, ist in sich Konsistent, führt aber letzten Endes nur zum Ersetzen des Begriffes Wissen durch irgendeinen anderen, der letzten Endes das selbe meint. Der Ursprüngliche Punkt, um den es ging, dass Wissen keinerlei Information über die tatsächlichen Sachverhalt benötigt ist hier ja so oder so vom Tisch.
mitras schrieb:Beweisbar ist das, was sich reproduzieren lässt, oft im Labor. Es kann 999 mal das gleichen herauskomen, einmal etwas anderes. Der Fehler wird weggerechnet. Dabei wird die Realität reduziert auf das Messbare.
Das ist richtig, eben das ist ja das Induktionsproblem. Wenn 999 Messungen so sind, kann es trotzdem eine geben, die nicht so ist. Damit wird alles Wissen, welches empirisch gemessen wurde, fehlbar und kann nicht mehr als hundertprozentiges Wissen bezeichnet werden.
mitras schrieb:Dabei wird die Realität reduziert auf das Messbare. Die sog. "Wahrheit" ist zunächst nru eine Konstruktion im Gehirn, das eine Übereinstimmung mit der Realität sucht. Viele glauben, die Realität liefe kausal ab. Wolken ballen sich zusammen, Winde fallen, es regnet. Diese Zusammenhänge ergeben ein vielseitiges und stimmiges Bild der Realität und so sind wir durch die Methoden der Analyse und Synthese in der Lage, Zusammenhänge zu erkennen, auch durch Intuition.
Dafür versuche ich ja die ganze Zeit zu argumentieren, das Gehirn erstellt eine Konstruktion von Informationen, die dann Wissen genannt werden kann, wenn sie mit der Realität übereinstimmt. Allerdings wird die Realität nicht auf das Messbare reduziert. Die Realität ist das was sie ist, egal ob es nur einen oder auch garkeinen Menschen auf der Welt gibt, der die Realität kennt, alles andere ist höchstens intersubjektives Realitätskonstrukt.
Natürlich funktioniert die Wissenschaft und vorhersagen über z.B. Wetter recht gut, was aber nicht stimmt, ist dass eine verlässliche Weise, diese Realität zu erkennen, die Intuition ist. Intuition täuscht sehr stark und ist ziemlich sicher der größte Faktor, für falsche Vorhersagen. Intuition ist gut und überlebenswichtig, um in Stressituationen schnell handeln zu können. Für Situationen, in denen genug Zeit herrscht und vor allem bei denen es darum geht, Wahrheitswerte zu bestimmen, ist Intuition meistens Fehlerfördernd.
mitras schrieb:Eine Überzeugung - als Denkmuster - kann sich mit einer Wahrheit decken, es regnet, sie muss aber nicht. Angenommen, ich gehe vor die Tür und erfahre die Wahrheit über den Regen, sinnlich evident, dann benötige ich keine weitere Überzeugung, dass es regnet. Die Überzeugung entsteht erst in Folge der Evidenz der Erfahrung der Realität, indem der Verstand die Erfahrung einordnet und kategorisiert.
Ja, ich sehe das auch so, hattest du aber vorher anders gesagt:
mitras schrieb:Eine wahre Überzeugung kann es gar nicht geben
. Ich schätze auch, dass das größte Problem in unserer Diskussion ist, dass wir die Schlüsselbegriffe unterschiedlich definieren. Ist übrigens ein häufiges Problem in der Philosophie.
mitras schrieb:Wobei es mit "der Wahrheit" so eine Sache ist, weil, wer sie für sich einfordert, oft andere dominieren und mundtot machen möchte.
Das mag sein, dennoch wird der Wahrheitsbegriff unerlässlich, wenn es darum geht, gefährlichen Fehlglauben zu widerlegen. Abgesehen davon, ist es nunmal so, dass Dinge wahr oder falsch sein können, und wir Menschen haben dank unserem Gehirn die möglichkeit, diese (z.T. eingeschränkt) zu erknennen.
mitras schrieb:Nochmal zum Wissen: Unser normales Wissen enthält zahllose Lücken, diese füllen wir mit Vermutungen und eben Grundüberzeugungen (Vorurteilen) auf. Aus diesem Grund entstehen Irrtümer. Erst durch den Irrtum werden wir fähig, Entscheidungen zu treffen. Wenn wir die Lücken in der Praxis nicht auffüllten, würden wir keine Entscheidungen treffen können. Ein gutes Beispiel dafür ist das Wahlverhalten der Bevölkerung; denn sie wissen nicht, was sie tun und wenn sie nichts tun, was die Folge wäre.
Unser normales Wissen enthält oft auch Zahllose falsche Informationen. Um ein Beispiel zu nennen, hält sich das Gerücht, dass unser Gehirn nur 10% seines Volumens/ oder seiner Fähigkeiten tatsächlich nutze, erstaunlicherweise sehr hartnäckig, gerne auch in der Kombination, dass LSD helfe, weitere 70% oder so zu aktivieren. Viele Sachverhalte, die man immer als Wissen annimmt, sind bei näherer Betrachtung gar nicht richtig.
Dazu gehört oft auch politisches Wissen. Da kommt allerdings hinzu, dass vieles Politische ja einfach auch noch Meinungsabhängig ist.