@DCWS @Amsivarier @Rumpelstil DCWS schrieb:Das ist ein logischer Fehler, aus der Tatsache, dass das Erlebte für dich nicht erklärbar ist (das ist charakteristisch für gute Zauberkunststücke) auf ein übernatürliches Phänomen zu schließen.
http://www.ratioblog.de/entry/fehlschluss-3-argument-aus-unwissenheit (Archiv-Version vom 21.07.2015)
Aber es ist genauso ein Logikfehler, aus der Tatsache, dass Tisch-Levitationen und noch vieles andere mehr auch durch Zaubertricks – Entschuldigung: Zauberkunststücke imitiert werden können, zu schließen, dass alle Levitationen Zauberkunststücke sein müssen. Andernfalls würde die Möglichkeit, Falschgeld herzustellen, sämtliche im Umlauf befindlichen Geldscheine wertlos machen, und die Tatsache, das einige Menschen Perücken tragen, würde das Vorhandensein von Echthaar schlüssig widerlegen.
Dass so ein Zauberkunststück grundsätzlich möglich ist, weiß jeder und bestreitet keiner. (Er wird ja in dem einen Video vorgeführt.) Die Frage ist nur, ob bei jedem konkreten Fall einer Tischlevitation ein solches Kunststück wirklich wahrscheinlich ist – oder vielleicht andere, nicht naturalistische Ursachen wahrscheinlicher.
DCWS schrieb:„Solange die herkömmlichen Erklärungen nicht ausgeschlossen sind (und das sind sie in diesem Beispiel ja nicht, wie ich hoffentlich aufzeigen konnte), gibt es keinen Grund ein tatsächliches telekinetisches Phänomen als wahrscheinlich anzunehmen.“
Das ist aber auch nur eine Art „Argumentum per ignorantiam“:
@reticulum ist ja gerade
weil er keine herkömmliche Erklärung gefunden hat, davon überzeugt, dass da etwas anderes dahinter stecken muss. Jetzt könnt Ihr sagen: „Ja, reticulum war einfach zu dumm und zu leichtgläubig, die wahre Erklärung zu finden. Das macht ja gerade ein gutes Zauberkunststück aus, dass man nicht so leicht dahinter kommt.“ Aber die einzige Möglichkeit, um – wie von
@DCWS vorgeschlagen -, herkömmliche Erklärungen auszuschließen, besteht darin, dass man es versucht. Reticulum hat es versucht, er hat keine herkömmliche Erklärung finden können, und geht jetzt – mit Gründen, nicht weil er das glauben will – davon aus, dass es so was wie Psychokinese gewesen sein muss. Klar, aus der Tatsache, dass reticulum keine herkömmliche Erklärung gefunden hat, auf ein übernatürliches Phänomen zu schließen, ist logisch nicht haltbar. Noch weniger haltbar ist es aber, aus der Tatsache, das reticulum
keine herkömmliche Erklärung gefunden hat, zu schließen, dass es eine herkömmliche Erklärung
gibt.
Wenn man einfach so, ohne Beweise, einfach mal davon ausgeht, dass irgend eine unbemerkte herkömmliche Erklärung nicht ausgeschlossen ist, dann könnte Psychokinese (oder, was das angeht:
irgend ein Phänomen, ob paranormal oder herkömmlich) niemals wahrscheinlich gemacht werden. Denn das Argument „Es könnte eine unentdecktes Zauberkunststück dahinter stecken“, ist, wenn es keiner Beweise bedarf, nicht falsifizierbar und daher immer anwendbar. Selbst wenn „the Amazing Randi“ eine Tischlevitation erleben würde, keine Erklärung dafür fände und seine Million Dollar auszahlen würde, dann könntet Ihr immer noch sagen: „Ja, der gute alte Kämpe ist halt senil geworden; der hat den Trick nur nicht gemerkt. Da war bestimmt ein Trick dahinter.“ Und wenn hundert Wissenschaftler und Zauberkünstler nach eigener eingehender Prüfung ebenfalls zu dem Schluss kämen, dass es keine herkömmliche Erklärung dafür gibt, dann könntet Ihr sagen: „Ja, aber ein Zauberkunststück kann nicht 100 Prozent ausgeschlossen werden. Einer der anwesenden Zauberkünstler könnte cleverer sein als alle anderen und hat sie hinters Licht geführt.“ Auf diese Weise kann man dann auf ewig und drei Tage im gleichen Trott weitermachen, nur um der schalen Befriedigung willen, das von vorneherein feststehende Ergebnis immer wieder zu bestätigen. So kann man zwar immer recht behalten – lernt aber nichts über unsere Welt und unsere Wirklichkeit.
100 Prozent Sicherheit wird man nie haben. Man kann nur nach sorgfältiger Prüfung zu einer gewissen Wahrscheinlichkeit kommen. Für reticulum ist es nach Augenschein und Einschätzung der Situation höchst unwahrscheinlich, dass ein Zauberkunststück, und höchst wahrscheinlich, dass eher Psychokinese das von ihm Erlebte erklären kann. Selbstverständlich könnte er etwas übersehen haben, aber das wissen wir nicht. Aber gerade weil wir das nicht wissen, dürfen wir auch nicht so einfach ohne Beweise behaupten, dass er was übersehen hat.
Wenn ein professioneller Zauberer, der das gelernt und Jahre lang geübt hat, auf einer Bühne oder in einem Fernsehstudio womöglich mit Hilfe von eingeweihten Komplizen und mit raffiniert ausgedachter und intensiv trainierter Kunstfertigkeit sowie mit technischen Vorbereitungen und Hilfsmitteln einen vorher von ihm präparierten Tisch scheinbar zum „Schweben“ bringt, und dann dafür den verdienten Applaus erntet, dann ist das das eine. Etwas anderes ist es, wenn ein paar Freunde zuhause am Küchentisch eine „Séance“ machen, der Tisch „schwebt“ und keiner will's gewesen sein. Das ist kein „Beweis“ für Telekinese (man könnte ja „ex ignorantian“ bzw. „sine evidentia“ argumentieren, dass ein von keinem der Anwesenden bemerkter Trick dahinter stecken könnte), es macht ein Zauberkunststück aber doch eher unwahrscheinlich.
Ihr habt „freundlicherweise“ reticulum zu bedenken gegeben: „Könnte das, was Du erlebt hast, nicht eventuell auch auf einem Zaubertrick beruhen?“ (Okay, ihr habt in Wahrheit keinen freundlichen Vorschlag zu bedenken gegeben, sondern seid einfach davon ausgegangen, dass das wohl so sein muss, und das reticulum daher ein leichtgläubiger Idiot ist.) Na ja, jedenfalls, wenn Ihr in der Lage gewesen wäret, höflich und vernünftig zu argumentieren, dann hättet Ihr reticulum den Vorschlag gemacht: „Es könnte aber auch eine Zaubertrick gewesen sein! Ich persönlich glaube, es war ein Zaubertrick.“ Und reticulum hätte dann höflich und vernünftig antworten können: „Ich glaube nicht, dass da ein Trick dahinter steckt. Es war meines Wissens niemand anwesend, der über die nötigen Fähigkeiten und Hilfsmittel verfügt, einen Tisch zum Schweben zu bringen, ohne dass wir das gemerkt hätten.“ Es wäre für reticulum in dieser Situation unredlich und irrational gewesen, einfach zu sagen: „Okay, ich habe keinerlei Anzeichen oder Hinweise dafür, dass es ein Zauberkunststück gewesen ist. Aber trotzdem gehe ich einfach mal davon aus.“
Ihr dagegen geht einfach mal davon aus, dass reticulum ein leichtgläubiger Idiot ist und von einem zufällig anwesenden Zauberkünstler reingelegt worden ist. Schade nur, dass unser bescheidener anonymer Zauberkünstler, der mit seiner Tischlevitation reticulum (oder den dummen und leichtgläubigen Stephan Braude und viele andere, die ebenfalls so etwas mit eigenen Augen gesehen haben) reingelegt hat, niemals die Lorbeeren ernten wollte, die sein doch offenbar recht eindrucksvoller Tri... - Entschuldingung: - sein doch offenbar recht eindrucksvolles Kunststück eigentlich verdient hätte. Also ich an seiner Stelle hätte die anderen Teilnehmer – wenigstens hinterher – vorsichtig darauf hingewiesen, dass ich und mein großartiges magisches Können die Levitation mit einem Zauberkunststück bewirkt habe. Ich hätte den Trick natürlich nicht verraten – das macht kein Zauberkünstler, der etwas auf sich hält –, aber ich hätte doch zumindest versucht, irgendwie die Lorbeeren für meine Mühe zu ernten. Dann hätten mich alle bewundert: „Wow, wie macht der das bloß?“
Aber statt dessen hat unser anonymer Zauberkünstler es vorgezogen, anonym zu bleiben und auf (fast) jeden Lohn für seine Kunst zu verzichten. Die einzige Befriedigung, die er aus seinem Kunststück – das zu entwickeln, zu lernen und auszuführen ja doch ein wenig Zeit und Mühe gekostet haben muss; eine Tischlevitation ist ja kein simpler Kartentrick aus dem Zauberkoffer –; die einzige Befriedigung war also die, dass er reticulum hinters Licht geführt hat. Und für diese – zugegebener Maßen doch etwas schäbige Befriedigung – all der Aufwand?
Aber zum Glück habt Ihr drei – ich vermute mal, per „remote viewing“ oder mit einer anderen Form der außersinnlichen Wahrnehmung; denn persönlich ward Ihr ja nicht dabei – das Talent dieser Euch unbekannten Person als Zauberkünstler sofort erkannt und gewürdigt. Nur der dumme und leichtgläubige reticulum – der im Gegensatz zu Euch dabei war – hat das Kunststück natürlich nicht bemerkt und ist prompt drauf reingefallen. Vielleicht weil er – ebenfalls im Gegensatz zu Euch – nicht über die Fähigkeit verfügt, alles (besser) zu wissen.