aero schrieb:Auch ich empfinde dies als ein unangebrachtes "totschlagargument".
dem kann ich mich nur anschliessen!
Es ist ganz selbstverständlich, dass man überall dort, wo man eine persönliche Beziehung zu hat, mehr Trauer und Mitleid empfindet. Das ist nicht nur normal, sondern auch richtig so. Und es ist grundverkehrt, ja abartig, jemandem für dieses normalen Verhalten ein schlechtes Gewissen einreden zu wollen!
Fast jeder von uns hat Verwandte, Freunde, Bekannte, Geschäftspartner in den USA, nicht wenige sogar welche in New York. Viele Deutsche waren schon mal im Urlaub in den USA. Meine konkret näheste Beziehung zu den Twin Towers war zB., dass mein Bruder ein Jahr zuvor in New York auf einer Konferenz war und die wenigen Stunden Freizeit auf dieser Dienstreise dazu genutzt hatte, die Besucherterasse auf dem WTC2 zu besuchen.
Und selbst wenn man keine persönliche Beziehung solcher Art hat, die USA haben eine kulturelle Verbindung zu Europa, die große Mehrheit der Menschen dort stammt von europäischen Einwanderern ab, die noch immer eine kulturelle Verbindung zu dieser Herkunft haben. Daher fällt die Identifikation mit den Menschen dort leichter als mit den Opfern manch anderer Krisenregion.
Aber es gibt noch einen ganz anderen Punkt:
Bei vielen Opfer, die man in den Nachrichten oder so sieht, habe zumindest auch ich andere Gedanken.
Wenn ich zB. das Bild eines hungernden Kindes im Sudan sehe, dann tut mir das Kind natürlich leid. Aber gleichzeitig denke ich, warum liegt in einem Land, welches seit Jahrzehnten von Hungersnöten geplagt wird, die mittlere Fertilität bei 3,7 Kindern pro Frau? Warum wird dort nicht erstmal ganz konsequent eine Ein-Kind-Politik nach chinesischem Vorbild gefahren? Haben die nicht auch ein Stück weit "selber schuld"?
Wenn ich zB. sehe, wie im Gazastreifen Menschen durch schlechte Wasserqualität erkranken und sterben, dann tun mir die dort elendig Verreckenden schon leid. Aber gleichzeitig denke ich, die Bevölkerung des Gazastreifens will es offenbar ja so, denn sonst würden sie nicht in Wahlen immer wieder die Hamas wählen, die statt Frieden Terror schüren, die wählen, die dafür verantwortlich sind, dass ein großer Anteil des aus Israel gelieferten Trinkwassers aufgrund defekter Wasserversorgung im Gaza versickert oder verschmutzt. Und sie würden sich nicht in einer der dichtbesiedelsten Regionen der Welt und in Mangel und Armut trotzdem wie die Karnickel vermehren (5,1 Kinder pro Frau im Durchschnitt!!!)
Wenn ich sehe, wie Menschen in Bangladesh durch Fluten ihr Heim verlieren oder gar sterben, dann habe ich erstmal auch Mitleid. Aber gleichzeitig denke ich, wieso in einem Land mit keinen Reichtümern, mit einer Grundfläche von weniger als der Hälfte Deutschlands, wovon 20% sowieso jedes Jahr überschwemmt wird, die Bevölkerung seit der Unabhängigkeit 1971 von 71 Mio. auf 160 Mio. ansteigen konnte, ohne dass die Politik oder Gesellschaft dort dem irgendwie Einhalt gebietet...
Diese Argumentationslinie beziehe ich übrigens nicht nur auf Menschen "weitab". Auch auf Menschen oder Sachverhalte gleich vor der Haustür. Als 2002 durch das Elbehochwasser Menschen ihre Wohnungen verloren, hatte ich Mitleid. Aber inzwischen lebe ich seit ein paar Jahren in einer Stadt, in der auch einige Ortsteile vom Hochwasser betroffen waren. Und wenn ich dann sehe, dass nach dem Elbehochwasser 2013 Menschen darauf bestanden, ihre Wohnungen und Häuser, die schon 2002 überflutet waren und 2013 erneut überflutet wurden, wieder zu beziehen, während in der gleichen Stadt in anderen, nicht hochwassergefährdeten Ortsteilen ganze Häuserzeilen leerstehen und gute Bausubstanz aufgrund Leerstand abgerissen werden muss, dann ist auch bei mir das Mitleid mit den sogenannten "Flutopfern" aus.
Und so ist es eben, dass man bei manchen Opfern nur bedingt Mitleid hat...