Was muss passieren damit ein Mensch "zerbricht"?

Hallo zusammen,

aus gewissem Anlass möchte ich euch zu einem mir sehr wichtigen Thema befragen und hoffe jemanden zu finden der vielleicht selbst schon so etwas miterlebt hat bzw. Erfahrung mit solchen Dingen gemacht hat.

Ein guter Freund von mir (21 Jahre) ist nicht mehr "anwesend" er lebt zwar aber er ist irgendwie leer. Er redet nicht mehr isst nur noch das nötigste und beteiligt sich nicht mehr am Leben. Er blockt jede Nähe ab verstößt die wenigen Leute die er in seinem Leben hatte... er vegetiert eigentlich nur vor sich hin.

Zur Info sollte man wissen, dass er eine Hölle von einem Leben hatte: Seine Eltern haben ihn regelmäßig verprügelt, waren beide Alkoholiker, er hatte nie irgendwas. Sein großer Bruder war der einzige der in seiner Familie für ihn da war. Durch seine Art die sehr zurück gezogen war hatte er nie Kontakt zu anderen. In der Schule war er durch die Verhältnisse daheim nicht wirklich da und wurde viel gehänselt. Nach der Schulzeit ging es mit ihm etwas ber auf, er fand einen Job der ihm Spaß machte und kam daheim raus.

Vor knapp einem halben Jahr kam es dann zu einem kompletten Umbruch: Sein Bruder verstarb bei einem Unfall, durch seine Trauer vernachlässigte er seinen Job und wurde dort rausgeworfen. Seine Eltern machten ihn für den Tod des älteren Sohnes verantwortlich und das in aller Öffentlichkeit.

Wie gesagt er kommt mir "zerbrochen" vor... Deswegen meine Fragen:

1. Kann ein Mensch innerlich wirklich zerbrechen? Wie viel kann ein Mensch ertragen?
2. Hat jemand Erfahrungen mit solchen Personen?
3. Wie kann ich helfen wenn er innerlich schon tot ist?

Ad1.) Ja, kann er, im Sinne von "sich aufgeben". Die Menge des Erträglichen ist individuell verschieden.
Ad2.) Ja, Psychologen.
Ad3.) Verhilf ihm zu professioneller Hilfe. Psychische Probleme durch Laien zu therapieren halte ich für sehr gefährlich.
Ich stell mal einen Beitrag von @Poipoi ein, den er in einem anderen Thread gepostet hat, die Tipps könnten auch dir helfen deinem Freund zu helfen

Ein paar praktische Tipps:
Lass dir von deiner Krankenkasse eine Liste von Therapeuten in deiner Nähe schicken, ein Anruf genügt. Klapper die Liste telefonisch ab, wahrscheinlich haben alle lange Wartelisten. Wenn du einen guten, vertrauenswürdigen Hausarzt hast, schilder ihm dein Problem. Vielleicht kann er dir Empfehlungen geben. Psychiatrische Kliniken haben auch Ambulanzen. Dort kannst du jederzeit ohne Anmeldung hingehen, das kostet nichts. Die Landkreise unterhalten den sog. sozialpsychiatrischen Dienst, eine kostenlose Beratungsstelle im Gesundheitsamt. Dort bekommst du ebenfalls sofort einen Termin.
Von jeglicher Selbstmedikation kann ich nur abraten. Es ist unabdingbar, dass du dir professionelle Hilfe suchst. Versuche mal, dich im Verwandten- oder Freundeskreis umzuhören. Ich war verblüfft, wie viele Leute Erfahrung mit psychischen Problemen und Therapien haben, und habe viele Tipps bekommen.

@Heide_witzka
Danke für deinen Beitrag.

Zu den Tipps: Er WILL sich nicht helfen lassen, er will gar nichts... Gibt es eine Möglichkeit ihn zu einer Therapie zu "zwingen"?

@SaiMen
Zwang ist ein schlechtes Mittel.
Verständnis und Beharrlichkeit sollten eher Erfolge bringen.
Du musst da am Ball bleiben, wenn dir etwas an dem Menschen liegt. Hat er keinerlei Ansprache von "aussen" mehr, sitzt er wahrscheinlich in ein, zwei Jahren im Wohnzimmer und strullt leise seufzend in seine Vorlage, während draussen das Leben an ihn vorbei zieht.

SaiMen schrieb:1. Kann ein Mensch innerlich wirklich zerbrechen? Wie viel kann ein Mensch ertragen?

Ja, man kann innerlich völlig zerbrechen und dummerweise kann ein Mensch sehr viel ertragen!

SaiMen schrieb:2. Hat jemand Erfahrungen mit solchen Personen?

Leider ja, und es ist nicht einfach Menschen zu sehen tagtäglich langsam sterben.

SaiMen schrieb:3. Wie kann ich helfen wenn er innerlich schon tot ist?

Es ist sehr schwer zu helfen wenn sie einem kein Vertrauen entgegenbringen und sich nicht öffnen, deshalb ist eine schnelle Hilfe leider nicht möglich.
Es erfordert viel Geduld und Gespräche auf freundschaftliche Basis.
Deshalb ist es immer Ratsam wenn man dazu eine Therapeuten hinzuzieht.
Man muss ein Zugang zu diesen Menschen finden, das ist bei verschlossenen Menschen nicht so einfach.

Meistens zerbrechen Menschen an Enttäuschungen, und vermeiden deshalb eine Verbindung mit anderen Menschen und nicht wieder enttäuscht zu werden.

Diese laienhafte Hilfe erfordert viel Zeit, Feingefühl und teilweise Verzicht auf Privatleben.
Man muss sie wieder am Leben Teilhaben lassen, in kleinen Schritten.

@Heide_witzka
So ist es jetzt schon, wenn ich ihn nicht besuchen würde würde er sich nicht mehr melden, er sitzt nur noch rum aber er macht nichts es ist als wäre er gar nicht mehr hier. Wenn ich mit ihm rede dann reagiert er schlecht, verwirrt, zusammenhangslos.

Ich probiere immer für ihn da zu sein, aber ich habe den Eindruck als würde er das nicht mal bemerken.

Habe schon überlegt ob ich nicht mal einen Arzt holen sollte der ihn sich mal anschaut... Aber das wäre irgendwie falsch wenn er das nicht will...

@Keysibuna

Hattest du schon Erfolge beim Helfen?

@SaiMen

Es gibt Tage an denen man kleine Erfolge sieht :)
Aber leider sind die Rückfälle häufiger als diese kleine Erfolge.
Aber ich habe noch keinen Menschen verloren, sie sind alle noch, Gott sei Dank, "anwesend".

@Keysibuna
Ich muss aber sagen, dieses nur anwesend sein tut mir sehr sehr weh... Ich rede mir immer ein das es sich ändert... aber man sieht nie etwas davon...

Und gibt es überhaupt eine Hoffnung das er auf lange Sicht gesehen wieder der "Alte" wird?
Kann mir nämlich nur schwer vorstellen das man sein Innerstes wieder komplett fixen kann, das Erlebte, die Erinnerungen bleiben ja ein Leben lang...

Und damit Leben kann man offensichtlich auch nur schlecht...

@Keysibuna

es gibt für den Zustand deines Freundes sogar nen Fachbegriff, fällt mir nur gerade nicht ein, ich kann mich aber nur den anderen anschließen die raten, dass er zum Psychologen sollte. Hast du Kontakt zu noch lebenden Verwandten zu ihm ?

Wenn ja sollten diese mal mit dem Hausarzt von ihm reden um gemeinsam einen Weg zu finden ihn aus seiner eigens gewählten Isolation (Realitätsflucht) zu befreien !

Ob dieser Versuch dann von Erfolg gekrönt ist, steht auf einem weiteren Blatt, kann dich aber gut verstehen, dass du ihn so nicht leiden sehen kannst. Drück dir und auch ihm die Daumen, dass es sich bessert und er wieder in ein aktiveres und lebendigeres Leben zurückfindet !

@SaiMen

SaiMen schrieb:Und gibt es überhaupt eine Hoffnung das er auf lange Sicht gesehen wieder der "Alte" wird?

Nur dann wenn das Erlebte auch verarbeitet und damit abgeschlossen wurde, und das u.u. sehr lange dauern.

@DieSache
Ja es ist ein Hausarzt und ein Psychologe daran beteiligt und mit den noch lebenden Verwandten habe ich auch Kontakt und versuche sie dazu zubringen tatkräftig mitzuhelfen. Was zum teil bis jetzt gut klappt.

Danke wir alle geben uns viel Mühe damit diese Mensch wieder "lebt".

@SaiMen
Klar kann man zerbrechen, du siehst es ja live vor deinen Augen.
Er braucht ne Therapie, aber wenn du sagst, er reagiert auf gar nichts... ist das sehr sehr schwer, kannst du nicht durch irgendwas Zugang zu ihm finden?!
Hat er früher gerne irgendwas gemacht?

Vielleicht kannst du ja mal mit einem Psychologen reden, der könnte dir eventuell Tipps geben, wie man deinen Freund am besten händelt.

also ich bin mit ziemlich sicher, es gibt keinen Punkt, an den man aufeinmal zerbricht. der mensch kann viel aushalten, aber wenn der leidensdruck zu groß ist, trägt er narben davon. dass er jetzt so ist wie beschriben deutet darauf hin, dass er keine motivation mehr hat und kraftlos geworden ist. was er jetzt braucht ist wahrscheinlich bedingungslose hilfe für eine weile (aber wer gibt das schon in unserer gesellschaft?) und ne freundin oder so.

ps. er ist nicht innerlich tot, sondern er braucht kraft.

@lateral

Alles was er früher gerne gemacht hat geht nicht mehr. Früher waren wir einfach grillen haben ein Bierschen getrunken und geredet Stundenlang.

Letztens nehme ich einen einmal Grill und einen Sechser Bier mit zu ihm und habe versucht ihn daran zu erinnern wie schön es früher war aber das einzige was er gemacht hat war sich weggedreht...

Manchmal glaube ich das er die Vorwürfe von früher, also die die seine Eltern nach dem Tod seines Bruders geäußert haben, glaubt und sich schämt obwohl es keinen Grund dazu gibt...

Das mit dem Psychologen kann ich probieren, danke für den Tipp

@Keysibuna
@DieSache

Seine Verwandte sind wie oben zu lesen nicht zu gebrauchen... Er hat niemanden...

Aber vielleicht sollte er sich mit denen aussprechen, habe aber keine Ahnung wie ich das Anstellen soll...

@DieSache

Ich glaube autonome Lethagie heisst das!

Schlimme Sache!

Ich wünsche dir viel Kraft damit fertig zu werden!

Ich kann den Zwiespalt direkt fühlen! Wenn du ihm nicht hilfst wird er dahinvegetieren und sterben, hilfst du ihm aber, indem du ihn zB zur Therapie zwingst, wird er vllt Gesund, du verlierst ihn aber warscheinlich als Freund, weil er anfangs nicht einsehen will das du ihm damit geholfen hast!

Viel Glück

Blöde Gundsituation, wenn man wenigstens verwandt wäre, aber bei nem Freund da gibt zum einen kein Arzt Auskunft und zudem kann man nicht einfach mal so über ihn bestimmen !

Das ist natürlich richtig richtig mies, zumal sein Bruder ihm Halt gegeben hat und nun wird er für dessen tot auch noch verantwortlich gemacht.
Mich würde nicht wundern, wenn er vllt. Suicid-gefährdet ist/werden würde?!

Ich kann natürlich das ganze nur objektiv betrachten.

Das mit dem Grill war ne gute Idee, ... vllt. geh ihm mal ein bisschen auf die Nerven, oder zieh ihn einfach mal mit raus, etwas spazieren, n Kaffee trinken...


Naja joa, ich würde mich da echt iwie an den Hausarzt und dann an nen Psychologen wenden.. Hat ja keinen Sinn.

Um ihn Zwangseinzuweisen müsste er aber ne gefährdung für sich selbst/ andere darstellen :|
So einfach geht das nicht.

@lateral
Ja rausziehen mhm... ich glaube nicht das ihm das gut tut... Ich glaube er denkt das jeder Mensch ihn für verschiedene schlimme Dinge, allen voran dem Tod seines Bruders, verantwortlich machen...

Habe mir schon überlegt ob es nicht gut wäre wenn ich die paar Freunde von damals zusammentrommel und wir zusammen hingehen, damit er sieht das es Menschen gibt die ihn mögen und sich sorgen um ihn machen.

@DieSache
Könnte es klappen wenn ich einen Arzt rufe weil es ihm nicht gut geht und dieser weitere Schritte einleitet?

@SaiMen

SaiMen schrieb:Könnte es klappen wenn ich einen Arzt rufe weil es ihm nicht gut geht und dieser weitere Schritte einleitet?

Ja , das kann er, wenn es dafür genügend Anzeichen gibt, das er ernsthaft gefährdet ist.

Das wovon du redest sind "einfach" starke Depressionen.

Ich hatte selbst ne sauschwere Kindheit, mein Vater war 12 Jahre lang Alkoholiker und mein Bruder konnte (so wie ich eine gewisse Zeit lang) seinen Drokenkomsum nicht regulieren, weshalb er viel Mist baute und jetzt 2000km weit weg wohnt (zum Glück gehts im aber gut).

Mit der Zeit wird einem alles egal, man fühlt sich wie ein junger Pensionist der eh schon alles erledigt hat und dem alle und alles dem Buckel runterrutschen kann und sieht sich permanent in einer "Opferrolle", auch wenn man ansonsten kein "Schisser" oder "weichei" ist.

Jedenfals stauen sich solche Probleme an, und damit man sozial nicht auch noch "absinkt" überspielt man seine miese Laune und niemand würde anfangs nur annährernd denken das es einem schlecht gehen würde...
Wenn das Jahrelang so dahin geht, kann sich schon so eine Art "psychose" entwickeln.

Bin aber auch kein Therapeut, es ist nur ganz wichtig das er einen aufsucht!
Keine Psychloge, sondern einen "Psychotherapeuten". Ich weis nicht wies bei euch aussieht aber hier in Ö ist das super geregelt. Da kann man soger gratis hin falls man nichts verdienen sollte...

Ich kann nur soviel sagen:"Ich hätte es ohne Therapie und ohne medikamentöse Unterstützung nicht geschafft." Bin froh das sowas gibt!

Wenn dein Freud solche Probleme hat würde ihm bestimmt auch eine sechswöchige Reha genehmigt werden.

mfg und viel Erfolg.....

ps: der erste Schritt ist halt wirklich immer der härteste, weil er getan werden muss. Ebenso muss man die Demut aufbringen und zu seinen Fehlern stehen und sie ausbessern.
"Für mich" war das wichtigste, auch wenn einem das Leben noch so "beutel", aus der "Opderrolle" auszutreten, da man in dieser garnichts erreichen kann.

Sobald er sich wieder am Vogelzwitschern und am grün der Wiese erfreuen kann gehts wieder bergauf ;-)