@DeadPoet Erstmal, ja, das Bild war "The White Horse" in Uffington im Oxfordshire, und wird momentan in die Bronze/Eisenzeit datiert, also wohl wirklich keltisch. Aber dennoch eine der perfektesten Beispiele für das, was Kunst vermag.
DeadPoet schrieb: Die Kunst ist im Menschen drin, wie er diese ausdrückt mit welchen Mitteln ist garnicht so wichtig. Aber es gibt schon Kriterien. Wie würdest du sie denn umschreiben?
Ich ich persönlich schwierig zu beantworten.
Kunst nennt man doch das Ergebniss am Ende eines kreativen Prozesses, bzw auch den kreativen Prozess selbst.
Und das ist auch das Problem. Ich male selbst und weiß wie Werke entstehen.
Wie kann man sowas jemandem vermitteln der das nicht macht? Ich bin ja an sich schon ein eher skeptischer Charakter und nur durch diesen Prozesses des Schaffens, bin ich bereit an die Existenz von etwas Metaphysischen zu glauben, weil man es selbst in dem Moment erfährt. Das ist so, als wollte man einem Atheist eine Epiphanie erklären.
Aber ich kanns zumindest mal versuchen zu beschreiben, aber nicht wundern - ich denke das wird von jedem anders empfunden:
Erstmal ist momentan mein bevorzugtes Medium das Aquarell, weil man damit eine unglaubliche Leichtigkeit und Flüchtigkeit eines Moments einfangen kann. Dann habe ich einen Grundgedanken, meistens ein plötzlicher Eindruck der mich innerlich fesselt und beschäftigt. Am Anfang ist vor mir das leere Blatt und man bekommt den Hauch einer Ahnung, warum die Bibel mit ähnlichem beginnt. Dann heißt es erstmal Mut zeigen, aus Wasser und Farbe das Nichts mit Farbe zu erfüllen, erst wohlkalkuliert abzuschätzen, wo das Helle und das Dunkle sein soll. Dadrauf baut man dann auf und langsam, aber sicher, gleitet man immer tiefer in sich selbst hinab. Diesen Prozess nenne ich für mich den "Taumel". Es fühlt sich etwa so an, als fällt man durch sich selbst, bzw so tief in sich hinab das man irgendwo in eine Art Fluss gerät. Das bewusste Denken schaltet sich dabei nahezu ab, es wird ein intuitiv gehandelt wo ein Strich, eine Linie, eine Fläche, filigrane Verästelungen oder dunkle Löcher entstehen, es scheint, als weiss die Hand sowas automatisch. So lange man in diesem Fluss steckt, hat man eine komplett andere Wahrnehmung, vor allem auf die Quelle die Inspiration. Was zB. als der einfache Anblick eines frischen Laubdaches durch das die Sonne scheint begann, wird plötzlich eine Allegorie auf das Leben, man hat auf einmal den Baum vor sich, als Spross, in seiner Blüte, schwer unter farbigen Herbstlaub, als zerstörter Stumpf, man fühlt sich in den Baum, wie es ist den Winter über in sich selbst zurückzugezogen zu sein, wie es im Frühjahr ist, wenn um einen herum m
Millionen Liter Wasser nach oben gepumpt werden und Tonnen von Materie wie aus dem Nichts entstehen, dieses Gefühl im August wenn die Welt ihren Zenit erreicht und alles vor einer völlerischen Übersättigung torkelt, in dieser Völlerei den ersten Hauch der Vergänglichkeit zu erahnen, die Zehen werden zu wurzeln, die Finger zu Ästen, das Haar zu Laub - sowas schießt einem dann durch den Kopf. Das führt zu plötzlichen Schlüsselerlebnissen und fragt sich unweigerlich, ob Monet in seinem Garten in Giverny ähnliches gefühlt hat, nein, man spürt eine absolute Gewissheit und empfindet eine starke Verbindung auf einmal und es öffnet sich in einem wie eine Art Tor, und wenn später vor einem Werk von Monet steht, erinnert man sich an dieses Tor und ahnt plötzlich, wo im Fluss er in dem Moment stand, als er dieses Bild malte. Beim Bild geht der Taumel weiter, die Handlungen werden immer intuitiver und expressiver, es steigert sich nahezu extatisch in die Höhe bis irgendwas in einem auf einmal Stop ruft und dieser Zauber vorbei ist. Es ist ein riesiger Akt an Willenskraft nötig dann wirklich aufzuhören, aber man spürt das man über das Ziel hinausschießen wird. Auf der anderen Seite fühlt man sich ziemlich plötzlich leer, verbraucht und ausgelaugt, diese Art der positiven Erschöpfung, ähnlich wie nach dem Sex. Dann geh ich meistens eine rauchen, mache mir einen Tee oder Kaffee und versuche erstmal wieder runterzukommen. Wenn ich dann wieder auf Normal laufe, schau ich mir das Bild an. Und entweder es schreit nach den Sachen die ich in dem Moment gefühlt habe, oder eben nicht. Danach messe ich dann, ob das Bild was geworden ist oder nicht.
Gibts hier andere Kunstschaffende, die das auch kennen? Man fühlt sich, wenn man sowas preisgibt, immer ein bisschen wie ein Alien :>
Sorry, das ist ziemlich ausgeufert, aber für mich ist das dennoch wichtig, denn für mich ist dass das Hauptkriterium in der Kunst. Das ist für mich auch diese rein subjektive, intuitive und undefinierbare Seite der Kunst, die so unglaublich schwer zu fassen ist, die keinen Regeln gehorcht und wohl gerade deswegen für die abstrakte Kunst so wichtig ist.
Bei den "schönen Künsten", also im Prinzip von den Griechen bis etwa um 1900 rum ist das anders, da gibts Regeln, Vorstellungen, Ansprüche die an die Kunst gestellt wurden, fast immer als Spiegel der aktuellen Gesellschaft. Die Moderne hat all diese Sachen abgeworfen. Es ist wichtig das man den Punkt versteht. Früher war die Bildung des Betrachters genauso wichtig wie das Bild, nur wer die passenden Götter, Allegorien und Personifikationen entschlüsseln konnte, hatte das Verständnis ein Bild zu erfassen, nahezu unabhängig der künstlerischen Leistung. Heute braucht man diese Bildung auch, allerdings nur für die Erkenntnis, dass einem diese Bildung nichts bringt, da etwas völlig Anderes in einem angesprochen werden soll. Was hier so oft als "Geschmack" oder "im Auge des Betrachters" vereinfacht wird, ist in meinen Augen nach die "Chemie" zwischen dem Bild und dem Betrachter. Klar, das Bild muss transportieren können, diese Mittelteilung die der Künstler in dem Moment empfand/dachte, aber genauso muss der Betrachter auch empfangen können, muss mitfühlen, mitdenken, sich überwinden und erfahren. Wenn das alles passt, können Kunstwerke wahre Offenbarungen für einen sein.
Wenn eine solche Verbindung nicht zu stande kommt, heißt das auf keinen Fall dass der Künstler nun schlecht ist. Wenn ich einem Funkloch stehe, dann beschreie ich meinen Mobilfunkanbieter ja auch nicht als Stümper. Auch sowas zu wissen ist wichtig
;) Denn unabhängig vom Geld, wer den Taumel kennt, der kann gar nicht anders als nicht nicht zu malen/ zu schaffen. Das ist wie eine Droge, ein Trieb, ein Instinkt diese Emotionen festzuhalten. Und ich bin der festen Überzeugung, dass dieser Fluss nicht nur auf die Malerei beschränkt ist, jede Kunstform, Skuptur, Architektur, Musik, Literatur, Gesang, Schauspiel, Oper, Theater, Film, Design - einfach alles hängt dadrin.
Von daher kann ich das nur aus dieser Sicht schildern. Wie man Kunst erfährt, als jemand der den Taumel nicht kennt, kann ich mir nicht wirklich vorstellen.