http://www.diercke.de/kartenansicht.xtp?artId=978-3-14-100760-2&stichwort=Geburtenrate&fs=1Bevölkerungswachstum
Die Weltkarte gibt einen Überblick über die unterschiedliche Intensität des biologischen Bevölkerungswachstums in den verschiedenen Staaten und Regionen der Erde. Die Faktoren Geburten- und Sterberate, aus deren Saldo sich die natürliche Bevölkerungsentwicklung ergibt, sind in Gruppen unterteilt, was eine Typisierung erleichtert.
Natürliche Bevölkerungsentwicklung und Migration
Auffällig ist die Diskrepanz zwischen den Industrieländern mit niedrigen Geburten- und Sterberaten und den Entwicklungsländern mit hohen Geburten- und Sterberaten. In den Industrieländern liegen beide Raten dicht beieinander. Aus diesem Grund ergibt sich entweder nur ein geringen Bevölkerungsanstieg oder eine Stagnation, teilweise sogar ein Rückgang der Bevölkerungszahl. Letzteres trifft unter anderem auf Deutschland zu, wo die Sterberate vor allem aufgrund der verbesserten medizinischen Versorgung zwar gesunken ist, die Geburtenrate aber noch stärker fällt. In den Entwicklungsländern, in denen die Zahl der Geburten deutlich die der Sterbefälle übersteigt, ist das Wachstum hingegen relativ stark. Die für die Entwicklungsländer dargestellte Bevölkerungsentwicklung wird auf dem afrikanischen Kontinent am deutlichsten sichtbar (vgl. 190.1, Nigeria).
Die eingedruckten Zahlen, die das jährliche Wachstum eines Staates wiedergeben, schließen die internationalen Wanderungen ein. Dabei sind Migrationen aus wirtschaftsschwachen in wirtschaftsstärkere Gebiete und Flüchtlingsbewegungen, die häufig jedoch temporär sind, hervorzuheben (vgl. 187.3). In einzelnen Industrieländern wie Schweden bestimmt die Migration das Bevölkerungswachstum stärker als das natürliche Wachstum. Ansonsten wird die mittel- bis längerfristige Bevölkerungsentwicklung eines Staates überwiegend von der Entwicklung der Geburten- und Sterbeziffern getragen. Die Zahlen vermitteln ein Bild, wie räumlich unterschiedlich eine Bevölkerung absolut wächst und welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Handlungsnotwendigkeiten sich daraus ergeben.
Modell des demographischen Übergangs
Als Erklärung für die regional unterschiedliche Bevölkerungsentwicklung wird häufig das Modell des demographischen Übergangs herangezogen, das auf der Abhängigkeit zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und generativem Verhalten der Bevölkerung eines Staates basiert. Dabei ist zu beachten, dass dieses Modell nur den Ablauf einer Bevölkerungsentwicklung darstellt, aber nichts über die Verweildauer des einzelnen Staates in einem bestimmten Stadium aussagt.
Der agrarischen Gesellschaft mit schwankenden Geburten- und Sterbeziffern als Ausgangspunkt folgt nach diesem Modell eine Phase mit gleichbleibend hoher Geburten-, aber schnell fallender Sterberate. Hervorgerufen wird diese "frühtransformative Phase" durch leichte Verbesserungen in den Bereichen Ernährung, Gesundheit und Hygiene in Verbindung mit einem schwachen industriellen Entwicklungssatz und durch das tradierte generative Verhalten.
Die sich hieran anschließende "mitteltransformative Phase", auch als Phase des demographischen Übergangs bezeichnet, ist durch einen leichten Rückgang der Geburtenziffern sowie ein weiteres Absinken der Sterbeziffern charakterisiert. Die wachsende Industrialisierung bewirkt ein Aufweichen des traditionellen Verhaltensmusters.
In der vierten Phase, der "spättransformativen Phase", kommt der demographische Übergang zum Abschluss. Die abschließende "posttransformative Phase", in der sich die modernen Industrienationen befinden, wird von einer niedrigeren Geburten- und Sterbeziffer geprägt. Sie geht einher mit einem hohen Lebensstandard und starken sozialen und wirtschaftlichen Sicherungen.
Von vielen Wissenschaftlern wird im Zusammenhang mit der demographischen Entwicklung das Problem des Nahrungsspielraums beziehungsweise der Ertragsfähigkeit der Erde problematisiert. Nach dem letzten Welternährungsbericht der Vereinten Nationen wäre die Menschheit schon auf dem heutigen Entwicklungsstand der Produktivkräfte in der Lage, mehr als das doppelte der gegenwärtigen Weltbevölkerung zu ernähren. Das Problem ist demnach weniger eines des objektiven Mangels als vielmehr das einer extrem ungleichen Verteilung und des Zugangs zu Nahrungsmitteln.
H.-J. Kolb