@mystery90 :
Danke für die nette Begrüßung in Deinem thread. Wie schon "angedroht", ich arbeite mich da systematisch durch, da ich selbsternannte "Heilsbringer", als die ich die Autoren der Bücher einschätze, verabscheue, gleichzeitig meinen Beruf liebe und sehr engagiert ausübe.
Was mich zeitlich etwas einschränkt, aber ich denke, es ist kein Abgabetermin festgelegt.
Du und alle anderen Interessierten werden hier also in der nächsten Zeit öfters von mir lesen.
Hier war ich stehengeblieben:
Dew schrieb:* Sekundärkaries ( d. i. Karies, die an Füllungs- oder Kronenrändern ihren Ursprung hat ) hat verschiedene Ursachen, eine "heillose Zahnmedizin" ( was immer das sein mag ) gehört nicht dazu. Die Zahnmedizin an sich ist schwierig, aber nicht heillos, bei den Ausübenden sind allerdings durchaus Zweifel erlaubt.
Zu den Ausübenden der Zahnheilkunde wird man ein paar Worte verlieren müssen, wenn man sich über die Ausführung ihrer Arbeit Gedanken macht. Denn nicht in der Idee, die hinter einer Füllung oder Krone zur Reparatur eines Defektes steht, liegt zwangsläufig die Ursache des Misserfolgs. Sondern oftmals in der Ausführung.
Wenn man mit dem Studium der Zahnmedizin beginnt, begegnet man seinen zukünftigen Kollegen und schnell fragt man sich,
warum die Zahnarzt werden wollen. Nicht, wie Ihr jetzt denkt. Geld, Mamas oder Papas Praxis übernehmen, Prestige etc.
Meine Frage zielt darauf ab, dass mir nicht klar ist, wie viele Kolleginnen und Kollegen auf die Idee kommen konnten, dass sie in der Lage wären, den Job auch auszuüben. In den praktischen Kursen zu Beginn des Studiums gewinnt man den Eindruck, dass mancher stud. med. dent. außer Messer und Gabel in seinem Leben noch nie ein Werkzeug in den ( beiden linken? ) Händen hatte. Die junge, hübsche Kollegin mit dem Abischnitt unter 1 ist hier das eine Ende des Spektrums. Der Zahntechniker mit abgeschlossener Berufsausbildung stellt das andere Ende dar. Die bis dahin erfolgreiche Schulabgängerin ( die Mamas Praxis übernehmen möchte ) sieht sich oft recht schnell von der seelenlosen Technik gemein in die Fingerchen gepiekt und gnadenlos mit dem Rücken an die Wand gestellt. Fast genausoschnell sieht sie aber, wer es "drauf" hat. Mit der Begründung, die ich in der Studienzeit oft gehört habe: "Warum muss ich das machen, das macht doch später der Zahntechniker ( in Gedanken: Zahntech
nigger )!?" schleicht sie süss´ lächelnd von einem Kollegen zum nächsten und bittet um Hilfe, da sie genau
diesen Dreh mit dem Draht oder was auch immer nicht hinkriegt. Man freut sich, wenn man helfen kann und flug´s ist aus fünf "geholfen" von verschiedenen Kollegen ein "gemacht" entstanden, also ein testierfähiges Werkstück... Das männliche Pendant zu dieser Extremform tut sich generell etwas schwerer.
Ich werde nie vergessen, wie meine Arbeitsplatznachbarin im praktischen Teil der kieferorthopädischen Prüfung im Staatsexamen ( ! ) wohlgefällig ihr Werkstück betrachtete und sich zu ihrem Talent beglückwünschte. Nur Sekunden später ertönte neben mir das charakteristische scharfe Schnappen, das entsteht, wenn ein Saitenschneider einen federharten Stahldraht durchbeisst. Betretene Stille. "Oh, die Kramponzange hat ja auch eine Saitenschneiderfunktion..." Um das zu entdecken, hatte sie über fünf Jahre gebraucht.
Ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, denen ich hiermit Unrecht getan habe, um Verzeihung. Viele von Euch haben sich mit ehrlichem Interesse den praktischen Kursen gestellt und sie ehrlich bestanden. Diese Extremform ist aber häufiger als man denkt. Das steht aber nicht draussen am Praxisschild. Im Prinzip muss man sich nur vor Augen halten, welchen Hobbies Jungen und Mädchen im Heranwachsen nachgehen. Es ist nun mal so, dass die handwerklich-technische Seite noch immer von den Jungs bevorzugt wird. Diesen ggfs. vorhandenen Vorsprung später aufzuholen, ist schwer und gelingt selten.
Die Kollegin hat übrigens das bei der letzten Korrektur durch zart-talentierte Frauenhand zerstörte Werkstück irgendwie nochmal gemacht und nachher im theoretischen Teil brilliert, wo ich, der ich auf Lücke gelernt hatte, durchfiel. Nur um der Wahrheit die Ehre zu geben.
Das "andere Ende" des Spektrums hat´s auch nicht leicht. Man geht zwar durch die praktischen Kurse, wie das berühmte heisse Messer durch die Butter, aber der wissenschaftliche Teil nervt den gestandenen Handwerker schon. Dabei ist er so bitter nötig, denn das Handwerk alleine bringt´s auch nicht. Sonst bleibt er "Zahnklempner".
Die wunderbarst geschichtete Füllung mit dem dichtesten Rand der Welt bringt den Zahn zuverlässig um die Ecke, wenn der Werkstoff nicht stimmt oder nicht entsprechend seiner Eigenschaften verarbeitet wird. Physik. Toxikologie. Anatomie.
Die zielsicherst gesetzte Betäubung wird nicht wirken, wenn der Nerv im Zahn schon entzündet ist oder das ganze Umfeld des Zahnes. Physiologie, Pathologie.
Die Wunde von der Extraktion eines sanft und vollständig entfernten Zahnes wird nicht aufhören zu bluten oder das zumindest sehr lange tun, wenn der Patient irgendwelche Medikamente nimmt, die man nicht beachtet oder z. B. die Leber nicht gesund ist oder der immunsupprimierte Patient mit der Spenderniere kann schon durch eine "einfache" Zahnsteinentfernung massive Probleme kriegen. Allgemeinmedizin.
U.s.w., u.s.w.,....
Der ideale Zahnarzt wäre also jemand der eine handwerklich-technische Ausbildung hinter sich hat und dann die Liebe zur Wissenschaft entdeckte. Der Ex-Zahntechniker hat´s natürlich am nächsten zum neuen Berufsfeld, aber auch Hörgeräteakustiker, Feinwerkbauer, Uhrmacher etc. wären prädestiniert. Meinetwegen auch engagierte Hobbymodellbauer, eben Leute mit Hang zur Präzision.
Und, wie schon Hippokrates es vormachte, ein bisschen Detektiv sollte in jedem diagnostisch tätigen Arzt stecken. Manchmal ist es ein Wort in der Anamnese, eine Handbewegung beim Zeigen der schmerzenden Stelle, ein Geruch, eine Verfärbung, ein Geräusch, was einen auf die Spur bringt.
Ganz schön weit ab von der "Sekundärkaries" , was? Sieht zumindest so aus. Aber fragt Euch doch mal, wieviele Leute diese Fähigkeiten in Kombination haben. Oder bereit sind, sie sich anzueignen, weil sie erkennen, dass sie sie brauchen. Wieviele Zahnärzte?
Egal, wie der Prozentsatz aussehen mag, es sind zu wenige. Aber das steht auch nicht auf dem Praxisschild.
Das sind also die Leute und ein paar von den Herausforderungen, denen sie täglich gegenüber stehen. Von den "Abzockern", die es natürlich auch gibt und denen wir das Misstrauen unserer Patienten und die rigorose Überwachung durch die Krankenversicherungsträger zu verdanken haben, wird noch zu reden sein. Der angegebene Prozentsatz an "Abzockern" erscheint mir zu hoch.
Die Gut
willigen machen schon genug Schaden. Und das nicht aus Bosheit, sondern großenteils aus Mangel an Wissen und Fähigkeiten.
Und letztendlich sind auch die wenigen wirklich guten und bemühten Zahnärzte
Menschen, die nicht vor Misslingen oder auch Fehlern ( man beachte den Unterschied! ), gefeit sind.
Womit wir wieder bei der Sekundärkaries wären. Und dem Anteil an Sekundärkaries, den die Zahnärzte zu
verantworten haben. Ich würde ihn bei etwas 50% ansiedeln. Keine statistische Grundlage. Schätzung aufgrund eigener Beobachtung.
Der andere Teil liegt bei demjenigen, der die Füllungen, Kronen etc. bekommt, trägt, benutzt und pflegt. Hier müssen wir unterscheiden zwischen dem Verhalten der Patienten, was oft zu wünschen übrig lässt. Pflege heisst das Zauberwort, weiter oben haben wir gelernt, wie Karies entsteht.
Übrigens geben ja auch die Autoren des o. g. Buches Verhaltensmaßregeln, also sind wir da mal garnicht so weit von der Realität weg. Mach´dies und das, dann musst Du nie zum Zahnarzt. Wer dann damit baden geht, hat die Heilslehren eben nicht befolgt.
Und nach der Pflege kommt dann die "Wartung" des Gebisses. Unser Gebiss ist 24 h am Tag im Einsatz. Jedem Autofahrer ist klar, dass Waschen alleine nicht genügt um das Vehikel in Schuss zu halten. Es verschleisst durch Benutzung.
Nichts anderes passiert mit Zähnen, Füllungen und Kronen. Ein Materialausbruch am Rand einer Füllung ist kein Drama. Die Füllung kann ohne nennenswerten, im Idealfall ganz ohne Zahnhartsubstanzverlust ersetzt werden, wenn.....ja, wenn der Schaden rechtzeitig bemerkt wird. Bei der regelmässigen Kontrolle. Unterbleibt die, greift die Karies wieder an.
Und, oh Schande, wir werden nicht nur jeden Tag ein bisschen klüger, wir altern. Unsere Ausrüstung, wie von Mutter Natur geliefert, mit der entsprechenden Serienstreuung, soll evolutionsgeschichtlich betrachtet etwa 35 - 40 Jahre halten. Schaut Euch mal archäologische Funde an, wie abgekaut die Zähne der Altvorderen waren. Vor der Erfindung des Mühlsteins, denn dessen Abrieb brachte noch ganz andere Abrasion ins Spiel.
Finger hoch, wer hier ist älter? Wer möchte noch älter werden? Wie alt?
Die sogenannte Altersinvolution baut uns Stück für Stück ab. So kommt es, dass an Zähnen Areale freigelegt werden, die dafür garnicht gedacht sind. Füllungs- und Kronenränder, selbst wenn gut gemacht liegen frei und können durch Materialauswaschung des angernzenden Zahnes wieder unterkrochen werden. Persönliche genetische Disposition, Rauchen, Alkohol, allgemeinmedizinische Probleme können diese Abläufe beschleunigen. Wer einen Oldtimer im Alltagsbetrieb benutzen will, muss deutlich mehr dafür tun, sonst fällt ihn die Kiste auseinander.
Der Prozess geht für den Patienten trügerisch langsam. Bis Probleme auftreten, die ihn dann doch zum Zahnarzt treiben. Oft zu spät. Ich vermisse im reisserischen Aufmacher Hinweise auf die Grenzen des biologischen Systems Mensch. Im Grunde kann der versprochene Erfolg nur ein zeitlich begrenzter sein. Irgendwo zwischen 25 und 40 Jahren.
Auf Schäden durch Fehl- und Überbelastungen der Zähne, bedingt durch Fehlstellungen oder z. B. stressbedingtes Knirschen, die der Patient weder einschätzen, noch selbst behandeln kann, geht das Buch offenbar garnicht ein.
Ist jetzt doch ´ne ganze Menge geworden...
Ich mach´ Schluss für heute und wünsche ein schönes Wochenende. Zähneputzen nicht vergessen...
MfG
Dew