OstapBender
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Denkanreiz
09.07.2009 um 03:59Versuch...
"Habe nun, ach! Philosophie, // Juristerei und Medizin, // Und leider auch Theologie! // Durchaus studiert, mit heißem Bemühn. // Da steh ich nun, ich armer Tor! // Und bin so klug als wie zuvor."
Was wusste Goethe schon? Ich habe ach studiert und fühle mich so klug als wie zuvor. Da stehe ich nun an der Kante, die alles entscheiden sollte. Wie war es soweit gekommen, was war geschehen, wie bin ich abgekommen von meinem rechten Pfad, der mein ganzes bisheriges Leben bestimmte?
Wollen wir da beginnen wo alles seinen Anfang nahm. Mein Abitur hervorragend, aus diesem Grunde ging ich an die anerkannteste Uni, die mich mit offenen Armen empfing. Kein Zivi, natürlich nicht, ich war ja nicht so blöd gewesen, nicht ausgemustert zu werden, dann natürlich noch die obligatorische Empfehlung meines Direktors für die Studienstiftung. So eine herausragende Persönlichkeit, so reif für seine Jugend, viel Engagement und dann noch exzellente Leistungen in der Schule.
Ja das Engagement, soft skills, das ist heute das Zauberwort, soft skills, welch ein Ausdruck, welch eine Verballhornung des ursprünglich doch so ideellen Ausdruckes der Sozialkompetenz und des sozialen Engagements. Auf jeden Fall war ich in der 10. Klasse zu den Jungliberalen gegangen und habe dort eine steile Karriere hingelegt. Am Wochenende auf Parteikongressen, unter der Woche Podiumsdiskussionen und ähnliche Aktivitäten an der Schule organisieren und seinen Tätigkeiten als Schülersprecher gerecht werden.
In dieser Rolle verstand ich es sowohl die Schüler als auch die Lehrer für mich zu gewinnen, everyones darling, ohne wirklich Kontur zu zeigen. Jedwede Klippen an denen dieses, mein Boot, mein Vehikel durch das Leben zu Kentern drohte, umsegelte ich geschickt, sodass ich als einer der engagiertesten Schüler in die Annalen meiner Schule einging…Mir wurde sogar eine ganze extra Seite sowohl in der Abiturzeitung, als auch im Jahrbuch der Schule gewidmet.
Was meine Parteikarriere anging, so hatte ich es zum Landesvorsitzenden der Jung Liberalen gebracht und hatte Kontakte zu dem, was man die Elite des Landes nennt.
Bis zur zehnten Klasse war ich zwar ein guter aber unauffälliger Schüler der gelegentlich Sport trieb, viel Computer spielte und nicht so recht wusste, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Aber dann hörte ich von der Wichtigkeit der Social Skills in der heutigen Berufswelt und erfuhr durch mein Berufspraktikum bei einer Unternehmensberatung, wie wichtig es war sich verkaufen zu können und dass es Zeit war die Karriere vorzubereiten. Dann war es vorbei; kein Computerspiel mehr sondern Lektüre des Parteiprogrammes und die Besäufnisse mit meinen alten Freunden wurden ausgetauscht durch gesellige Abende mit Parteigenossen, bei denen die Flasche zwar genauso kreiste; aber es war ja zu einem guten Zweck.
Dann das Abitur, als Landesvorsitzender der Jung Liberalen, als Leiter einer Rhetorik AG und als Schülersprecher, den niemand so schnell vergessen würde. Natürlich, das verstand sich ja fast von selbst, gewann ich den Scheffelpreis und dann noch einen Preis für meine herausragenden Leistungen im Fach Wirtschaft, das mich mehr ob meiner Berufschancen, als der Thematik an sich interessierte. Meine Pubertät war vergangen und ich hatte mich zu einem erfolgreichen und gutaussehenden Mann entwickelt, der in einem Fitnessstudio gestählten Körper stets mit Anzug, oder doch mindestens im Polohemd durch die Welt ging und von vielen Frauen angehimmelt wurde. Doch umzugehen mit dieser Bewunderung verstand ich es nicht, wenn es darum ging zu reden, so gewann ich ganze Heerscharen für meine Sache, aber wenn es darum ging mit einer Frau zu sprechen und sie zu verführen, so versagte ich. Ich verstehe Frauen und die gesamte Gefühlswelt einfach nicht. Tzz Gefühle, was für ein Ausdruck, was für ein Pathos, der bei diesen Worten mitschwingt…Dreck einfach nur Dreck, dachte ich mir, es ist doch so einfach, entweder man schläft miteinander oder nicht, aber etwas anderes gab es für mich nicht.
Irgendwann nach dem Abitur, die Uni war leicht zu bewältigen, das lief wie von selbst, gelang es mir dann auch eine total Betrunken und deshalb willige Frau für mich zu gewinnen heißt sie zu verführen und mit ihr zu schlafen. Das war auf einem dieser berüchtigten Erstiwochenenden….Ich war natürlich in der Fachschaft und die Erstsemestler naiv wie sie waren, waren für einen halbwegs gut aussehenden Mann leichte Beute, da sie ab dem 3.Bier zu allem, wirklich allem bereit waren. Diese Evidenz erlaubte es mir mehrere Affären über die Jahre zu beginnen und auch wieder zu beenden..mir lag nichts an ihnen, wie eine Trophäe trug ich die Namen in meinem Gedächtnis um sie jedem zu präsentieren der danach fragte. Inzwischen saß ich im Unisenat und war auch in der Parteihierarchie aufgestiegen. Inzwischen agierte ich auf Landesebene der FDP, organisierte wieder Podiumsdiskussionen, diesmal in der Uni und mischte kräftig mit.
Fachschaft war klasse immer Frischfleisch Parties und wieder ein Pluspunkt auf meinem Social Skill Konto. Mein Studium zog ich natürlich in Mindestzeit durch, machte ein Auslandssemester in Harvard und hatte drei Jahre nach meinem Abitur mit 21 Jahren meinen Bachelor mit der Note 1,0 abgeschlossen und in der Tasche. Sicherlich ein bisschen geschummelt hatte auch ich gelegentlich eine Nase Koks oder eine Dosis Ritalin, um den alten Denkkasten aufzupeppen, das war doch ganz normal. Aber niemals Kontrollverlust! Niemals! Immer leistungsbereit, als Fels in der Brandung stehen und sich niemals vom Strom treiben lassen. Das hatte ich in der zehnten Klasse bei der Unternehmensberatung gelernt.
Meinen Master machte ich bei Goldman Sachs im Bereich der Risikobewertung, natürlich summa cum laude und schloss meinen ersten Big Deal ab, bei dem ich eine Summe verdiente, die für den Rest meines Lebens ausgereicht hätte. Aber ich wollte mehr. Immer mehr nur mehr mehr mehr.
Freitagabends dann in den Klub, nach einem zwölf Stunden Tag in der Skyline Frankfurts, diesem kalten, sterilen und für mich wunderschönen Ort; der Geburtsstätte des Schmiermittels unserer Wirtschaft, das wir Geld nennen. Diese Tempel, errichtet um unserem Gott der Börse und dem Geldhimmel zu huldigen.
Ab in den Place to be! Meine Kollegen holen mich ab, und wir ziehen in unseren Anzügen aus um die Nacht zum Tag zu machen. Natürlich nicht anstehen wie der Pöbel, sondern als sehr wichtige Persönlichkeiten die Türsteher grüßend hinein in diese Schlachterei, das Fest ist angerichtet, Tische sind natürlich reserviert, wir überblicken die gesamte Tanzfläche. Eine Flasche des bestens Champagners des Hauses und dann noch eine Flasche Grey Goose auf Kosten des Hauses, natürlich mit einem entsprechenden Mischgetränk.
Analyse der Lage, sachlich kalt und gut. Die Körper räkeln sich zum dumpfen Dröhnen aus den Boxen, ich bin gut drauf und werde heute Abend nicht allein nach Hause gehen. Niemals, diese Zeiten sind vorbei. Also suche ich mir eine aus, sie hat anscheinend schon jemanden gefunden, aber nichts Ernstes. Dann Standardvorgehen, erst auschecken, wo sie sitzt, dann ein bisschen warmtanzen, erste laszive Blicke tauschen, dann eine Flasche Champagner an den Tisch, mit dem Hinweis des Kellners wer der Spender ist; dann, es ist schon spät, an ihren Tisch; darf ich zum Tanz bitten. Dj spielt mein Lied; der Kerl der mit ihr am Tisch sitzt kocht innerlich. Ich gehe in die Vollen, eng umschlungen auf der Tanzfläche gehe ich ans Eingemachte. Jetzt wird gespeist!
Er kommt auf mich zu. Wutentbrannt reißt er die Frau aus meinen Armen und schubst mich von sich. Was er nicht weiß, ich bin gut trainiert. Das wird ein Spaß. Er:“ Du dreckiges Schwein dir werde ich es zeigen“ Der erste Schlag; Ausfallschritt, Schlag meinerseits in die Magengrube; ich will noch spielen. Er kann es nicht lassen kommt nochmal, will mir ins Gesicht schlagen. Antwort erster Schlag ins Gesicht, nichts wildes wenn er jetzt aufhört. Er kann nicht, würde sein Gesicht verlieren. Er zerschlägt eine Flasche, jetzt muss ich fertig machen; kommt auf mich zu; Adrenalin, genau das richtige zur Abrundung des Abends, abgewehrt Arm fixiert, Nummer eins, meine Knöchel dringen mit ungeheurer Wucht in sein Fleisch ein, die Nase zerborsten, zerschmettert; Nummer zwei zur Sicherheit nochmal mitten ins Gesicht und schließlich Abschluss: Kurz überlege ich; Knie in Gesicht oder am Boden fixieren?; am Boden fixieren, die Dame erwartet einen Mann in tadellosem Anzug, also Arm auf Rücken; Polizeigriff, er auf dem Boden und unschädlich. Die Türsteher eilen herbei ich übergebe ihn…sie werden ihn noch ein bisschen bearbeiten, ein zwei Schläge in die Magengrube, die keiner sieht, bevor er der Polizei übergeben wird.
Die Frau liegt weinend in meinen Armen…“Das hätte ich nicht von ihm erwartet…“ dann Taxi nach Hause und schon eine Stunde nach dieser kleinen Aufregung liegen wir zwei übereinander, eng umschlungen in meinem Penthouse-Loft; leidenschaftlich, wild, aufregend und dann la petite morte. Sie wird sagen, was für ein guter Liebhaber, wenn sie gefragt wird und ich habe eine weitere Trophöe an meiner gedanklichen Wand.
Am nächsten morgen zunächst betretenes Schweigen, meine Hände schmerzen ein wenig, die Lederhandschuhe müssen gereinigt werden. Sie „Es war wunderschön“ ich „wie du mein Schatz“ dann noch eine Runde, bevor ich sie mit einem Taxi nach Hause schicke “Werde ich dich wiedersehen?“.
Ein Samstag voller Möglichkeiten. Ich habe nichts zu tun. Nichts. Meine Wohnung, vorher farbenfroh erscheint mir grau und trist. Kontrollverlust? Niemals. Ich schaue in den Spiegel. Auf der anderen Seite ein Mann Ende zwanzig, muskulös gebaut und eine andere Welt. Das Gesicht klar gezeichnet, tadellose Haut, Akne habe ich noch nie gehabt.
Dann die Augen stahlblau, tief und klar ein Blick den viele fürchteten, ob seiner sezierenden ja geradezu durchdringenden Art. Eingebettet waren diese Augen in ein nahezu perfektes Gesicht, dem man ansah, dass dessen Träger noch nie richtig gearbeitet hatte. Statt tiefer Furchen leichte Grübchen, eine kerzengerade wohlproportionierte Nase. Nichts an meinen Zügen verriet, was ich dachte. Still und tief. Zumindest mein Äußeres.
Das sagte nicht ich, wenngleich ich doch gelegentlich zu etwas Narzissmus neigte, das sagten meine Trophäen bevor sie erfuhren, dass sie bereits passé waren.
Erinnerungen kommen hoch, schon früher stand ich so vor dem Spiegel und stellte mir vor, was in dieser anderen Welt passiert, in der ich vielleicht nicht leisten muss. Was macht er da drüben. Will er auch immer mehr; mehr und immer mehr. Kontrollverlust? Niemals! Ich gehe schnell weg von diesem Spiegel; sie hatten mich gewarnt vor diesen Momenten, damals in der Unternehmensberatung. Niemals. Ich doch nicht. Nicht Jonathan Meier! Nicht ich!
Die Partie Squash mit meinem Kollegen brachte mich auf andere Gedanken. Mensch Jonathan, da haste gestern ja richtig Glück gehabt. Der ist ja wie ein Verrückter auf dich losgegangen und du, woher kannst du sowas? Ich meine dich so verteidigen, faszinierend, diese Reflexe.
Ich merkte, er hatte nichts verstanden. Ich war es doch gewesen, der ihn herausgefordert hatte, es war mir von Anfang an klar, dass dieser Typ ausrasten würde. Und dann die kleinen Sticheleien, die ich unterschwellig den ganzen Abend folgen ließ; dieser Typ, der jetzt auf der Intensivstation lag, die Türsteher hatten auch für meinen Geschmack ein bisschen übertrieben, war eigentlich das richtige Opfer gewesen.
Was war eigentlich mit der Kleinen, bohrt der Kollege weiter ein vielsagendes Lächeln meinerseits klärt die Lage. Die Menschliche Kultur beruht auf Triebverzicht und Arbeitszwang hat Sigmund Freud einmal gesagt und mein Kollege ist einfach die Inkarnation des Triebverzichtes und des Arbeitszwangs. Immer adrett und höflich natürlich, ein Saubermann mit Frau und Kindern. Verklemmt? Ein bisschen immer seine Triebe unter Kontrolle, niemals Ausbruch, niemals hinausfallen aus dem Muster. Ehe auf Routine basierend, denn auf Leidenschaft.
Die Frau, eine Schönheit, Affären? Gelegentlich, also beide, wie ich schon am eigenen Leib erfahren durfte.
Squash wird zur Schlägerei, in jeden Schlag lege ich meine ganze Kraft, Adrenalin durchpumpt meine Venen, einen Moment bin ich nur noch die Bewegung, ich gehe in ihr auf, vergesse mich.
Nach 2 Stunden sind wir beiden vollkommen erschöpft und gehen in die Umkleide. Ich hasse Gruppenduschen. Immer diese Blicke, dieser unangenehm dreckige Boden, einfach alles. Aber ich habe ja nichts zu verbergen. Mein Astralkörper sieht gut aus, im Vergleich zum Durchschnittsaussehen, das mein Kollege an den Tag legt.
Für einen Moment verliere ich mich in den sich bildenden Schaumstrudeln am Boden, so eine Vielfalt an Mustern und Wegen, jedes ein Universum, das kommt und wieder vergeht. Was ist mit mir los?
Diese philosophischen Einschübe, Dreck.. wer rastet, rostet, Philosophen rasten, also rosten sie. Eine Evidenz.
Dann der Abschied, soll ich dich mitnehmen fragt mein Kollege, ich winke ab? Danke ich nehme die U-Bahn. Also wirklich was ist mit mir los? Die U-Bahn, dieser Konvoi von stinkendem, pöbelndem und sabbernden Volk. Naja ich weiß auch nicht so recht warum ich dies tue, aber ich lauf wie ferngesteuert zum Ticketautomaten ziehe ein Ticket, wie früher.
Haste mal ein Euro? Fragt mich eine finstere Gestalt, die es sich gerade am Boden bequem macht. Ich lege einen fünf Euro Schein in seinen Hut er bedankt sich. Ein Leuchten geht durch seine Augen. Was ist bloß mit mir los?
Die U-Bahn Fahrt stinkend, stickig und eng. Warum nur habe ich das gemacht? Ich weiß es nicht.
Jetzt in die hauseigene Sauna und alles wird gut denke ich mir.
Die Sauna tut gut. Wärme steigt in mir auf, ich fange an zu schwitzen. Ich schließe die Augen.
Ein Gesicht starrt mich an. Ich kenne es; es ist mein Gesicht. Was tust du? Warum?
Sie hatten mich gewarnt. Ich reiße die Augen auf. Ich muss hier raus, ich bin schon eine halbe Stunde hier drin.
Die Eimerdusche, kalt und klar, holt mich zurück.
Samstagabend ein laues Lüftchen liegt über der Stadt, die ich von meiner Terrasse aus überblicken kann. In der Hand einen White Russian, genau das richtige nach der Sauna. Ich fühle mich entspannt, losgelöst leicht und doch ausgelaugt.
Der White Russian hält, was er verspricht, hebt meine Laune und jetzt einen Joint denke ich mir.
Ich habe schon ewig nichts mehr geraucht, verspüre aber den unbedingten Drang danach. Ich rufe mein Drogentaxi an, meine Bezugsquelle. Der Fahrer versteht es ist dringend.
Eine viertel Stunde später klingelt es an der Tür. Da steht er der alte Mexikaner, mit rotem Wollpulli, ein Hemdkragen lugt unter dem Pulli hervor. Ein Gesicht, das viel zu erzählen hat, jetzt aber nicht, ich brauche Stoff. Longpaper und Filter sind mit im Paket.
Bob the builder denke ich mir, so nannten sie mich früher, ob meiner Baukünste, damals. Der Joint kann sich sehen lassen.
Ich sitze, einen zweiten White Russian in der rechten und Joint zwischen den Fingern in einem Liegestuhl und überschaue die Stadt, die niemals schläft.
Knistern setze ich die Lady in Brand, erst nur ein kleiner Glutkeim breitet dieser sich nach ein, zwei Zügen unter großem Knistern aus, bis schließlich der gesamte Durchmesser in Flammen steht.
Ich atme tief ein, der Rauch erfüllt meine Lungen, durchdringt mich, Musik, ich brauche musik, denke ich noch. Die Fernbedingung natürlich griffbereit. Molokko, Musik für verbrauchte Menschen.
Der Rauch den ich ausstoße, erst undurchdringbar, dann immer lichter verwirbelt er sich langsam und zieht gen Sternhimmel. Eine sternenklare Nacht. The time is now…denke ich noch…denken, denken denken, Kontrolle?
Ich ziehe erneut. Langsam merke ich wie sich meine Wahrnehmung verändert, angenehm nicht hektisch, alles scheint voller. Die Musik erfüllt mich mit größter Freude, jeder Bass eine Gänsehaut.
Kein Schleier der sich legt, sonder eher einer der sich lüftet, habe ich das Gefühl.
Der White Russian in meiner rechten verwandelt die Sahara in meinem Mundes in eine Oase..
Ich ziehe erneut. Was ist mit mir los? Was nur? WAS?!
Alles sinnlos, alles leer, nur mehr immer mehr. Sie hatten mich gewarnt, ich drifte ab.
Dann der allerletzte Zug, der alles entscheidet. Ich ziehe und ziehe und ziehe, meine Lungenflügel sind erfüllt vom Rauch, alles wird weit, groß, unfassbar und ich liege auf meinem Liegestuhl und starre in den Sternenhimmel.
Ich friere. Also verlasse ich diesen wunderbaren Ort und kehre zurück in meine Penthouse Welt. Auf der Toilette dann der Eklat, mein Spiegelbild es spricht erneut. Was tust du?
Was wohl ich bin erfolgreich, glücklich, habe Geld en masse und alle lieben mich..was soll ich schon tun ich freue mich.
Ach wirklich? Ja Wirklich? JA Wirklich? Wie oft denn noch ich bin glücklich. Ich habe es geschafft. Immer mehr, mehr das war es doch was ich wollte. Das ist Glück, schreie ich mein Spiegelbild an. Es lächelt.
Dann Stille. Die Realität durchzieht ein kleine Schockwelle, ein unmerkliches Schwingen, das ich noch nie erlebt habe und der Spiegel scheint sich zu öffnen. Ich schaue an mir herab, ich sehe durch die Augen meines Spiegelbildes. Da ist sie wieder, diese andere Welt ich schaue weiter sehe, dort lebe ich anders. Kein Leisten, ich habe eine Freundin ich liege in ihren Armen, lasse mich fallen.
NEIN! Brülle ich, es zieht mich förmlich hinaus aus dieser Welt und mit einem Mal erwache ich. Ich stehe im Bad vor dem Spiegel. Kontrollverlust? Niemals!
Wutenbrannt schlage ich den Spiegel ein! Die Splitter bohren sich in meine Hand. Blut beginnt zu fließen.
Im Krankenhaus immer die gleichen Fragen. Wie ist das passiert? Ein Unfall…Soso. Betretenes Schweigen. Jetzt erst schmerzt die Hand. Ein Erwachen. Ich lebe!
Die Putzkolonne die ich natürlich sofort bestellt habe, hat volle Arbeit geleistet und den Spiegel ersetzt. So etwas passiert mir nicht noch einmal! Nie wieder.
Die Hand sie schmerzt. Ich gehe erneut ins Bad. Der Spiegel. Das Gesicht, mein Gesicht starrt mich an, mit diesen blauen Augen. Tief, ganz tief geht der Blick…der Spiegel öffnet sich. Vor was hast du angst? Fragt er mich. Ich und angst, lächerlich. Ich bin hier auf dieser Welt, beherrsche meinen Mikrokosmos, bin der Herr über mich selbst, vor was soll ich angst haben?
Vor mir! Spricht mein Abbild. Du existierst nicht; bist bloß eine Fiktion. Ich kenne dich. Man hat mich vor dir gewarnt, damals schon, in der Unternehmensberatung.
Komm! Er streckt mir die Hand aus, sie ragt aus dem Spiegel zu mir herüber… „Da steh ich nun, ich armer Tor! // Und bin so klug als wie zuvor." Schießt es mir durch den Kopf, was kann ich bloß wissen, wo hört meine Erkenntnis auf. Kann ich zurückkehren? Frage ich.
NEIN! Niemals.
Ich stehe an dieser alles entscheidenden Kante, eine Ameise in diesem riesigen Universum. Was geschieht, was geschieht mit mir? Was wird aus mir? Du lebst weiter, aber nur deine Hülle, du wirst bei mir sein, ein anderes Leben führen.
Die Kante, sie ist das einzige was uns trennt, mein Abbild und mich…… Ein Zittern durchzieht den Raum, jetzt oder nie?
Kontrollverlust!
Niemals…
Denkanreiz
"Habe nun, ach! Philosophie, // Juristerei und Medizin, // Und leider auch Theologie! // Durchaus studiert, mit heißem Bemühn. // Da steh ich nun, ich armer Tor! // Und bin so klug als wie zuvor."
Was wusste Goethe schon? Ich habe ach studiert und fühle mich so klug als wie zuvor. Da stehe ich nun an der Kante, die alles entscheiden sollte. Wie war es soweit gekommen, was war geschehen, wie bin ich abgekommen von meinem rechten Pfad, der mein ganzes bisheriges Leben bestimmte?
Wollen wir da beginnen wo alles seinen Anfang nahm. Mein Abitur hervorragend, aus diesem Grunde ging ich an die anerkannteste Uni, die mich mit offenen Armen empfing. Kein Zivi, natürlich nicht, ich war ja nicht so blöd gewesen, nicht ausgemustert zu werden, dann natürlich noch die obligatorische Empfehlung meines Direktors für die Studienstiftung. So eine herausragende Persönlichkeit, so reif für seine Jugend, viel Engagement und dann noch exzellente Leistungen in der Schule.
Ja das Engagement, soft skills, das ist heute das Zauberwort, soft skills, welch ein Ausdruck, welch eine Verballhornung des ursprünglich doch so ideellen Ausdruckes der Sozialkompetenz und des sozialen Engagements. Auf jeden Fall war ich in der 10. Klasse zu den Jungliberalen gegangen und habe dort eine steile Karriere hingelegt. Am Wochenende auf Parteikongressen, unter der Woche Podiumsdiskussionen und ähnliche Aktivitäten an der Schule organisieren und seinen Tätigkeiten als Schülersprecher gerecht werden.
In dieser Rolle verstand ich es sowohl die Schüler als auch die Lehrer für mich zu gewinnen, everyones darling, ohne wirklich Kontur zu zeigen. Jedwede Klippen an denen dieses, mein Boot, mein Vehikel durch das Leben zu Kentern drohte, umsegelte ich geschickt, sodass ich als einer der engagiertesten Schüler in die Annalen meiner Schule einging…Mir wurde sogar eine ganze extra Seite sowohl in der Abiturzeitung, als auch im Jahrbuch der Schule gewidmet.
Was meine Parteikarriere anging, so hatte ich es zum Landesvorsitzenden der Jung Liberalen gebracht und hatte Kontakte zu dem, was man die Elite des Landes nennt.
Bis zur zehnten Klasse war ich zwar ein guter aber unauffälliger Schüler der gelegentlich Sport trieb, viel Computer spielte und nicht so recht wusste, was er mit seinem Leben anfangen sollte. Aber dann hörte ich von der Wichtigkeit der Social Skills in der heutigen Berufswelt und erfuhr durch mein Berufspraktikum bei einer Unternehmensberatung, wie wichtig es war sich verkaufen zu können und dass es Zeit war die Karriere vorzubereiten. Dann war es vorbei; kein Computerspiel mehr sondern Lektüre des Parteiprogrammes und die Besäufnisse mit meinen alten Freunden wurden ausgetauscht durch gesellige Abende mit Parteigenossen, bei denen die Flasche zwar genauso kreiste; aber es war ja zu einem guten Zweck.
Dann das Abitur, als Landesvorsitzender der Jung Liberalen, als Leiter einer Rhetorik AG und als Schülersprecher, den niemand so schnell vergessen würde. Natürlich, das verstand sich ja fast von selbst, gewann ich den Scheffelpreis und dann noch einen Preis für meine herausragenden Leistungen im Fach Wirtschaft, das mich mehr ob meiner Berufschancen, als der Thematik an sich interessierte. Meine Pubertät war vergangen und ich hatte mich zu einem erfolgreichen und gutaussehenden Mann entwickelt, der in einem Fitnessstudio gestählten Körper stets mit Anzug, oder doch mindestens im Polohemd durch die Welt ging und von vielen Frauen angehimmelt wurde. Doch umzugehen mit dieser Bewunderung verstand ich es nicht, wenn es darum ging zu reden, so gewann ich ganze Heerscharen für meine Sache, aber wenn es darum ging mit einer Frau zu sprechen und sie zu verführen, so versagte ich. Ich verstehe Frauen und die gesamte Gefühlswelt einfach nicht. Tzz Gefühle, was für ein Ausdruck, was für ein Pathos, der bei diesen Worten mitschwingt…Dreck einfach nur Dreck, dachte ich mir, es ist doch so einfach, entweder man schläft miteinander oder nicht, aber etwas anderes gab es für mich nicht.
Irgendwann nach dem Abitur, die Uni war leicht zu bewältigen, das lief wie von selbst, gelang es mir dann auch eine total Betrunken und deshalb willige Frau für mich zu gewinnen heißt sie zu verführen und mit ihr zu schlafen. Das war auf einem dieser berüchtigten Erstiwochenenden….Ich war natürlich in der Fachschaft und die Erstsemestler naiv wie sie waren, waren für einen halbwegs gut aussehenden Mann leichte Beute, da sie ab dem 3.Bier zu allem, wirklich allem bereit waren. Diese Evidenz erlaubte es mir mehrere Affären über die Jahre zu beginnen und auch wieder zu beenden..mir lag nichts an ihnen, wie eine Trophäe trug ich die Namen in meinem Gedächtnis um sie jedem zu präsentieren der danach fragte. Inzwischen saß ich im Unisenat und war auch in der Parteihierarchie aufgestiegen. Inzwischen agierte ich auf Landesebene der FDP, organisierte wieder Podiumsdiskussionen, diesmal in der Uni und mischte kräftig mit.
Fachschaft war klasse immer Frischfleisch Parties und wieder ein Pluspunkt auf meinem Social Skill Konto. Mein Studium zog ich natürlich in Mindestzeit durch, machte ein Auslandssemester in Harvard und hatte drei Jahre nach meinem Abitur mit 21 Jahren meinen Bachelor mit der Note 1,0 abgeschlossen und in der Tasche. Sicherlich ein bisschen geschummelt hatte auch ich gelegentlich eine Nase Koks oder eine Dosis Ritalin, um den alten Denkkasten aufzupeppen, das war doch ganz normal. Aber niemals Kontrollverlust! Niemals! Immer leistungsbereit, als Fels in der Brandung stehen und sich niemals vom Strom treiben lassen. Das hatte ich in der zehnten Klasse bei der Unternehmensberatung gelernt.
Meinen Master machte ich bei Goldman Sachs im Bereich der Risikobewertung, natürlich summa cum laude und schloss meinen ersten Big Deal ab, bei dem ich eine Summe verdiente, die für den Rest meines Lebens ausgereicht hätte. Aber ich wollte mehr. Immer mehr nur mehr mehr mehr.
Freitagabends dann in den Klub, nach einem zwölf Stunden Tag in der Skyline Frankfurts, diesem kalten, sterilen und für mich wunderschönen Ort; der Geburtsstätte des Schmiermittels unserer Wirtschaft, das wir Geld nennen. Diese Tempel, errichtet um unserem Gott der Börse und dem Geldhimmel zu huldigen.
Ab in den Place to be! Meine Kollegen holen mich ab, und wir ziehen in unseren Anzügen aus um die Nacht zum Tag zu machen. Natürlich nicht anstehen wie der Pöbel, sondern als sehr wichtige Persönlichkeiten die Türsteher grüßend hinein in diese Schlachterei, das Fest ist angerichtet, Tische sind natürlich reserviert, wir überblicken die gesamte Tanzfläche. Eine Flasche des bestens Champagners des Hauses und dann noch eine Flasche Grey Goose auf Kosten des Hauses, natürlich mit einem entsprechenden Mischgetränk.
Analyse der Lage, sachlich kalt und gut. Die Körper räkeln sich zum dumpfen Dröhnen aus den Boxen, ich bin gut drauf und werde heute Abend nicht allein nach Hause gehen. Niemals, diese Zeiten sind vorbei. Also suche ich mir eine aus, sie hat anscheinend schon jemanden gefunden, aber nichts Ernstes. Dann Standardvorgehen, erst auschecken, wo sie sitzt, dann ein bisschen warmtanzen, erste laszive Blicke tauschen, dann eine Flasche Champagner an den Tisch, mit dem Hinweis des Kellners wer der Spender ist; dann, es ist schon spät, an ihren Tisch; darf ich zum Tanz bitten. Dj spielt mein Lied; der Kerl der mit ihr am Tisch sitzt kocht innerlich. Ich gehe in die Vollen, eng umschlungen auf der Tanzfläche gehe ich ans Eingemachte. Jetzt wird gespeist!
Er kommt auf mich zu. Wutentbrannt reißt er die Frau aus meinen Armen und schubst mich von sich. Was er nicht weiß, ich bin gut trainiert. Das wird ein Spaß. Er:“ Du dreckiges Schwein dir werde ich es zeigen“ Der erste Schlag; Ausfallschritt, Schlag meinerseits in die Magengrube; ich will noch spielen. Er kann es nicht lassen kommt nochmal, will mir ins Gesicht schlagen. Antwort erster Schlag ins Gesicht, nichts wildes wenn er jetzt aufhört. Er kann nicht, würde sein Gesicht verlieren. Er zerschlägt eine Flasche, jetzt muss ich fertig machen; kommt auf mich zu; Adrenalin, genau das richtige zur Abrundung des Abends, abgewehrt Arm fixiert, Nummer eins, meine Knöchel dringen mit ungeheurer Wucht in sein Fleisch ein, die Nase zerborsten, zerschmettert; Nummer zwei zur Sicherheit nochmal mitten ins Gesicht und schließlich Abschluss: Kurz überlege ich; Knie in Gesicht oder am Boden fixieren?; am Boden fixieren, die Dame erwartet einen Mann in tadellosem Anzug, also Arm auf Rücken; Polizeigriff, er auf dem Boden und unschädlich. Die Türsteher eilen herbei ich übergebe ihn…sie werden ihn noch ein bisschen bearbeiten, ein zwei Schläge in die Magengrube, die keiner sieht, bevor er der Polizei übergeben wird.
Die Frau liegt weinend in meinen Armen…“Das hätte ich nicht von ihm erwartet…“ dann Taxi nach Hause und schon eine Stunde nach dieser kleinen Aufregung liegen wir zwei übereinander, eng umschlungen in meinem Penthouse-Loft; leidenschaftlich, wild, aufregend und dann la petite morte. Sie wird sagen, was für ein guter Liebhaber, wenn sie gefragt wird und ich habe eine weitere Trophöe an meiner gedanklichen Wand.
Am nächsten morgen zunächst betretenes Schweigen, meine Hände schmerzen ein wenig, die Lederhandschuhe müssen gereinigt werden. Sie „Es war wunderschön“ ich „wie du mein Schatz“ dann noch eine Runde, bevor ich sie mit einem Taxi nach Hause schicke “Werde ich dich wiedersehen?“.
Ein Samstag voller Möglichkeiten. Ich habe nichts zu tun. Nichts. Meine Wohnung, vorher farbenfroh erscheint mir grau und trist. Kontrollverlust? Niemals. Ich schaue in den Spiegel. Auf der anderen Seite ein Mann Ende zwanzig, muskulös gebaut und eine andere Welt. Das Gesicht klar gezeichnet, tadellose Haut, Akne habe ich noch nie gehabt.
Dann die Augen stahlblau, tief und klar ein Blick den viele fürchteten, ob seiner sezierenden ja geradezu durchdringenden Art. Eingebettet waren diese Augen in ein nahezu perfektes Gesicht, dem man ansah, dass dessen Träger noch nie richtig gearbeitet hatte. Statt tiefer Furchen leichte Grübchen, eine kerzengerade wohlproportionierte Nase. Nichts an meinen Zügen verriet, was ich dachte. Still und tief. Zumindest mein Äußeres.
Das sagte nicht ich, wenngleich ich doch gelegentlich zu etwas Narzissmus neigte, das sagten meine Trophäen bevor sie erfuhren, dass sie bereits passé waren.
Erinnerungen kommen hoch, schon früher stand ich so vor dem Spiegel und stellte mir vor, was in dieser anderen Welt passiert, in der ich vielleicht nicht leisten muss. Was macht er da drüben. Will er auch immer mehr; mehr und immer mehr. Kontrollverlust? Niemals! Ich gehe schnell weg von diesem Spiegel; sie hatten mich gewarnt vor diesen Momenten, damals in der Unternehmensberatung. Niemals. Ich doch nicht. Nicht Jonathan Meier! Nicht ich!
Die Partie Squash mit meinem Kollegen brachte mich auf andere Gedanken. Mensch Jonathan, da haste gestern ja richtig Glück gehabt. Der ist ja wie ein Verrückter auf dich losgegangen und du, woher kannst du sowas? Ich meine dich so verteidigen, faszinierend, diese Reflexe.
Ich merkte, er hatte nichts verstanden. Ich war es doch gewesen, der ihn herausgefordert hatte, es war mir von Anfang an klar, dass dieser Typ ausrasten würde. Und dann die kleinen Sticheleien, die ich unterschwellig den ganzen Abend folgen ließ; dieser Typ, der jetzt auf der Intensivstation lag, die Türsteher hatten auch für meinen Geschmack ein bisschen übertrieben, war eigentlich das richtige Opfer gewesen.
Was war eigentlich mit der Kleinen, bohrt der Kollege weiter ein vielsagendes Lächeln meinerseits klärt die Lage. Die Menschliche Kultur beruht auf Triebverzicht und Arbeitszwang hat Sigmund Freud einmal gesagt und mein Kollege ist einfach die Inkarnation des Triebverzichtes und des Arbeitszwangs. Immer adrett und höflich natürlich, ein Saubermann mit Frau und Kindern. Verklemmt? Ein bisschen immer seine Triebe unter Kontrolle, niemals Ausbruch, niemals hinausfallen aus dem Muster. Ehe auf Routine basierend, denn auf Leidenschaft.
Die Frau, eine Schönheit, Affären? Gelegentlich, also beide, wie ich schon am eigenen Leib erfahren durfte.
Squash wird zur Schlägerei, in jeden Schlag lege ich meine ganze Kraft, Adrenalin durchpumpt meine Venen, einen Moment bin ich nur noch die Bewegung, ich gehe in ihr auf, vergesse mich.
Nach 2 Stunden sind wir beiden vollkommen erschöpft und gehen in die Umkleide. Ich hasse Gruppenduschen. Immer diese Blicke, dieser unangenehm dreckige Boden, einfach alles. Aber ich habe ja nichts zu verbergen. Mein Astralkörper sieht gut aus, im Vergleich zum Durchschnittsaussehen, das mein Kollege an den Tag legt.
Für einen Moment verliere ich mich in den sich bildenden Schaumstrudeln am Boden, so eine Vielfalt an Mustern und Wegen, jedes ein Universum, das kommt und wieder vergeht. Was ist mit mir los?
Diese philosophischen Einschübe, Dreck.. wer rastet, rostet, Philosophen rasten, also rosten sie. Eine Evidenz.
Dann der Abschied, soll ich dich mitnehmen fragt mein Kollege, ich winke ab? Danke ich nehme die U-Bahn. Also wirklich was ist mit mir los? Die U-Bahn, dieser Konvoi von stinkendem, pöbelndem und sabbernden Volk. Naja ich weiß auch nicht so recht warum ich dies tue, aber ich lauf wie ferngesteuert zum Ticketautomaten ziehe ein Ticket, wie früher.
Haste mal ein Euro? Fragt mich eine finstere Gestalt, die es sich gerade am Boden bequem macht. Ich lege einen fünf Euro Schein in seinen Hut er bedankt sich. Ein Leuchten geht durch seine Augen. Was ist bloß mit mir los?
Die U-Bahn Fahrt stinkend, stickig und eng. Warum nur habe ich das gemacht? Ich weiß es nicht.
Jetzt in die hauseigene Sauna und alles wird gut denke ich mir.
Die Sauna tut gut. Wärme steigt in mir auf, ich fange an zu schwitzen. Ich schließe die Augen.
Ein Gesicht starrt mich an. Ich kenne es; es ist mein Gesicht. Was tust du? Warum?
Sie hatten mich gewarnt. Ich reiße die Augen auf. Ich muss hier raus, ich bin schon eine halbe Stunde hier drin.
Die Eimerdusche, kalt und klar, holt mich zurück.
Samstagabend ein laues Lüftchen liegt über der Stadt, die ich von meiner Terrasse aus überblicken kann. In der Hand einen White Russian, genau das richtige nach der Sauna. Ich fühle mich entspannt, losgelöst leicht und doch ausgelaugt.
Der White Russian hält, was er verspricht, hebt meine Laune und jetzt einen Joint denke ich mir.
Ich habe schon ewig nichts mehr geraucht, verspüre aber den unbedingten Drang danach. Ich rufe mein Drogentaxi an, meine Bezugsquelle. Der Fahrer versteht es ist dringend.
Eine viertel Stunde später klingelt es an der Tür. Da steht er der alte Mexikaner, mit rotem Wollpulli, ein Hemdkragen lugt unter dem Pulli hervor. Ein Gesicht, das viel zu erzählen hat, jetzt aber nicht, ich brauche Stoff. Longpaper und Filter sind mit im Paket.
Bob the builder denke ich mir, so nannten sie mich früher, ob meiner Baukünste, damals. Der Joint kann sich sehen lassen.
Ich sitze, einen zweiten White Russian in der rechten und Joint zwischen den Fingern in einem Liegestuhl und überschaue die Stadt, die niemals schläft.
Knistern setze ich die Lady in Brand, erst nur ein kleiner Glutkeim breitet dieser sich nach ein, zwei Zügen unter großem Knistern aus, bis schließlich der gesamte Durchmesser in Flammen steht.
Ich atme tief ein, der Rauch erfüllt meine Lungen, durchdringt mich, Musik, ich brauche musik, denke ich noch. Die Fernbedingung natürlich griffbereit. Molokko, Musik für verbrauchte Menschen.
Der Rauch den ich ausstoße, erst undurchdringbar, dann immer lichter verwirbelt er sich langsam und zieht gen Sternhimmel. Eine sternenklare Nacht. The time is now…denke ich noch…denken, denken denken, Kontrolle?
Ich ziehe erneut. Langsam merke ich wie sich meine Wahrnehmung verändert, angenehm nicht hektisch, alles scheint voller. Die Musik erfüllt mich mit größter Freude, jeder Bass eine Gänsehaut.
Kein Schleier der sich legt, sonder eher einer der sich lüftet, habe ich das Gefühl.
Der White Russian in meiner rechten verwandelt die Sahara in meinem Mundes in eine Oase..
Ich ziehe erneut. Was ist mit mir los? Was nur? WAS?!
Alles sinnlos, alles leer, nur mehr immer mehr. Sie hatten mich gewarnt, ich drifte ab.
Dann der allerletzte Zug, der alles entscheidet. Ich ziehe und ziehe und ziehe, meine Lungenflügel sind erfüllt vom Rauch, alles wird weit, groß, unfassbar und ich liege auf meinem Liegestuhl und starre in den Sternenhimmel.
Ich friere. Also verlasse ich diesen wunderbaren Ort und kehre zurück in meine Penthouse Welt. Auf der Toilette dann der Eklat, mein Spiegelbild es spricht erneut. Was tust du?
Was wohl ich bin erfolgreich, glücklich, habe Geld en masse und alle lieben mich..was soll ich schon tun ich freue mich.
Ach wirklich? Ja Wirklich? JA Wirklich? Wie oft denn noch ich bin glücklich. Ich habe es geschafft. Immer mehr, mehr das war es doch was ich wollte. Das ist Glück, schreie ich mein Spiegelbild an. Es lächelt.
Dann Stille. Die Realität durchzieht ein kleine Schockwelle, ein unmerkliches Schwingen, das ich noch nie erlebt habe und der Spiegel scheint sich zu öffnen. Ich schaue an mir herab, ich sehe durch die Augen meines Spiegelbildes. Da ist sie wieder, diese andere Welt ich schaue weiter sehe, dort lebe ich anders. Kein Leisten, ich habe eine Freundin ich liege in ihren Armen, lasse mich fallen.
NEIN! Brülle ich, es zieht mich förmlich hinaus aus dieser Welt und mit einem Mal erwache ich. Ich stehe im Bad vor dem Spiegel. Kontrollverlust? Niemals!
Wutenbrannt schlage ich den Spiegel ein! Die Splitter bohren sich in meine Hand. Blut beginnt zu fließen.
Im Krankenhaus immer die gleichen Fragen. Wie ist das passiert? Ein Unfall…Soso. Betretenes Schweigen. Jetzt erst schmerzt die Hand. Ein Erwachen. Ich lebe!
Die Putzkolonne die ich natürlich sofort bestellt habe, hat volle Arbeit geleistet und den Spiegel ersetzt. So etwas passiert mir nicht noch einmal! Nie wieder.
Die Hand sie schmerzt. Ich gehe erneut ins Bad. Der Spiegel. Das Gesicht, mein Gesicht starrt mich an, mit diesen blauen Augen. Tief, ganz tief geht der Blick…der Spiegel öffnet sich. Vor was hast du angst? Fragt er mich. Ich und angst, lächerlich. Ich bin hier auf dieser Welt, beherrsche meinen Mikrokosmos, bin der Herr über mich selbst, vor was soll ich angst haben?
Vor mir! Spricht mein Abbild. Du existierst nicht; bist bloß eine Fiktion. Ich kenne dich. Man hat mich vor dir gewarnt, damals schon, in der Unternehmensberatung.
Komm! Er streckt mir die Hand aus, sie ragt aus dem Spiegel zu mir herüber… „Da steh ich nun, ich armer Tor! // Und bin so klug als wie zuvor." Schießt es mir durch den Kopf, was kann ich bloß wissen, wo hört meine Erkenntnis auf. Kann ich zurückkehren? Frage ich.
NEIN! Niemals.
Ich stehe an dieser alles entscheidenden Kante, eine Ameise in diesem riesigen Universum. Was geschieht, was geschieht mit mir? Was wird aus mir? Du lebst weiter, aber nur deine Hülle, du wirst bei mir sein, ein anderes Leben führen.
Die Kante, sie ist das einzige was uns trennt, mein Abbild und mich…… Ein Zittern durchzieht den Raum, jetzt oder nie?
Kontrollverlust!
Niemals…
Denkanreiz