Name: Natalie Drake
Alter: 36
Herkunft: Mensch
Beruf: Studierte Archäologin, hatte eine Firma mit ihrem Mann, Schatzsuche und Ermittlungen.
Besonderes: Ist des Mordes an ihrem Mann angeklagt und verurteilt. Sie ist seitdem auf der Flucht und versucht die Wahrheit heraus zufinden und ihre Unschuld zu beweisen.
Natalie Drake sah aus dem Fenster über der Tragfläche, als die alte Sunderland gemächlich brummend zur Landung ansetzte. Wo sie auch hinsah, überall nur Wüste und Kakteen. Hätte sie nicht gerade die Küste überflogen und noch das klare, türkise Wasser in Erinnerung, wäre sie wohl der Meinung gewesen, das diese Einöde endlos sein müsste. Das Flugboot, eine Short S.25 Sandringham Sunderland, die schon seit Jahrzehnten nicht mehr gebaut wurde, schwenkte sich ein und fuhr das Fahrwerk aus dem Rumpf und den Schwimmkörpern aus, während es bereits den Wüstenstaub zu einer riesigen Wolke aufwirbelte, die sich wie ein gigantischer Schweif hinter dem blechernen Rumpf langzog. Den Weg von Kuba bis hierher waren sie ohnehin relativ tief geflogen, so zusagend unter dem Radar der Mexikanischen wie auch Kubanischen Küstenwache.
Die Landepiste selbst unterschied sich kaum von der Wüste, was auch so gewollt war. Der improvisierte Feldflugplatz, den sie gerade anflogen, war nicht offiziell und konnte bei Bedarf schnell wieder verlegt werden. Dafür lag er kurz hinter San Felipe, notfalls hätten sie auch irgendwo an der Küste wassern können. Und der Weg nach Rio Lagartos war auch nicht weit weg. Die Crew der Sunderland kannte ihn jedenfalls und schien ihn öfters zu nutzen. Besonders wenn sie Waren im Frachtraum hatten, die ohne Fragen und Kontrollen zu ihrem Bestimmungsort sollten. So wie Natalie heute selbst, obwohl sie eher Beiwerk war. Allerdings ein gut zahlendes. Die Passage auf dem alten Flugboot war zwar weit teurer als jeder Linienflug der ersten Klasse, dafür gab es aber keine lästigen Zollkontrollen oder Einreiseprozeduren. Was ihr sehr Recht war.
Quietschend setzte der rostige Blechvogel auf, wirbelte noch mehr Staub umher, das die Sicht gegen Null ging und bremste bockend und holpernd ab. Kaum angekommen, drehte er am Ende des Feldweges, der die Start und Landebahn darstellen sollte, gleich wieder um 180 Grad. Stotternd erstarben die 4 großen Motoren an den Tragflächen, während die Besatzung, als auch ihr Passagier darauf warteten das der Dunst der Wüste sich legte und sie aussteigen konnten.
Als es endlich soweit war, kamen bereits die ersten herüber getrabt, gefolgt von einem Tankwagen und mehreren PickUps und Transportern. Quietschend öffnete sich die Frachtluke und eifrig begannen die Männer Kisten ein und auszuladen. Zeit war Geld.
Als an der vorderen Cockpittür endlich eine Leiter angestellt wurde, verließ Natalie rasch das Schmugglerflugzeug, froh, hier heil und unbehelligt angekommen zu sein. Sie hatte nur eine Tasche umhängen und einen Rucksack dabei. Unten wurde sie bereits erwartet, ein entfernter „Bekannter“ hatte sich bereit erklärt, sie in der Wildnis hier abzuholen. „Hola mi lindeza!“ Er umarmte sie lachend und stellte sich dabei als Paradebeispiel eines Klischeemexikaners heraus. Groß, braungebrannt, welliges, lockiges Haar, einen Riesen Schnauzbart und ein nie enden wollendes Lächeln, das weiße Zähne zur Schau stellte. Sie drückte ihn ebenso herzlich, dann knuffte sie ihn in schelmisch in die Seite. „He Juanito, lass das nur nicht deine Carmen hören, sonst wachst du morgen als toter Mann auf!“ Ihr freches Grinsen dabei entblößte ebenfalls strahlendes Weiß. Dröhnend lachte Juan zurück „Das könnte tatsächlich passieren, also sollten wir Acht geben, das sie von uns nichts mitbekommt…“ Seine Stimme hatte dabei einen verschwörerischen Klang angenommen und er sah sich hektisch um, als ob seine resolute Ehefrau jeden Moment irgendwo mit einem Nudelholz in der Hand um die Ecke kommen könnte. „Schön dich zu sehen. Und nochmals Danke, das du für mich Taxi spielst.“ Mit diesen ernsten Worten beendete sie die Frozzeleien. Juan nickte. „Kein Problem Nat. Freunde helfen sich, das weißt du. Und Carmen auch. Hast du kein weiteres Gepäck?“ Erstaunt deutete er auf ihre kleine Tasche und den Rucksack. Bevor sie antworten konnte, schob sich einer der Schmuggler aus dem engen Cockpiteingang und balancierte zwei Reisetaschen nach unten. „Hier, ihre Sachen Ms. Drake“ nuschelte er dabei mit schwerem Akzent.
Während sie sich bei ihm bedankte, schnappte sich Juan die beiden Gepäckstücke und brachte sie zum Kofferraum seines Kleinbusses. „Mehr nicht?“ Er blickte fragend zum Flugzeug. Natalie schüttelte den Kopf. „Nein, das ist alles.“ Er grübelte. „Nicht gerade viel…“ Sie seufzte tief. „Das ist alles was noch übrig ist Juan…“ Der Mexikaner begriff schnell und hakte nicht weiter nach um sie verlegen zu machen oder in Bedrängnis zu bringen. Obwohl er meistens wie ein Kindskopf auftrat, konnte er genauso schnell schweigsam und nachdenkend werden. Einer der Wesenszüge, die sie an ihm mochte. Er wusste wann er Quatsch machen konnte und wann er einfach die Klappe zu halten hatte. Und es war immer Verlass auf ihn. Sie öffnete bereits die Wagentür, als die Motoren des Flugzeuges wieder ansprangen. Erst langsam und knatternd, dann immer schneller, lauter und hochtouriger. Rasch setzte sie sich auf den Beifahrersitz und schloss die Tür. Juan tat es ihr nach. „Wollen wir los?“ Sie nickte wieder nur stumm. Als er den Wagen von der Piste weglenkte, begann auch das Flugzeug sich träge zu bewegen und startete wieder.
Natalie sah wieder zum Fenster hinaus und hing ihren Gedanken nach, während ihre Finger sich verselbstständigten und unbewusst mit dem Ring spielten, den sie an einem Lederband um den Hals trug…