@alle:
Während draussen der Winter zuschlägt und meine Patienten behindert, schlage ich hier zu und tue mein Teil gegen Irr- und Aberglaube und die Karies.
* Trotz Fluorid, 2x jährlichen Kontrolluntersuchungen und verbesserter Mundhygiene leiden 95 Prozent der Deutschen an Zahnerkrankungen
- Kann sein. Die Behauptung ist sehr undifferenziert. "Zahnerkrankungen", was verstehen die Autoren darunter? Alles, was am Zahn schieflaufen kann? Angeborene und/oder erworbene Krankheiten? Berufsbedingte? Unfallbedingte? Systemische Erkrankungen, deren Symptome sich im Zahn-, Mund- und Kieferbereich zeigen? Pauschales "Gewäsch". Weder wenden alle Deutschen auch nur im entferntesten diese drei Minimalangebote, die sie ihrer Zahngesundheit machen könnten, an, noch liessen sich mit konsequenter Anwendung
alle Krankheiten im genannten Bereich vermeiden.
* Zähneputzen alleine bietet keinen ausreichenden Schutz vor Karies
- Stimmt. Weil die Zahnbürste nicht bei allen Menschen überall hinkäme, selbst wenn sie sie optimal verwenden würden ( was sie nicht tun, mal dahingestellt, ob sie ihre Faulheit, Ungeschicklichkeit oder Zahnstellung daran hindern mag ).
* Karies entwickelt sich in erster Linie in den Zahnzwischenräumen und in den Fissuren
- Stimmt insofern, als dass es sich bei diesen Stellen um sogenannte "Prädilektionstellen" für Karies handelt.
* Karies ist heilbar ? ohne Zahnarzt
- Ich wiederhole: nur in ganz bestimmten Anfangsstadien und unter ganz bestimmten Bedingungen. Die Aussage, so generalisiert, wie sie da steht, entspricht nicht der Wahrheit.
* Es gibt keinen wissenschafltichen Beleg, der die prophylaktische Entfernung von Weisheitszähnen rechtfertigt
- Tatsächlich nicht? Gibt es Studien darüber, dass in eine einfache Garage für ein Auto einer bestimmten Grösse nun mal nicht zwei davon gleichzeitig reinpassen und man dann die Tür nicht zukriegt? Manche Dinge sind eben so banal und offensichtlich, dass es dafür keine Studie braucht.
Die Autoren wollen mit dieser geradezu gefährlichen Behauptung natürlich wieder über die Angst der Patienten vor der Entfernung der "8er" Profit machen.
Kein Zahnarzt, der bei Verstand ist, wird einen Zahn, auch keinen Weisheitszahn "einfach so" entfernen. Nicht
jeder Weisheitszahn
muss entfernt werden.
Aber diese Burschen, die wir so als Erbe unserer Vorfahren mit uns rumschleppen, haben nun mal ein paar Eigenschaften, die zu ihrer Unbeliebtheit beitragen.
Da wäre zuerst mal die Sache mit dem Platz. Wenn jeder Mensch ein Kinn wie Schumacher oder Schwarzenegger auf einer Karikatur des MAD-Magazins vor sich herschöbe, hätten wir andere Probleme, als ausgerechnet zuwenig Platz für einen Zahn.
Dann hat Mutter Natur für die "8er" ein besonders beträchtliches Sortiment an Formen bereit. Vom ganz "normalen" Zahn bis hin zu extremen Formen: winzig klein und für keine Kautätigkeit brauchbar oder riesengroß und genauso unbrauchbar. Eine gerade Wurzel oder dürfen´s deren vier oder fünf sein, wie die Mütze eines Lappländers? Hakenförmig? Da gibt´s Dinger, die spotten jeder Beschreibung.
Bleibt so ein Zahn im "ewigen Durchbruch" stecken, stellt er ein beachtliches Risiko dar.
Die völlig unkontrollierbare Zahnfleischtasche, sozusagen der Raum unter der Kapuze kann sich jederzeit entzünden. Bevorzugte Zeiten: nachts, am Wochenende, vor wichtigen Prüfungen und davon, dass ihm das in Afrika oder sonstwo in der Welt passiert, möchte niemand auch nur träumen.
Im Kieferwinkel gelegen schwächt der Zahn den ohnehin dort dünnen Kieferknochen erheblich. Ein leichter Schlag im richtigen Winkel, der von aussen nichtmal ein Hämatom hinterlässt kann zum Kieferbruch führen. Das ist dann eine komplizierte Fraktur mit Fremdkörper im Bruchspalt. Willkommen in der stationären Abteilung der nächstgelegenen Kieferklinik. Kein trockenes Lehrbuchwissen, das hatte ich hier schon selbst auf dem Röntgenbild.
Diese ganze Problematik mit der gesunden Abwehr der Jugend und des mittleren Alters in den Lebensabend verschleppt, macht dann erst richtig Spass....
Also gilt für Weisheitszähne:
Beobachten und wenn abzusehen ist, dass sie nicht gebraucht werden ( verliert z. B. ein Patient im jugendlichen Alter einen Backenzahn, kann die Lücke durch den Kieferorthopäden oft ohne Probleme geschlossen werden, wenn ein brauchbarer Wiesheitszahn vorhanden ist, den man vorziehen kann ), keine sinnvollen Zähne sind oder keinen Platz haben, dann raus damit. Das langfristige Risiko ist höher, als das OP-Risiko.
* Weisheitszähne können keine Frontzähne verschieben
- Das ist gefährlicher Blödsinn.
* Zahnerkrankungen sind vollständig vermeidbar
- Wie oben schon erklärt, ist "Zahnerkrankungen" ein Wischi-Waschi-Begriff und nicht alle sind für den Patienten vermeidbar, auch nicht bei noch so viel Mühe.
* Eine professionelle Zahnreinigung ist keine Karies-Prophylaxe
- Stimmt. Sie
ist nicht die Karies- ( und Parodontitis- ) prophylaxe, sie stellt
einen Teil davon dar. Es glaube doch bitte Keiner, dass eine gründliche Reinigung einmal oder zweimal im Jahr irgendwen vor Karies bewahrt. Die restlichen 363 Tage im Jahr bitte selber putzen. Es erwartet ja auch Keiner, dass der Besuch beim TÜV für zwei Jahre vor jeglichem Schaden am Auto bewahrt, oder?
* Weißmacherzahncremes und Bleachings sind durch ihre abrasive bzw. demineralisierende Wirkung schädlich - besonders für kranke Zähne
Das stimmt, ohne Wenn und Aber.
MfG
Dew