Keysibuna schrieb:Dabei muss man natürlich darauf achten und versuchen raus zu finden welche Motivationen und Ursachen hinter solchen Erlebnissen stecken.
Genau, nur manchmal ist das gar nicht so einfach. Über mögliche „Motivationen“ kann man oft nur spekulieren. Und welche „Ursachen“ hinter solchen Erlebnissen stecken – also zum Beispiel hinter „Geistererscheinungen“ oder „Nachtod-Kontakte“ - das ist eben die Frage, über die sich Menschen schon seit Jahrhunderten die Köpfe zerbrechen und die noch keine befriedigende Antwort gefunden hat.
Rationalität ist jedenfalls noch nicht, alle möglichen konventionellen Ursachen herzuzählen, die einem grad so in den Kopf kommen. Zur Rationalität gehört auch, den Geltungsbereich und die Grenzen von Argumenten und möglichen Erklärungsversuchen im jeweiligen Einzelfall zu erkennen. Irgendwelche Pauschalbehauptungen helfen da nicht weiter. Wenn man in einem konkreten Einzelfall eine konkrete psychologische oder andere Erklärung liefern kann, die vielleicht nicht 100 Prozent beweisbar ist, aber doch plausibel, dann ist das ja schön und gut.
Das mit der Ursachenerklärung funktioniert leider in den seltensten Fällen so gut, wie in dem berühmten Teekessel-Fall, den Walter von Lucadou immer so gerne erzählt: Ein Mann berichtete, aus seinem Teekessel kämen Stimmen. Jetzt könnte man gleich mit allen möglichen psychologischen Spekulationen kommen: Der Mann nimmt Drogen. Er halluziniert. Er fühlt sich allein, wünschte, dass jemand mit ihm sprechen würde, und hört daher im Rauschen seines Teekessels scheinbar „Stimmen“ (akustische Pareidolie). Hört sich alles mehr oder weniger plausibel an. Ist alles bloße unverbindliche Spekulation. - Und alles falsch.
Statt irgendwelche pseudo-“rationalen“ Lehnstuhl-Spekulationen anzustellen, ist von Lucadou zu dem Mann hingefahren und konnte feststellen, dass in unmittelbarer Umgebung ein starker Mittelwellensender installiert ist. Stellt man nun seinen Teekessel auf die Herdplatte, kann diese Kombination im Strahlungsfeld des Senders wie ein Lautsprecher wirken – man hört dann aus dem Kessel tatsächlich Stimmen, nämlich das Radioprogramm.
Solche rationalen Erklärungen lasse ich mir gefallen. Denn hier ist in einem konkreten Einzelfall eine konkrete beweisbare Erklärung gelungen. - Und allen war geholfen; denn der Mann wusste jetzt, dass er sich nichts eingebildet hat und auch kein „paranormales“ Erlebnis hatte.
Wenn man sich dagegen von konkreten physikalischen Feststellungen weg, hin in den Bereich der Psychologie bewegt, dann wird es schon schwieriger. Denn ein unverbindlicher Psychologismus, der anderen irgendwelche „Motivationen“ unterstellt, ist nur schwer konkret zu beweisen, und bleibt eher im Bereich der Theorie und Spekulation: „Du hast deine tote Oma nur gesehen, weil Du mit ihren Tod nicht klar gekommen bist und Dein Gehirn Dir etwas vorgespielt hat“, ist zunächst mal nur eine bloße unverbindliche Behauptung. - Könnte sein, dass es so war; könnte auch nicht sein. So eine Behauptung konkret zu beweisen, dürfte verdammt schwer, wenn nicht unmöglich sein. Was man höchstens erreichen kann ist, diese Erklärung so weit plausibel zu machen, dass der Betroffene sagt: „Ja, das könnte schon so sein, wie du sagst.“
Allerdings greift ein solcher Psychologismus in manchen Einzelfällen auch schlicht zu kurz und kann zum Beispiel Phänomene wie veridische Halluzinationen oder „crisis apparitions“ nicht hinreichend erklären.
Keysibuna schrieb:Und dabei vergisst te einfach das die Menschen dazu neigen aus allem mehr machen zu wollen als es ist, vor allem aber wenn man ungenügend informiert ist :}
Nein, das vergesse ich nicht. Natürlich gibt es diese Neigung. Und wenn man in so einem Fall einem Menschen die notwendige Information geben kann, um eine realistischere Wahrnehmung zu bekommen, dann ist das ja auch vollkommen in Ordnung.
Aber die Feststellung, dass „die Menschen“ „aus allem“ mehr machen wollen, ist eine viel zu allgemeine Pauschalaussage, um das Problem der „Geister“-Erlebnisse vollständig zu erklären. Es taugt allenfalls für einige Einzelfälle, wo tatsächlich Täuschung vorliegt, Illusion oder projektive Wahrnehmung (Beispiel für eine „projektive Wahrnehmung“: Wenn jemand stirbt, der ständig um einen herum war - die Geliebte, der Ehemann, die Eltern -, hat man dieses Bild auch noch weiter im Kopf. Läuft dann in der Straßenbahn ein Mensch vorbei, der dem Verstorbenen auch nur im Entferntesten ähnelt, glaubt man, diesen zu sehen.)
Genauso gibt es aber zum Beispiel auch die gegenteilige Tendenz, zunächst unerklärlich erscheinende Erlebnisse mit aller Gewalt auf eine scheinbar „rationale“ Ursache zurückzuführen: „Das kann ja gar nicht sein; das habe ich mir bestimmt nur eingebildet“; „das erzähle ich lieber nicht, sonst hält man mich noch für verrrückt; war bestimmt nur ein Traum oder sowas“
Ich habe gar nichts gegen Rationalität und rationale Erklärungen. Im Gegenteil. Vor allem, wenn in einem konkreten Einzelfall eine konkrete konventionelle Erklärung gelingt. Ich habe nur etwas gegen unverbindliche Pauschalaussagen und Unterstellungen. Man muss erkennen, dass in einigen Fällen eine mögliche konventionelle Erklärung eindeutig nachweisbar ist; in anderen Fällen muss sie sich im Bereich der Spekulation, allenfalls der Plausibiliät bewegen; und in wieder anderen Fällen greift sie schlicht zu kurz. Man kann eben nicht alles über einen Kamm scheren und immer schon im voraus glauben, alles schon irgendwie erklärt zu haben.