Cassandra71 schrieb:Einen Totschlag vermag ich hier beim besten Willen nicht zu erkennen
Ich kenne die damalige Begründung bzw. die Beweggründe der Staatsanwaltschaft nicht, aber das Ganze könnte man schon irgendwie als Totschlag auslegen, wenn die Heimtücke nicht wäre.
- Eine Pistole auf objektiver Tatbestandsseite ist kein anerkanntes gemeingefährliches Mittel, da für den Täter meist beherrschbar mit nur begrenzter Wirkung. Durch diese Beherrschbarkeit und Überschaubarkeit kann daher auch keine Gemeingefährlichkeit abgeleitet werden.
- Rache auf subjektiver Tatbestandsseite ist ebenfalls kein niederer Beweggrund, wenn das Gefühl Rache aus nachvollziehbaren Gründen beruht, entstanden ist, was man im Fall Marianne Bachmeier definitiv bejahen kann, meiner Meinung nach.
Zugegeben, mit der Heimtücke tue ich mich etwas schwer.
Marianne Bachmeier schmuggelte die Wache heimlich in den Gerichtssaal. Sie schoß mehrere Male in den Rücken des Angeklagten, was für mich bedeutet, dass der Angeklagte die Gefahr nicht kommen sondern arglos war (auch weil ein Gerichtssaal grundsätzlich als sicherer Ort gilt) und er somit weder hätte mit rechnen können und auch keine Chance zum Ausweichen gehabt hätte.
Normalerweise wäre die Heimtücke auf objektiver Tatbestandsseite für mich (eigentlich) erfüllt gewesen.
Aber vielleicht war die Heimtücke auch nicht erfüllt, weil der Angeklagte durch das dortige Sicherheitspersonals jederzeit hätte geschützt werden können bzw. diese jederzeit hätten eingreifen und die Schüsse abwehren, verhindern können.
Letzendlich denke ich mir aber einfach nur, dass die Staatsanwaltschaft hier einfach nur außergewöhnliche emotionale Umstände bei Marianne Bachmeier gesehen hat und deshalb einfach nur vom Mordvorwurf zurückgetreten ist.
Die Tötungsabsicht (als direkter Vorsatz sogar) auf subjektiver Tatbestandsseite bleibt natürlich. Daran gab es nichts zu rütteln. Das Reinschmuggeln der Waffe und bei 8 gezielten Schüssen, 6 trafen den Angeklagten in den Rücken, dürfte die Sache klar gewesen sein. Also mindestens auf Totschlag musste die Anklage dann schon lauten.
Ich verstehe Marianne Bachmeier durchaus.
Ich selber könnte sowas aber niemals tun und ich denke vielen dürfte es ähnlich gehen, obwohl sie in ihren Vorstellungen immer bereit dazu wären begangenes Unrecht mit selbigem Unrecht (Töten/Leben nehmen) zu vergelten und Selbstjustiz anzuwenden. Doch Vorstellung und Realität sind zweierlei. Viele könnten es in der Realität dann vermutlich doch nicht durchziehen.
Obwohl ich für Marianne Bachmeiers Tat Verständnis aufbringen kann, so darf Selbstjustiz grundsätzlich keine Lösung sein und sollte immer angemessen den jeweiligen Umständen entsprechend bestraft werden.
Wir Bürger haben nun mal grundsätzlich kein Recht dazu nach unseren Vorstellungen anzuklagen, Recht zu sprechen und das eigene Urteil dann zu vollstrecken.
So schwer es fällt, aber das ist Aufgabe unserer Exekutiven und Judikativen. Außerdem haben auch die abartigsten Straftäter Rechte. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit und aufs Leben selbst, zumindest nach unserer Rechtsstaatlichkeit. Und über ihre Würde müssen wir glaube ich auch nicht weiter diskutieren. Die Würde des Menschen ist für jeden unantastbar - auch für Kindsmörder.
Wenn wir anfangen mit zweierlei Maß zu messen, können wir die Allgemeinen Menschenrechte, zu denen wir uns verpflichtet haben, sowie unser GG auch in die Tonne kloppen, denn sie würden ihren Wert verlieren.
Da Selbstjustiz grundsätzlich ablehnungswürdig ist, dürften wir eigentlich niemals Verständnis dafür aufbringen. Trotzdem tun wir es hin und wieder, weil moralische Grundsätze und Mitgefühl mit Opfern und deren Hinterbliebenen auch nicht so leicht zu verdrängen sind.