Selbstverletzung - Eine echte Sucht oder einfach nur bekloppt?

@ickebindavid
Schon klar, aber mir geht es besonders um die, die in der Selbstverletzung einen Zwang/Eine Sucht sehen.


Ich suche mal den Thread den ich mal in einem Suchtforum gelesen hatte.. Moment...

Ich habe mit ca 12 angefangen zu ritzen. Hab das auch immer mal wieder gemacht. Mit ca 17 hab ich schon einige Drogen probiert und der Selbstverletzungsdrang ist zurück gegangen.
Ich würde sagen das die Drogen das ritzen unterdrückt haben. Ich habe mindestens 12 Jahre täglich konsumiert.
Ich dachte sogar ne ganze Zeit das das Thema durch wär
War es aber nicht...

Ich habe 2010 Therapie gemacht und war dann 1.5 Jahre clean.
Leider kam der Selbstverletzungsdrang massiv zurück.

Quelle: http://forum.suchtmittel.de/viewtopic.php?t=8517&postdays=0&postorder=asc&start=0

ickebindavid schrieb:Leute die das wirklich tun weil es ihnen in irgendeiner Form Linderung ihrer psychischen Schmerzen verschafft, gibt es ziemlich selten. Bei den meisten ist es einfach nur der Versuch Aufmerksamkeit zu erregen.

geht manchmal sogar soweit das sie fotos davon machen und ins internet stellen. da könnte ich kotzen

es kann aber auch ein Tick sein, der ausartet, zum Zwang wird.......manche Menschen kauen Nägel, aus Nervosität und als Ersatzhandlung, um Druck zu senken, es ist eine Angewohnheit, die Anspannung irgendwie zu reduzieren......und so wie manche Nägel kauen, unbewusst, so ritzen sich auch manche unbewusst.
Auch würde ich mal bedenken, dass Menschen, die das machen um Aufmerksamkeit zu erregen auch ein Problem haben könnten. Da lästert es sich natürlich schnell, wenn man sich nur oberflächlich damit auseinandersetzt. Finde ich eigentlich schade.

@Tussinelda

Tussinelda schrieb:Auch würde ich mal bedenken, dass Menschen, die das machen um Aufmerksamkeit zu erregen auch ein Problem haben könnten. Da lästert es sich natürlich schnell, wenn man sich nur oberflächlich damit auseinandersetzt.

Klar haben die auch ein Problem.( zB ein Problem mit ihrem Selbstwertgefühl) Das ist aber vergleichsweise gering im Gegensatz zu den Leuten , die es wirklich tun weil es ihnen für den Moment "gut tut".
Das ist das Schlimme daran. Da wird ne ernsthafte Störung missbraucht um sich ins Rampenlicht zu rücken.
Deswegen lästere ich auch nicht über solche "Möchtergernborderliner" sondern rege mich über sie auf.

@ickebindavid

Bei mir in der Klasse war mal eine, die hat sich dieses Zeichen "<3" in den Arm geritzt und überall herum gezeigt. Da musste ich mich aber zurückhalten -.-

@ickebindavid
aber dann bewertest Du ja das Problem eines Menschen nach Deiner Wertvorstellung. Dem Mädchen, das sich ritzt um Aufmerksamkeit zu bekommen erscheint ihr Problem womöglich furchtbar und unlösbar und es fühlt sich ganz elend......das kann man doch nicht in einer Tabelle messen, wem welches Problem am schlimmsten vorkommt. Dem jeweils Betroffenen geht es in seiner Wahrnehmung wohl immer gerade am Schlimmsten. Ich maße mir nicht an, dies zu beurteilen, denn ich fühle nicht, was dieser Mensch fühlt.

Tussinelda schrieb:das kann man doch nicht in einer Tabelle messen, wem welches Problem am schlimmsten vorkommt. Dem jeweils Betroffenen geht es in seiner Wahrnehmung wohl immer gerade am Schlimmsten. Ich maße mir nicht an, dies zu beurteilen, denn ich fühle nicht, was dieser Mensch fühlt.

Ja das sehe ich tatsächlich anders als du.
Mensch ist Mensch und hält in etwa gleich viel aus. Oder soll ich es jetzt auch ganz schrecklich finden wenn eine Millionärstochter weint weil sie kein Pony zum Geburtstag bekommen hat?

Ne du , es gibt echte Probleme , und welche die man sich selbst macht.

Also wenn es nur um Schmerzen ginge, dann gibt es doch viele Möglichkeiten, welche nicht in körperlichen Verletzungen resultieren. Ich denke in SM-Foren wird man da viele Anregungen finden.

Heißes Wasser ( natürlich nicht kochend heiß), Ledergürtel, mit nem Gummiband ums Handgelenkt schnipsen oder sich einfach Kneifen, waren Dinge, die mir spontan einfallen würde.

Dabei geht natürlich der Reiz des Blutes verloren und außer vielleicht blauen Flecken behält man auch nichts zurück, was man großartig rumzeigen könnte.

Ich denke schon das man von kontrollierten Schmerzempfindungen abhängig werden kann, immerhin schüttet der Körper dabei doch einiges an schmerzstillenden Stoffen aus. Aber ich denke auch das es sehr viel mit einer Mode zu tun hat (früher wäre man nicht darauf gekommen) und es auch mit Aufmerksamkeitserregung zu tun hat. Das ist aber alles von Fall zu Fall verschieden.

Also, dass mit der Endorphinausschüttung ist schon ein großer Vorteil. kenne das sehr gut vom extremsport, hatte teilweise echt krasse Verletzungen, einmal konnte man mein halbes Gesicht fast abziehen, war schon übel, aber ich habe null Schmerzen gespürt, bin dann sogar noch nach hause gefahren, aber mit dem Blick in den Spiegel wurde mir dann auch schnell übel..Beim joggen kenne ich das auch, aber erst wenn man mindestens ne Stunde gejoggt ist.
Das mit dem ritzen hat schon den Grund, zumindest oft, Aufmerksamkeit zu erregen. kenne da auch einen Fall im Bekanntenkreis. Ist schon krass, wie hübsche Mädchen sich so verunstalten können. Oft ist da aber ein großes Problem dahinter, wenn dies behandelt wird, wird das ritzen auch meist eingestellt.

@neurotikus
Bringt mich auf die Idee ne heiße dusche zu nehmen.
Man spürt das Wohlbefinden nach dem Duschen doch deutlich, wenn man beim Duschen was die Wassertemperatur angeht an die Schmerzgrenze geht.

Klappt umgekehrt, wenn es eine ganz Kalte Dusche ist glaube ich auch... aber Heiß ist mir Lieber...
Was wiederum eine geringere Endorphinausschüttung bedeutet...
Ach ich versuch beides ;)

alles kann zur sucht werden. ich würde hier nicht in diesen kathegorien denken.
was ist selbstverletzung? ist nicht auch rauchen und saufen selbstverletzung? was ist mit dem arbeiten, bis die hände wund sind? und was nicht alles seltsames in den klöstern dieser welt an kasteiender quatsch gemacht wird. bekloppt sind wir alle, jeder auf seine weise. der schmerz indes ist etwas, dass uns hilft, uns mit uns selber auseinanderzusetzen, uns selbst zu spüren. in einer welt, in der einem ratzbatz alles genommen werden kann, wo alles, was einen in freude versetzen kann, auch von anderen, die das nicht so wertschätzen nachvollzogen, besudelt und geringgeschätzt werden kann, da bleibt manchmal nichts mehr übrig, dass man nur für sich ganz alleine hat. wer den schmerz sucht, hat in meinen augen keinen knacks ab, sondern er ist mutig, dass er den letzten schritt wagt, um sich aus einem beklemmenden alltag und umfeld zu befreien. was nicht tötet, härtet ab - wer kennt den spruch nicht? ist es nicht auch selbstverletzung, wenn jungs losziehen und sich clubs einen korb nach dem anderen holen, bis sie irgendwann den perfekten anmachspruch für sich raushaben? auch wenn ich das verhalten bekloppt finde, ist es das nicht wirklich. denn es ist eigentlich zielstrebig, mutig und clever.
selbstverletzung hat natürlich auch eine grenze, wenn es nämlich an die selbstverstümmelung geht. das ist dann sehr wohl bekloppt, will ich meinen. und auch selbstverstümmelung kann rein psychisch durchlebt werden. beispielsweise alle folgen "gesichter des todes" und brutalsten metal in sich aufzusaugen, tötet auch etwas sehr natürliches in einem ab.
ich halte es für wichtig, den mittelweg zu finden und auch mit seinen agressionen, ängsten und sehnsüchten umgehen zu lernen, sie nicht aufzustauen oder zu verleugnen. wovor man sich aber immer hüten muss, ist die verzweiflung. sie lockt und überfällt einen und lässt einen dinge tun, die man später bereuht. wir sollten alle in uns schutzwälle vor der verzweiflung errichten, denn sie treibt uns oft erst in den schmerz. zornig sucht man nach dem erstbesten ventil für die aufgekommene wut. ich lass meine verzweiflung lieber an gegenständen aus als an mir. obwohl ich da früher auch anders, ungezügelter und bekloppter war.

"Sucht" wird inzwischen als Begriff derartig inflationär gebraucht, dass er eine leere Hülle geworden ist. Ursachen für SVV können von tiefsitzenden psychischen Störungen und traumatischen Kindheitserfahrungen bis hin zur "Modeerscheinung" oder dem Heischen nach Aufmerksamkeit eine ganze Menge sein. Das wäre im Einzelfall heraus zu finden.

Vielleicht gibt`s dem jenigen einen Kick? Ähnlich dem Pyromanen, dem es reizt etwas in Brand zu stecken?

bekloppt

Einfach nur bekloppt !

Doors schrieb:Ursachen für SVV können von tiefsitzenden psychischen Störungen und traumatischen Kindheitserfahrungen bis hin zur "Modeerscheinung" oder dem Heischen nach Aufmerksamkeit eine ganze Menge sein.

Genau so ist es.

es ist wohl eher ein Zwang, keine Sucht

In meinem ehemaligen Bekanntenkreis war eine, die sich sehr viel geritzt hat. Ihr Eltern hatten sich unschön getrennt und sie hat dadurch massive Minderwertigkeitskomplexe bekommen. Sie, als einziges Kind der Eltern, war leider zu einem Druckmittel zwischen den Eltern geworden.
Und immer dann, wenn sie der Meinung war, dass sie etwas nicht gut genug gemacht hat, Anforderungen nicht gerecht wurde, etc., dann hat sie sich geritzt.
Ihre Aussage dazu war, dass sie immer das Gefühl hatte, dass mit jedem Tropfen Blut ein Stück Druck aus ihrem Inneren verschwand. Sie fühlte sich danach weniger Minderwertig und hatte wieder mehr Mut an eine Sache heran zu gehen, bzw. sich etwas zu trauen.
Nur hat sie sich immer höhere Ziele gesteckt, um zu zeigen, dass sie doch etwas Wert ist. Und der Weg wurde immer steiniger. Sie hat dann irgendwann im Badezimmer in ihrem eigenen Blut gehockt und da hats dann Klick gemacht. Sie ist dann in eine Therapie gegangen, weil es so nicht weiter gehen konnte.
Ihre Narben waren ihr auch extrem unangenehm. Eigentlich wollte sie sich nicht verletzen. Nach dem ritzen hat sie sich immer sehr schlecht gefühlt und viel geheult. Aber das befreiende Gefühl war einfach stärker und wichtiger als die Scham.
Nunja, heute ist sie kuriert. Aber die Narben bleiben für immer.

ickebindavid schrieb:Ich weiss , ist aber eher die Ausnahme heutzutage.
Ist ja geradezu Mode im Moment, sehr bedenklich mMn.

Ich weis nicht welchen Zeitraum du mit "im Moment" meinst, aber vor 10-15 Jahren gab es das schon genauso wie heute.


Ob dieses Verhalten nun eine Sucht, ein Zwang oder fehlgeleitete Langeweile ist, ist bei dem Thema wohl etwas an der Problematik vorbei gedacht.
In erster Linie ist es ein Zeichen von Hilflosigkeit, egal welches Motiv dahinter steckt.

Dieses Verhalten wirkt grotesk und man erzielt damit in der Regel immer Aufmarksamkeit.
Nur eben weil es so grotesk wirkt, wissen die wenigsten wie sie damit umgehen sollen bzw. mit einer praktizierenden Person.
Es ist immer einfacher eine Person als "bekloppt" zu bezeichnen anstatt ernsthaft Ursachenforschung zu betreiben - da ist SVV nur eins von vielen Beispielen, wo die Mehrheit auf diesen Schutzmechanismus zurückgreift.

Ich kann nicht mit sicherheit sagen ob ein SVV die Sucht direkt ist, allerdings gehe ich von meinem Standpunkt aus.

Hier zu erzähle ich mal kurz und knapp meine Geschichte..

Mit 11 Jahren habe ich das erste mal eine Klinge über meinen Arm gleiten lassen, aus welchem Grund weiß ich heute nicht mehr. Ab da kam dieses Selbstverletzende Verhalten öfter vor.
Bei jedem traurigen Ereignis, Streit, Angst usw. griff ich dann zu einer Rasierklinge, ich habe dann mit meinen Eltern zusammen einen Therapeuten aufgesucht um die Gründe dafür zu finden und zu lernen meine Sorgen und Ängste ohne das, wie viele sagen "ritzen", zu lösen.
Diese Therapie hat mir sehr geholfen.

Als ich 18 war fing ich dann allerdings an mit Drogen zu experimentieren, das ging so weit bis auf ich Heroin gekommen bin, und dann fing auch mein Selbstverletzendes verhalten wieder an.
Immer wenn ich keinen Stoff hatte und mein Entzug einsetzte fing ich an mich zu schneiden.
Nach ungefähr 4 Jahren Drogensucht habe ich mich wieder in therapeutische Behandlung begeben und einen Entzug gemacht, leider bin ich immer wieder Rückfällig geworden. Mittlerweile bin ich in einem Substitutionsprogramm für Suchtkranke und konnte mein Leben neu Ordnen.
Natürlich bin ich immer noch ein Süchtiger weil auch ein Ersatzmittel zu nehmen bedeutet nicht "Drogenfrei" zu sein, seit dem habe ich auch mein SVV im Griff und mir geht es auch psychisch wieder besser.Man sollte niemals aufgeben und sich nicht schämen hilfe von einem Psychologen anzunehmen, weil von alleine hört das nicht auf. Es ist einfach eine Krankheit, man kann sie zwar nicht heilen, aber man kann lernen damit umzugehen ohne das immer wieder Blut fließt.Natürlich muss man das wirklich wollen, sonst nützt die beste Therapie nichts.

Ich finde es traurig das viele Menschen ein SVV als "bekloppt" sehen, gerade wenn Teenies damit beginnen hat es einen Grund, keiner würde sich "einfach so" mit einer Klinge die Arme blutig schneiden. Es ist gerade im jungen alter wichtig das vorallem die Eltern/Familie das Kind unterstützen, das kann sehr viel bringen.