Ahnungslose schrieb:Wie oft gehen wir hier von so was aus - die Drei sind klug genug, um die 'richtige' Entscheidung zu treffen.
Brauchen sie selbst alles wissenschaftlich überlegen? Können sie immer?
Müssen sie?
DÜRFEN sie?
Vielleicht MÜSSEN sie immer wieder nur die zwei Endargumente, von der Anklage und Verteidigung, auf den 2 Wiegeschalen haben und wiegen?
Nein, in den Heads of Argument stellen beide Seiten (Anklage und Verteidigung) nochmal die aus ihrer Sicht wichtigsten Fakten zusammen und nehmen aus ihrer Perspektive eine rechtliche Einschätzung vor. Dabei wurden an den beiden Verhandlungstagen am 7. und 8. August in der mündlichen Präsentation auch nicht alle Punkte angesprochen, die in der schriftlichen Ausarbeitung behandelt werden – diese schriftliche Ausarbeitung ist also noch etwas umfangreicher.
Das Gericht nimmt seine Bewertung aber auf der Grundlage der gesamten Beweise und Indizien vor – die Heads of Argument bilden nur einen Teil davon. Alle anderen Beweismittel, die das Gericht für zulässig und für relevant hält, fließen letztlich in die Entscheidung ein. Daher müssen zwingend noch einmal alle Aussagen durchgegangen und bewertet werden – insbesondere bei der Einschätzung der Fakten sind der Richterin ihre beiden Assessoren behilflich, die sie bei dieser Bewertung ja auch überstimmen können. Vor allem strittige Fragen (so zum Beispiel Rouxs Timeline, sofern es nicht um die Zeiten der Anrufe geht) müssen und werden sie sich sehr genau ansehen. Bei der rechtlichen Bewertung, für die auch der Grundsatz der berechtigten Zweifel (reasonable doubt) nicht gilt, kann die Richterin nicht überstimmt werden.
Grundsätzlich bieten die Schlussplädoyers damit sowohl der Verteidigung als auch der Anklage die Möglichkeit die Hauptverhandlung entsprechend ihrer eigenen Wahrnehmung – die sich durchaus von der des Gerichts unterscheiden kann – zu würdigen, wobei erstmals die Vorwürfe und die Verteidigung zusammengefasst wird. Die Heads of Argument bilden aber keinesfalls die alleinige Entscheidungsgrundlage für das Gericht.
Roux hat in seinem Schlussplädoyer sehr viel Zeit darauf verwendet, Aspekte anzusprechen und aufzublasen, die für die eigentliche rechtliche Bewertung irrelevant sind. Das betrifft insbesondere die gesamten (zum größten Teil unbelegten) Vorwürfe gegenüber der Polizei (insbesondere Botha), Vorwürfe gegenüber Nel (Zeugen nicht aufgerufen, OP ständig als Lügner bezeichnet), die Länge von Kabeln, das Basteln einer Timeline. Auf den ersten Blick kann dadurch der Eindruck entstehen, dass es Nel versäumt hat, vermeintlich wichtige Punkte anzusprechen (weil er zu oben genannten Aspekten keine oder nur knappe Ausführungen gemacht hat). Es ist kann aber nur dann ein Versäumnis sein, wenn diese Punkte für die rechtliche Bewertung bedeutsam sind. Genau das ist nicht der Fall. Ob Schüsse nach der willkürlichen Konstruktion der Verteidigung um 3.12 Uhr oder erst um 3.17 Uhr gefallen sind, ist erst mal für sich genommen für die juristische Bewertung der Schussabgabe nicht bedeutsam. Es bleibt dabei, dass OP bewusst und gezielt viermal auf einen Menschen geschossen hat.
Wenn er keine rechtlich akzeptierte Entschuldigung für die Tat aufbieten kann, ist dies in jedem Fall (also auch wenn seine Version des Tathergangs akzeptiert wird) Mord.
Dadurch, dass sich Roux mit vielen Nebenschauplätzen und Ablenkungsmanövern befasst hat, blieb für die schlüssige Begründung einer überzeugenden Verteidigungsstrategie sehr wenig Zeit. Dass es nun sogar 2 Defences gibt, schwächt die ohnehin bereits sehr angeschlagene Glaubwürdigkeit OPs weiter. Beide Defences schließen sich gegenseitig aus. Es wird somit deutlich, dass es keinesfalls um die Wahrheit, sondern nur darum geht, mit allen in Betracht kommenden Mitteln die Übernahme von Verantwortung zu verhindern. Dieser Eindruck wird zudem durch den Umstand untermauert, dass die nun favorisierte defence der unfreiwilligen Handlung weder in der bail- noch in der plea-Erklärung irgendeine Stütze findet (dort wurde immer das Vorliegen einer Putativnotwehr suggeriert). Man hat diese Strategie ganz offensichtlich erst nach OPs widersprüchlichen Aussagen im Kreuzverhör durch Nel (gezwungener Maßen) näher verfolgt. Das wird auch dadurch deutlich, dass sämtliche „Experten“ zu diesem Thema (insbesondere Vorster und Dixon) erst nach dem Kreuzverhör ihre Arbeit aufnahmen.
Nachdem ich mir die von
@KlaraFall eingestellten Einschätzungen von Chris Greenland und Ulrich Roux (gestern, 19.56) angesehen habe, hat mich ebenfalls noch einmal ein Schub an Zuversicht erfasst.
Selbst wenn das Gericht OPs Version akzeptiert, müsste er wegen Mordes verurteilt werden. Auch nach seiner Version hat er sich bewusst entschieden, sich zu bewaffnen, die Konfrontation zu suchen und viermal mit Black talon-Munition auf einen Menschen zu schießen. Und wenn ihn Nel 100mal als Lügner bezeichnet hätte, die gesamte Belegschaft der Polizei den Tatort manipuliert hätte und das Kabel 500 Kilometer lang wäre, ändert sich an diesen Fakten nichts.