Die Legende des King of Pop Michael Jackson
04.01.2012 um 02:33
von Manuela Gotthartsleitner-Wagner / msn.de, letzte Änderung: 03.01.2012
Michael sagte: "Wenn ich aufhöre, gibt es Ärger"
Dieter Wiesner war über zehn Jahre lang Michael Jacksons engster Vertrauter. Als sein Manager, aber auch als sein Freund, war er in alle Pläne eingeweiht. In seinem Buch "Michael Jackson – Die wahre Geschichte" rechnet er mit all jenen ab, die aus Profitgier die Verbindung zu Michael Jackson gesucht haben. MSN-Redakteurin Manuela Gotthartsleitner-Wagner hatte die Gelegenheit, mit Wiesner über seine Zeit mit Michael Jackson zu sprechen.
MSN: Ihr Buch liest sich wie ein Kriminalroman, gespickt mit jeder Menge Verschwörungstheorien. Wie sehen Sie das?
Dieter Wiesner: Michael Jackson starb zu einem Zeitpunkt, als ihm die Kontrolle über sein eigenes Leben längst entglitten war. Von mehreren Seiten hatte man ihn in eine Ecke gedrängt, aus der er nicht mehr herauskam.
MSN: Sie sprechen in Ihrem Buch von mehreren Personen, die Michael Jackson selbst als seine Feinde bezeichnet hat. Und Sie sagen, dass er Ihnen gegenüber mehrmals erwähnt hatte, Angst um sich und seine Kinder zu haben.
Dieter Wiesner: Michael rief mich vermehrt nachts an und teilte mir mit, dass er Angst habe. Zu diesem Zeitpunkt hatte er eine Gegnerliste entworfen. Dazu gehörte die Reporterin Diane Diamond, aber auch Sony-Chef Tommy Mottola. Er hatte stets das Gefühl, dass es eine Reihe von Leuten gab, die gegen ihn arbeiteten.
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MSN: Warum sollten sich Leute, die sich Profit von ihm versprachen, gegen ihn verschworen haben?
Dieter Wiesner: Nach der letzten Tour HIStory war es vorbei mit Welttourneen. Michael hatte alles geliefert, was von ihm verlangt worden war. Er hatte keine Lust mehr auf so große Projekte. Für den zweiten Teil seines Lebens hatte er einen anderen Plan. Wir haben uns öfter in der Bibliothek versteckt und über seine Zukunft gesprochen. Er meinte mehrmals zu mir, dass es Ärger geben werde, wenn er seinen Ausstieg verkündet. ‚Wenn ich nicht mehr mitmache, wird es Ärger geben', sagte er immer wieder. Der Druck war enorm. Michael hatte immer öfter Angst.
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MSN: Wollte sich Michael aus der Öffentlichkeit zurückziehen?
Dieter Wiesner: Er wollte zwar in der Öffentlichkeit bleiben, aber keine Welttournee mehr machen. Sein Plan war, ein MJ Universum zu gründen. Darin sollten Filme eine große Rolle spielen. Er wollte seinen Traum leben. Dazu gehörte zum Beispiel die Idee von wenigen Konzerten, die aber bombastisch sein sollten. Eine Idee war zum Beispiel ein Mega-Konzert vor den Pyramiden in Ägypten.
MSN: Alle diese Pläne wurden jedoch durchkreuzt. Wie kam das?
Dieter Wiesner: Der Untergang begann mit der Dokumentation von Martin Bashir "Living with Michael Jackson". Bashir hat Michael in dem Film völlig auflaufen lassen. Michael wurde richtig reingelegt! Ich habe während den Dreharbeiten schon gespürt, dass hier etwas passiert, das wir nicht unter Kontrolle haben. Bashir verhielt sich schon während der Dreharbeiten oftmals unhöflich. Ich habe ihn einmal dabei erwischt, wie er im Hotel Michaels Sachen durchwühlt hat. Das war alles andere als respektvoll.
MSN: Hat niemand Michael gewarnt?
Dieter Wiesner: Wir haben Michael gewarnt, aber er wollte nicht sehen, dass Bashir keine guten Absichten hatte. Michael aber war viel zu höflich, um das auszusprechen. Er hätte viele Interviews, in denen Bashir zweideutige Fragen stellt, sofort abbrechen müssen. Aber er hat ihm vertraut. Ein Riesenfehler, wie sich herausstellte, aber Michael wollte das Böse nicht sehen.
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MSN: Die Dokumentation stellt Michael als pädophil dar und unterstellt, er sei für seine drei Kinder ein schrecklicher Vater. Bashir hatte Material zurückgehalten, das das Gegenteil bewiesen hätte. Das gab später auch der Cutter Hamid Moleshi im Prozess gegen Michael Jackson zu Protokoll. Was war Ihre Reaktion auf den Film?
Dieter Wiesner: Wir waren geschockt! Sofort planten wir eine Gegendarstellung. Das schien das einzige, was wir tun konnten. Die Dokumentation "The Michael Jackson Interview: The Footage You Were Never Meant to See" wurde kurze Zeit später ausgestrahlt. Damit war für uns die Sache zunächst erledigt.
MSN: Doch dann ...
Dieter Wiesner: ... folgte der nächste Schock. Aus den Nachrichten mussten wir erfahren, dass man in unserer Abwesenheit die Neverland Ranch durchsucht hatte. Als die Anklage wegen Kindesmissbrauch folgte, ging es von diesem Moment an Schlag auf Schlag. Alle Verträge für Michaels Zukunft, an denen wir monatelang gearbeitet hatten, wurden quasi über Nacht ungültig. Keiner wollte mehr mit uns zusammen arbeiten.
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MSN: Der folgende Prozess wegen Kindesmissbrauchs hat Michael Jackson offenbar ziemlich zugesetzt. Konnte der Freispruch daran was ändern?
Dieter Wiesner: Der Prozess war eine furchtbare Zeit. In der Zeit danach war Michael entwurzelt. Auf die Neverland Ranch konnte er nicht mehr. Also reiste er fast zwei Jahre mit seinen Kindern umher. Er brauchte Luft und musste weg von den Leuten, die ihn fertig machen wollten. Doch in dieser Zeit zeigte sich auch, wie stark die Beziehung zu seinen Fans war. Diese war schon immer sehr außergewöhnlich. Aber auch in dieser ganz üblen Zeit zeigten sie, dass sie immer zu ihm halten. Das gab Michael Rückhalt.
MSN: Michael Jackson galt immer als der unnahbare Star, der kaum Interviews gab und dessen Autogramme so heiß begehrt waren wie kaum von einem anderen Star. Haben es Fans geschafft, ihn persönlich kennen zu lernen?
Dieter Wiesner: Es gab eine ganze Reihe von Fans, die ihm monatelang von Konzert zu Konzert gefolgt waren, vor den Hotels ausharrten und selbst vor den Hotels übernachteten. Eigentlich unvorstellbar.
MSN: Wo immer Michael war, sie waren auch vor Ort.
Dieter Wiesner: Er hat die Fanmassen geliebt, auch die vor den Hotels. Wir haben manchmal Fans, die vor der Neverland Ranch gewartet hatten, reingelassen. Sie durften sich umsehen und eine Weile bleiben. Auf der Ranch gab es sogar einen extra Raum für die Sachen, die sie ihm geschickt haben. Er verbrachte oft Zeit in diesem Raum, um sich die Sachen anzusehen. Die Treue seiner Fans hat Michael viel geholfen.
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MSN: Die Fans freuten sich, als bekannt wurde, dass er wieder auf Tournee gehen würde. Wie kam es dazu, dass Michael Jackson zu 50 Konzerten für die "This is it"-Tour zugestimmt hatte?
Dieter Wiesner: Michael kam nach dem Freispruch in eine finanzielle Klemme. Es gab Auseinandersetzungen mit Sony, weil Sony den gesamten Beatles-Katalog von Michael haben wollte. Sie hatten ihn in der Hand, denn ihnen gehörte bereits die eine Hälfte davon. Michael hatte die erste Hälfte bereits vor Jahren als Sicherheit für eine Vertragsvorauszahlung an sie abgetreten.
MSN: Der Katalog ist 1,4 Milliarden Dollar wert...
Dieter Wiesner: Den Beatles-Katalog wollten sie ihm immer vollständig wegnehmen, das wusste er. Sie haben auch alles versucht, ihn zu bekommen. Michael wusste, dass sie alles machen würden, um an ihn zu kommen. Doch er hatte sich stets geweigert, den ganzen Katalog zu verkaufen. Von den Einnahmen, die seine Arbeit brachte, zweigte Sony immer mehr zur Schuldentilgung ab. Man hatte ihn finanziell in der Hand. Als man dann noch einen Kredit gekündigt hatte, war er finanziell sehr angeschlagen.
MSN: Da kam Dr. Thomé ins Spiel...
Dieter Wiesner: Er kam auf ihn zu und versprach scheinheilig, Michael zu helfen. Er brachte ihn dazu, für zehn Konzerte zu unterschreiben. Für Michael war schon das eine Katastrophe! Er hatte zu jener Zeit längst andere Pläne für sein Leben. Der Vertrag hielt sogar die Anzahl der Konzerte offen. So kam es, dass es plötzlich 50 Konzerte waren, die Michael geben hätte sollen. Michael war geschockt! Das wollte er nie und nimmer machen. Von da an stand er psychisch wahnsinnig unter Druck. Körperlich war er fit, aber auf so viele Konzerte war er mental nicht eingestellt.
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MSN: Zu dieser Zeit kam auch Dr. Conrad Murray, Michaels Arzt, der am 7. November 2011 der fahrlässigen Tötung schuldig gesprochen wurde, ins Spiel. Kannten sie ihn vorher schon?
Dieter Wiesner: Ich kannte ihn zuvor nicht. Dr. Conrad Murray war von AEG bestellt.
MSN: Von dem Konzert-Veranstalter?
Dieter Wiesner: Ja. Mit Murray hatte AEG auch medizinisch die Kontrolle über Michael erhalten.
MSN: Bis AEG erkennen musste, dass es keine 50 Konzerte geben wird...
Dieter Wiesner: Kurz vor Tour-Start stand fest, dass die Konzerte verschoben werden müssen. Die Show war vor dem ersten Termin noch gar nicht fertig! Dann haben die von AEG erkannt, dass sie keine Chance mehr haben. Sie hatten die Kontrolle über Michael verloren, als dieser sagte: Ich mach's nicht. Er hat einfach nicht mehr mitgemacht.
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MSN: Sein Todesurteil?
Dieter Wiesner: Möglicherweise. Michael hätte so viele Konzerte niemals geben können. Nach fünf oder sechs Konzerten hätte er die Tournee abgebrochen.
MSN: Murray ist zu vier Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Ist das Urteil für Sie angemessen?
Dieter Wiesner: Dass er verurteilt wurde, ist richtig, auch wenn das Michael nicht zurückbringt. Es ist einfach unglaublich, was in jener Nacht, als Michael starb, passiert ist. Das Urteil war wichtig, um der Welt zu zeigen, dass Michael sich nicht selbst umgebracht hat. Das hätte er nie gemacht, schon alleine wegen seiner Kinder nicht. Ich glaube aber nicht, dass Murray die vier Jahre tatsächlich absitzen wird.
Lesen Sie weiter: "Für mich war das ein tiefer Schock"
MSN: Wie haben Sie von seinem Tod erfahren?
Dieter Wiesner: Ich erhielt einen Anruf. Für mich war das ein tiefer Schock, alles absolut unwirklich. Ich habe lange gebraucht, um zu begreifen, was da passiert ist. Ich habe mich danach mit Michaels Familie getroffen und ihnen Bänder von ihrem Sohn vorgespielt, auf denen er über seine Pläne für die Zukunft spricht. Seine Eltern hatten keinen Einblick in sein Geschäftsleben. Ich ließ die Familie hinter die Kulissen blicken. Man kann nach so etwas Tragischem nicht zur Tagesordnung übergehen.
MSN: Vermissen Sie ihn?
Dieter Wiesner: Mein Verhältnis zu ihm war sehr freundschaftlich. Ich habe viele Gespräche im Ohr, wenn ich in meinem Büro sitze, und denke an die Pläne, die Michael hatte. Er hätte der Welt noch Großartiges bieten können. Manchmal warte ich immer noch, dass das Telefon klingelt und er dran ist...
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