-Therion- schrieb:wie ist so etwas zu erklären ? eine realität 2 unterschiedliche wahrnehmungen ? ich hatte noch unzählige andere erlebnisse mit unterschiedlichen personen die ebenfalls eine andere realität sahen als ich und es waren nie drogen in welcher art auch immer im spiel um das vorweg zu nehmen !
Die Erkenntnis, dass jeder Mensch die Welt anders wahrnimmt, bekommen die meisten schon recht schnell.
Ich selbst habe eine leichte Farbenblindheit und starke Kurzsichtigkeit. Dahingehend hatte ich schon so einige Streitereien, weil etwas, was ich eindeutig als schwarz benannte scheinbar für viele andere dunkelblau war.
Ebenso nehme ich meine Umwelt auch etwas anders wahr, wenn ich meine Brille absetze, weil ich dann Dinge erst auf 20cm Distanz scharf sehen kann und ich somit in einer Straßenbahn von meinen Mitmenschen weder Gesichter noch feine Körpersprache wahrnehme. Manipuliert man seine Wahrnehmungskanäle dann wird die individuelle Wahrnehmung noch einmal ein Stück unterschiedlicher.
Wer kennt nicht diese tollen Phänomenem wenn man in unterschiedlichen Reihenfolgen seine Hand in heißes, kaltes und normal temperiertes Wasser hält. Die Wahrnehmung zu manipulieren oder fehlzuleiten ist unheimlich einfach.
Letztlich ist es aber auch im Einzelfall verschieden wie weit das eigene logische Denken gehen kann und wie viel Vorwissen für mögliche Erklärungsmodelle vorhanden ist.
Wer zum Beispiel nicht weis, warum bei diesem Experiment mit den unterschiedlichen Wassertemperaturen diese verschiedenen Wahrnehmungen entstehen, der wird auch an anderen Stellen, wo das eigene Temperaturgefühl unabsichtlich fehlgeleitet wurde, nicht auf die Idee kommen, dass in dieser einen Situation das selbe Erklärungsmodell wie bei den Wasserschalen angewendet werden kann bzw. sollte.
Salopp gesagt: Je weniger ein Mensch weis, umso einfacher lässt er sich verarschen.
Ein weiterer Faktor der gerade bei der Wahrnehmung eine Rolle spielt ist auch die Fülle an Information die man hat bzw. die einem vorenthalten werden.
Da lässt man auf einem Parkplatz ein Geldstück fallen und findet es am anderen Ende wieder. Natürlich fragt man sich wie das möglich sein soll, wobei aber jemand der zusah wie das Geldstück galant über Stock und Stein rollte, ganz klar erklären kann wie das Geldstück letztlich dahin kam.
Der Eine hatte eben Informationen, die der Andere nicht hatte. Und jetzt ist eben die Frage wie weit der Andere es schaffen würde, sich diese fehlenden Informationen selbst zusammenzureimen, wäre der Eine nicht aufgetaucht und hätte sie ihm erzählt.
Prinzipiell könnte man diese Informationslücke nun auf Tausend verschiedene Weisen erklären: Das Geldstück ist durch eine Verkettung günstiger Umstände selbst dahin gerollt. - Eine andere Person hat das Geldstück gefunden und weggeworfen. - Die Gravitation hat an einer bestimmten Stelle aufgesetzt und es ist ans andere Ende des Parkplatzes geflogen. - Aliens wollten dich ägern und haben das Geldstück dorthin teleportiert. - Ein rosa Elefant wollte das Stück essen und hat es dort wieder ausgespuckt. - ......
Wie man sieht kann man ganz schnell so ziemlich jede Erklärung irgendwie auf jede Informationslücke anwenden, wie absurd es auch sein mag.
Dadurch, dass eben Informationen fehlen, kann man es prinzipiell auch erst einmal keinen verübeln, wenn er am Anfang der Erkenntnissuche gar keine Möglichkeit ausschließt.
Aber genau hier setzt wieder das Verhandensein oder Nichtvorhandensein von Grundwissen an und die Frage, welche Erklärungen machen einerseits überhaupt Sinn und andererseits welches der sinnvollen Erklärungsmodelle ist am naheliegensten.
Sollte man nun im Fall des Geldstücks irgendwann soweit sein, dass man es sich selbst nur noch damit erklären kann, dass das Geldstück eigenständig gerollt ist und erst dort umfiel, dann kommt ein weiterer schwieriger Teil des Erkenntnisprozesses: die Akzeptanz.
Schwierig wird es eben dahingehend, wenn man sich schon gefreut hatte, dass man vielleicht Alienexistenzen selbst erleben konnte und einem die Erklärung des einfachen Rollens zu profan ist.
Dahingehend ist auch das Wort Erwartungshaltung unheimlich wichtig.
Manchmal wollen wir uns mit der einfachsten Erklärung nicht zufrieden geben.
Ich selbst bin in meinen mathematischen Arbeiten manchmal auch fast am Weinen, wenn ich eindeutige Ergebnisse erhalte, die entgegengesetzt zu dem stehen, was ich erwartete und ich dann erst nach Wochen feststelle, dass meine Ausgangsfrage fehlerhaft war.
Die Akzeptant, dass man selbst über längere Zeit in einem Irrglauben war, ist unheimlich schwierig, weil man sich eigene Fehler nur ungern so einfach eingesteht.
Und genau hier neigt man oft für einen Moment auch zur Ignoranz der Rationalität, die bei zu starker Anwendung rückwirkend eher zu Denkblockaden/-verboten als zu neuer Erkenntnis führen kann.
Und im schlimmsten Falle kann die Kombination aus Informationslücken, fehlenden Erklärungsmodellen, fehlender Rationalität, fehlender Akzeptanz und zu viel Ignoranz dazu führen, dass man Kräuterkundler als Hexer verteufelt und öffentlich verbrennt.
Und dies kann, wie die Geschichte eindeutig zeigt, sowohl Wissenschaftler als auch Gläubige betreffen. Es ist halt immer die Frage in welcher Zeit welche Denkweisen in der breiten Masse eher gewünscht sind und es ist für mich auch nicht verwunderlich, wenn gerade in Zeiten von Krisen, Kriegen und Kulturkämpfen scheinbar wieder mehr ignoriert als toleriert und akzeptiert wird und scheinbar auch wieder mehr unrationale, teilweise sehr idealisierte Erklärungsmodelle größere Akzeptanz finden.
Sobald es einem schlecht geht neigt der Mensch scheinbar dazu sich nach etwas idealisiert Schönen zu sehnen, ganz egal wie unrational es sein mag.