@DragonRiderDragonRider schrieb:Leute, die an Gott oder Geister glauben, neigen prinzipiell dazu, Dinge zu für wahr zu halten, für deren Annahme sie keine guten Gründe haben.
Dem kann ich so nicht zustimmen. Jedenfalls nicht, wenn das Wort „prinzipiell“ so gemeint sein sollte, dass
alle Menschen, die an Gott oder Geister glauben,
keine guten Gründe für diese Annahmen hätten. Anthropologisch gesehen ist es ja vielmehr so, dass es zu allen Zeiten und überall auf der Welt immer wieder Menschen gibt und gegeben hat, die selbst ganz konkrete
Erfahrungen mit vermeintlichen Geistern haben und aus diesen Erfahrungen heraus ihren Glauben
begründen. Diese Erfahrungen können spontan auftreten, wie bei der Begegnung mit einem „Gespenst“, oder sie können induziert sein, etwa bei einer Beschwörung oder einem Besessenheitsritual.
Im Falle Gottes ist diese konkrete persönliche Erfahrung schon schwieriger. Vor allem, wenn dieser Gott sehr „abstrakt“ und von der Welt „abgehoben“ gedacht wird und noch eine komplizierte Theologie dahinter steht (beim christlichen Gott etwa Konzepte wie „Sünde“, die „Erlösungstat Christi“, die „Auferstehung“, die „Trinität“ usw.). Vieles davon kann man kaum persönlich erfahren oder logisch herleiten, sondern „muss“ (oder muss es eben vielmehr nicht) einfach „glauben“. Aber auch hier gibt es „Mystiker“, die eine nicht mit Worten zu vermittelnde „Einheit“ mit Gott fühlen, oder „Bekehrte“, die ihr Bekehrungserlebnis ganz konkret als Erlebnis der göttlichen Gnade interpretieren, und insofern ihren Glauben an Gott mit ganz konkreten Erfahrungen begründen können.
Diese Annahmen müssen keineswegs wahr sein, aber sie sind auf jeden Fall nicht unbegründet. Wenn etwas aussieht wie eine Ente, watschelt wie eine Ente und quakt wie eine Ente, dann ist es nicht irrational und nicht unbegründet, davon auszugehen, dass es tatsächlich eine Ente ist. Diese Annahme könnte natürlich trotzdem falsch sein: Es ist vielleicht nur ein verkleidetes Huhn oder ein lebensechter Roboter, der eine Ente erfolgreich imitiert, oder ich könnte mich sogar grundsätzlich täuschen und gar keine Ahnung haben, wie eine Ente aussieht, watschelt und quakt, so dass ich einen ganz anderen Vogel fälschlicherweise für eine Ente halte, oder die vermeintliche Ente könnte nur halluziniert sein, usw. – Alles möglich. Trotzdem ist die Annahme, eine Ente vor mir zu haben, per se zunächst einmal weder irrational noch unbegründet.
Wenn sich ein Besessener wie ein Gott, ein Geist oder ein Dämon verhält und spricht, dann ist es nicht unbegründet und auch nicht „irrational“, anzunehmen, dass derjenige von einem Gott, Geist oder Dämon besessen sei. Die Annahme kann falsch sein. Es kann sich um ein rein psychologisches Phänomen einer „Dissoziation“ handeln. Aber die Annahme „Besessenheit“ ist jedenfalls nicht grundsätzlich unbegründet, sondern eine naheliegende Interpretation dessen, was geschieht.
Ähnlich bei Erfahrungen mit „Gespenstern“. Wenn eine Erscheinung wie mein verstorbener Großvater aussieht oder eine von einem Medium „vermittelte“ Wesenheit, Dinge weiß, die nur ich und mein verstorbener Großvater wissen können, dann ist es nicht irrational und unbegründet, zu vermuten, dass ich es mit dem Geist meines Großvaters zu tun habe. Es kann immer noch ein Dritter kommen und behaupten, diese Erfahrung sei „nur“ eine Halluzination oder ein Betrug durch das Medium gewesen. Eine der beiden Interpretationen (echte „Begegnung“ oder reine „Halluzination“) könnte falsch sein – beide könnten falsch sein. Aber
beide sind nicht prinzipiell unbegründet.