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Möchtet ihr die Mauer zurück?

1.010 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: USA, Berlin, DDR ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

Möchtet ihr die Mauer zurück?

01.08.2021 um 20:56
Zitat von P.RodanP.Rodan schrieb:Soo groß sind die Annehmlichkeiten und Freiheiten ja auch nicht mehr.
Könnte es sein, dass Du eine verklärte Sicht auf das Leben hinter Mauern und in einer Diktatur hast?

Nur mal als wenige Beispiele: Arbeitszeit 8,45 h/Tag. Danach Kids im Kindergarten abholen und anschließend Schlange stehen, um Obst und Gemüse auf den Tisch des Hauses zu zaubern. Donnerstags/Freitags Schlage stehen beim Fleischer und das Wochenendmenue wurde nachdem zusammengestellt, was man ergattern konnte.

Haus bauen ... puh ... da gingen Jahre ins Land, weil es an Materialien und bezahlbaren Handwerkern fehlte, selbst, wenn man es sich hätte leisten können.

Urlaub: mit etwas Glück und ein paar Beziehungen war auch mal die Ostsee drin.

Weißt Du, warum der Zusammenhalt im ehemaligen Osten zwischen den Menschen so hoch angesiedelte war? Weil ohne Beziehungen, Kontakte usw. nichts lief.

Mal ein Beispiel: Ich hatte mal den Kühlschrank mit vier Kilo Orangen voll (nicht die kubanischen, die nur zum Saft machen taugten), sondern richtige Navelorangen. Wie kam es dazu? Es wurde pro Person nur ein Pfund abgegeben. Mein gesamter Freundes- und Familienkreis stand in verschiedenen Geschäften an und so kam ich zu vier Kilo Navel-Orangen. Das war eher witzig und hatte Seltenheitscharakter.

1. Mai ... Tag der Arbeit/Feiertag: wer nicht demonstrieren war, wurde am nächsten Arbeitstag zum Gespräch zitiert. Die Überwachung funktionierte gut. Ist mir einmal passiert, weil mein Kind krank war, was ich natürlich nachweisen musste. Aber bevor, ich es nachweisen konnte, wurde ich erstmal rund gemacht.

Hast Du eine Vorstellung davon, wenn an einem Sonntag, der 1. Mai ist und Du stundenlang demonstrieren gehen musst und wenn Du es nicht tust mit Repressalien rechnen musst, die Dich und Deine Familie ins Unglück stürzen können? Da bekommt "Freiheit" eine wirkliche und auch realistische Bedeutung.

Freie Arbeitsplatzwahl: Fehlanzeige
Ich arbeitete in einem systemrelevanten Kombinat und wollte mich verändern. Für bestimmte Fachkräfte gab es im Umfeld Einstellungsstopps ... d. h. selbst, wenn sie Dich wollten und freie Stellen hatten, durften sie Dich nicht einstellen.

Es war eine harte Lebensschule in einer Diktatur und hinter Mauern aufzuwachsen und JA ... man lernt sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und auch erfinderisch und flexibel zu sein, weil einem in einer Mangelwirtschaft gar nichts anderes übrig bleibt.

Und dann noch die menschlichen Tragödien, die man im Umfeld miterleben musste. Eine Freundin von mir war mit knapp 18 Jahren in Ungarn in Urlaub ... lernte dort einen LKW-Fahrer kennen, der sie über die ungarische Grenze schmuggelte. Sie wurden erwischt und sie kam für drei Monate in U-Haft.

Ihre Eltern erstatteten Vermisstenanzeige, als sie nicht wieder aus dem Urlaub zurück kam. Sie erfuhren erst 2,5 Monate später, dass ihre Tochter 50 km weiter in U-Haft mit politischen Häftlingen war. Und gerade der Umgang mit politischen Häftlingen in der ehemaligen DDR, war heftig. Erst die Einschaltung eines Anwaltes und die Hilfe der westlichen Verwandtschaft führten dazu, dass sie "freigekauft" wurde und nicht jahrelang in DDR-Gefängnissen verrotten musste.

Ihr Vater bekam in der Zeit der Ungewissheit einen schweren Herzinfarkt und er konnte sie erst viele Jahre später wiedersehen, da sie nach dem "Freikaufen" direkt in den Westen abgeschoben wurde und ihre Eltern natürlich nicht in den Westen reisen durften und sie keine Einreiseerlaubnis bekam.

Ich würde meinem ärgsten Feind, kein Leben in einer Diktatur und hinter Mauern wünschen.
Zitat von P.RodanP.Rodan schrieb:vor allem nicht mehr so sicher wie noch vor etwa 40-50 Jahren.
Wenn Du Sicherheit willst, dann darfst Du Dir kein Leben in einer Diktatur wünschen, denn dort bist Du im Ernstfall rechtlos.


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Möchtet ihr die Mauer zurück?

01.08.2021 um 22:11
Ich kahm in einer Flüchtlingsbaracke zu Welt, die hygienischen Verhältnisse waren so dass ich schon als Kleinkind Gelbsucht bekam.
Später zogen wir in eine luxeriösere Wohnung um, immer noch kein fliesend Wasser in der Wohnung und Aussenkloo. Ich musste als Erstes Rattenlöcher unter dem Ofen mit Gibbs und Zeitungspapier zumachen, war ja klein genug. Beim Metzger gab es so ziemlich alles und wir mussten uns auch nicht in eine lange Reihe stellen, die Leute hatten in der Nachkriegszeit alle nicht das Geld für Fleisch und Wurst. Auch Obst gab es nicht oft, schon gar nicht im Winter. Gemüse und Suppe waren angesagt. Wir Kinder machten uns Zuckerbrot und Zuckerwasser im goldenen Westen. Ich war schon fünfzehn als ich ein eigenes Kinderzimmer bekam. Die erste Urlaubsfahrt erlebte ich, da war ich schon verheiratet. Die großen Autos die die Westler fuhren gehörten meistens den Banken. Auch die meisten Urlaube waren finanziert. Als ich für unsere ca. 75 gm. Wohnung für die ich 400 DM. Miete bezahlte, wir hatten zwei Kinder, einmal Mietzuschuss beantragte, bekam ich den nicht, da ich mit 1000 DM zufiel verdiente. Apropos was habt Ihr Miete bezahlt? und Kindergartenbeitrag? und Krankenkasse?


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01.08.2021 um 22:12
Zitat von P.RodanP.Rodan schrieb:Ein ganz anderer Menschenschlag, realitätsbezogener als im dekadenten Westen, wo Dinge wie Gendersprache und Lieder wie zehn kleine Negerlein enorm wichtig sind.
Sicher ist dir das nicht bekannt, aber die Gendersprache ist im 21. Jahrhundert entwickelt worden. Vor dem Mauerfall war sie auch im Westen kein Thema gewesen. Die Welt entwickelt sich weiter, und die weggefallene Trennung zwischen Ost und West hat zu vielen Dingen nichts beigetragen.

Ich bin auch "Wessi" und fühle mich im Osten oft wohl, weil die Menschen dort in vielen Fällen "menschlicher" reagieren. Aber trotzdem würde ich nicht zu Mauerzeiten dort gelebt haben wollen. Die Stasi-Knäste hätte ich niemals von innen sehen wollen, aber so wie ich mich kenne, wäre ich früher oder später wohl in so einem gelandet.

Einige von diesen zu Gedenkstätten umfunktionierten Ost-Gefängnissen habe ich inzwischen besucht (z.B. die Andreasstraße in Erfurt), und das führt mir immer wieder vor Augen, dass die DDR kein Staat gewesen wäre, in dem ich glücklich geworden wäre.


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01.08.2021 um 22:35
Niemals würde ich die Mauer zurück haben wollen.
Zum Glück habe ich vom Leben in der DDR nicht all zu viel erleben müssen.
Als die Mauer fiel, da war ich noch im Kindergarten.
Und noch nicht in der Schule, denn da war auch der Samstag ein Schlutag. Pfui! :D
Wie konnte man Kinder nur so quälen, nur einen Tag frei die Woche und da vielleicht noch zu irgendwelchen Aufmärschen, Demos, FDJ-Zeugs und was weiß ich noch alles.
Zitat von martenotmartenot schrieb:Einige von diesen zu Gedenkstätten umfunktionierten Ost-Gefängnissen habe ich inzwischen besucht (z.B. die Andreasstraße in Erfurt), und das führt mir immer wieder vor Augen, dass die DDR kein Staat gewesen wäre, in dem ich glücklich geworden wäre.
Ich war auch schon in Bautzen II, ein Ort den ich zu DDR Zeiten nie hätte besuchen wollen.
Ich weiß nicht wie es gewesen wäre, ob ich ein ganz staatstreuer Mensch geworden wäre. Oder aber, nicht hätte still bleiben können, wenn kompletter Unfug erzählt wird.
Wie in der Schule, wo erzählt werden musste was die Lehrer hören wollten. Diese Überbetonung auf den Staat und seine Organe. Schon allein dieser umständliche Sprachgebrauch. Ich stell mir das immer ein wenig so vor, wie wenn ich eine Doku über Nordkorea sehe. Nur mit weniger Führerkult, aber diese gekünstelte Überhöhung der Leistungen den Kollektivs und solche Dinge.


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01.08.2021 um 22:39
Zitat von P.RodanP.Rodan schrieb:Ich war schon fünfzehn als ich ein eigenes Kinderzimmer bekam. Die erste Urlaubsfahrt erlebte ich, da war ich schon verheiratet. Die großen Autos die die Westler fuhren gehörten meistens den Banken. Auch die meisten Urlaube waren finanziert. Als ich für unsere ca. 75 gm. Wohnung für die ich 400 DM. Miete bezahlte, wir hatten zwei Kinder, einmal Mietzuschuss beantragte, bekam ich den nicht, da ich mit 1000 DM zufiel verdiente. Apropos was habt Ihr Miete bezahlt? und Kindergartenbeitrag? und Krankenkasse?
Ich hatte mein erstes eigenes Zimmer als ich erwachsen war und meine eigene Wohnung hatte. Die bekam ich nur, weil ich verheiratet war und schon ein Kind hatte. Die Miete (48,00 DDR-Mark) für eine ca. 80 qm große runtergekommene Altbauwohnung mit eigenem Innenhof (die wir in Eigenregie und auf eigene Kosten vier Monate saniert hatten, bis sie mit einem Kleinkind bezugsfertig war). Zu der Zeit hatte ich ca. 400,00 DDR-Mark netto verdient und mein Mann war 1,5 Jahre bei der Armee, wo er ca. 150,00 DDR-Mark bekam. 125 g Kaffee kosteten ca. 8,75 Mark. Kaffee war also Luxus und den gabs nur am Wochenende. Manchmal fragt man sich im Nachhinein, wie man diese Zeiten überstanden hat.

Krankenkasse habe ich ca. 60 Mark gezahlt. Bin mir nicht mehr sicher ... ist halt schon eine lange Zeit her. Das Gesundheitssystem der ehemaligen DDR war sehr gut ... jedenfalls habe ich da keine schlechten Erfahrungen gesammelt. Die Energiekosten waren minimal. Ich glaube für die erste Altbauwohnung haben wir nur 18 Mark für drei Monate gezahlt. Kochen und Wärme mit Kohle. Kindergeld war glaube ich 20 Mark pro Kind. Ab drei Kinder gabs wohl etwas mehr.

Kindergarten war nur der Essensbeitrag zu entrichten und der war moderat.

In der Neubauwohnung war die Miete dann mit 78 Mark höher.


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01.08.2021 um 22:40
Zitat von P.RodanP.Rodan schrieb:Apropos was habt Ihr Miete bezahlt? und Kindergartenbeitrag? und Krankenkasse?
Soweit meine Einnerungen nicht trügen:

Die Miete, die meine Eltern zahlten, lagen bei ~ 85 Mark, wir hatten eine 3-Raumwohung im Plattenbau, ende der 80er.
Die Kinderbetreuung war, soweit ich weiß, kostenlos. Evtl. musste man Essensgeld bezahlen, aber das war, falls notwendig, sicher nicht viel.

Habe das dazu gefunden:
In der DDR war die Kinderbetreuung für die Eltern kostenlos, nur für die Mittagsversorgung war ein geringer Beitrag (1,70 Mark/Tag Kinderkrippe, 0,35 Mark/Tag Kindergarten, 0,55Mark/Tag Schule) zu entrichten.
Quelle: https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-einheit/lange-wege-der-deutschen-einheit/47313/kitas-und-kindererziehung

Aber deswegen sollte man sich die Mauer oder gar den ganzen Staat nicht zurückwünschen.


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01.08.2021 um 22:44
Zitat von Bone02943Bone02943 schrieb:Ich weiß nicht wie es gewesen wäre, ob ich ein ganz staatstreuer Mensch geworden wäre.
Das habe ich mich auch oft gefragt. Ich bin ja eigentlich kein Mensch, der sehr rebellisch veranlagt ist, weswegen ich denke / befürchte, dass ich mich irgendwie angepasst hätte. Andererseits ist mein Bedürfnis nach Reisen schon seit meiner Jugend sehr hoch gewesen, sodass es hätte sein können, dass ich die Freiheit des Reisens dringend gesucht hätte. Ich kann tatsächlich nicht sagen, wie ich ich verhalten hätte, bzw. was aus mir geworden wäre, wenn ich DDR-Bürger gewesen wäre: Dissident, Republikflüchtiger oder braver Bürger? Gespitzelt hätte ich aber wahrscheinlich nicht, weil ich das noch nie gemocht habe. Andererseits: wenn man mir Reisen ins westlcihe Ausland versprochen hätte?

Schwierig, schwer zu sagen.....


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01.08.2021 um 22:47
Zitat von martenotmartenot schrieb:Gespitzelt hätte ich aber wahrscheinlich nicht, weil ich das noch nie gemocht habe. Andererseits: wenn man mir Reisen ins westlcihe Ausland versprochen hätte?
Die Stasi hat auch erpresserische Methoden angewendet. Das Belohnungssystem, um Spitzel zu rekrutieren war eher selten.


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01.08.2021 um 22:53
Zitat von SophiaPetrilloSophiaPetrillo schrieb:Die Energiekosten waren minimal. Ich glaube für die erste Altbauwohnung haben wir nur 18 Mark für drei Monate gezahlt. Kochen und Wärme mit Kohle.
Als meine Großeltern mit meiner Mutter und ihren Geschwistern damals in das neue Hochhaus gezogen sind, hatten sie ständig die Heizung an, nicht selten im Winter voll aufgedreht. Selbst wenn die Fenster mal offen waren.
Die Heizkosten waren da sogar in der Miete mit inbegriffen. Da gab es keine Zähler an den Heizungen wie heute.
Aber mit dem Kraftwerk in Sichtweite und der Fernwärme war es damals wohl auch iwie Luxus, als keine Kohlen mehr geschleppt werden mussten.

@martenot

Ja, so genau kann man nie wissen was passiert wäre.
Aber ich wäre mindestens hier und da angeeckt. Schon allein weil ich Unsinn gerne hinterfrage. Wie warum der "antifaschistische Schutzwall" nach Innen ausgerichtet ist, warum man da nicht rüber darf, wenn er doch nur davor schützen sollte das von Außen keine "Feinde" rein kommen. Ich meine sowas war doch offensichtlich und trotzdem wurde so getan als würden die Leute nicht eingesperrt werden.

Oder hatte man irgendwann offen erzählt, dass die Leute im Land bleiben müssen, weil der Staat sonst zusammenbricht? Weiß ich ehrlich gesagt nicht. Aber auch sowas wie diese 5-Jahrespläne. Und fast jeder hat ja gesehen, wie das Leben woanders aussieht, es gab ja Fernsehen und da konnte man sich ja schon ein kleines Bild von machen.
Zitat von SophiaPetrilloSophiaPetrillo schrieb:Die Stasi hat auch erpresserische Methoden angewendet. Das Belohnungssystem, um Spitzel zu rekrutieren war eher selten.
In einer Doku erzählte mal einer, der bei der Flucht gefasst wurde, dass sie ihn damit erpresst haben, seiner Schwester würde ihr Kind weggenommen, wenn er nicht mitarbeitet. Ich glaube die haben viele IMs mit Erpressung zur Mitarbeit "überredet".


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01.08.2021 um 23:05
Jedenfalls geht es mir immer noch so, dass ich mich emotional ergriffen fühle, wenn ich "einfach so" von Ost nach West und umgekehrt fahren kann. Egal, ob an der Glienicker Brücke oder zwischen Bayern und Sachsen, ich erlebe das immer wieder als etwas Besonderes, obwohl der Mauerfall inzwischen schon so lange her ist.

Insofern würde ich sagen, dass ich die Mauer sicher niemals zurück haben wollte. Und ich fühle mich auch als Bayer den Sachsen, Thüringern, Brandenburgern etc. verbunden.


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01.08.2021 um 23:11
Zitat von martenotmartenot schrieb:Insofern würde ich sagen, dass ich die Mauer sicher niemals zurück haben wollte. Und ich fühle mich auch als Bayer den Sachsen, Thüringern, Brandenburgern etc. verbunden.
Das kann ich unterschreiben. ;) Ich fühle mich als Thüringerin, meinem Partner (Hesse) und meinen Freunden in mehreren neuen und alten Bundesländern sehr verbunden. :)


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01.08.2021 um 23:15
Zitat von SophiaPetrilloSophiaPetrillo schrieb:Ich fühle mich als Thüringerin, meinem Partner (Hesse) und meinen Freunden in mehreren neuen und alten Bundesländern sehr verbunden.
Thüringen ist ja sowieso recht stark verzahnt mit Bayern und Hessen, sodass es naheliegend ist, wenn man sich auf beiden Seiten miteinander verbunden fühlt. Ich liebe es beispielsweise, im Grenzgebiet unterwegs zu sein oder grenzüberschreitende Wanderungen zu machen.


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01.08.2021 um 23:23
Zitat von martenotmartenot schrieb:Thüringen ist ja sowieso recht stark verzahnt mit Bayern und Hessen, sodass es naheliegend ist, wenn man sich auf beiden Seiten miteinander verbunden fühlt. Ich liebe es beispielsweise, im Grenzgebiet unterwegs zu sein oder grenzüberschreitende Wanderungen zu machen.
Ich bin sehr dankbar dafür, dass es keine Mauer mehr gibt und es ist eine enorme Bereicherung überall hinreisen zu können, wo man möchte. Gerade Bayern hat landschaftlich sehr viel zu bieten. :) Als ich das erste mal in München war, war ich enttäuscht, weil da keine Berge zu sehen waren. In meiner Vorstellung hatte ich Berge erwartet.


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01.08.2021 um 23:25
Zitat von SophiaPetrilloSophiaPetrillo schrieb:Als ich das erste mal in München war, war ich enttäuscht, weil da keine Berge zu sehen waren. In meiner Vorstellung hatte ich Berge erwartet.
Haha, ja das denken viele. Liegt wahrscheinlich daran, dass sich München irgendwie als Stadt vor den Alpen vermarktet. Dabei liegt München in einer absolut flachen Gegend (Münchner Schotterebene genannt), die es mit der norddeutschen Tiefebene aufnehmen könnte. Und unweit von hier, Richtung Augsburg gibt es eine andere Ebene, das Lechfeld. Platt wie eine Flunder.

Da ist es im Thüringer Wald viel bergiger.


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01.08.2021 um 23:30
Zitat von martenotmartenot schrieb:Da ist es im Thüringer Wald viel bergiger.
Das habe ich von bayerischen Freunden auch schon gehört. ;)


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01.08.2021 um 23:32
Zitat von SophiaPetrilloSophiaPetrillo schrieb:Das habe ich von bayerischen Freunden auch schon gehört. ;)
Überhaupt ist Bayern entgegen seinem Ruf ein relativ flaches Bundesland. Es gibt halt die üblichen Mittelgebirge (Bayrischer Wald, Fichtelgebirge, Oberpfälzer Wald), und einige Flusstäler (Maintal, Donautal etc.), aber alles in allem ist die Landschaft ziemlich ähnlich wie anderswo in Deutschland. Das Hochgebirge beschränkt sich auf kleine Gebiete in der Nähe der Grenze zu Österreich.

Ich fahre relativ oft mit der Bahn von München Richtung Stuttgart, und die Strecke bis Ulm (Grenze zu Baden-Württemberg) ist verhältnismäßig eintönig. Jedenfalls nicht so, wie sich Bayern gern vermarkten möchte.


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01.08.2021 um 23:43
Manchmal denke ich, dass es schön gewesen wäre, wenn meine beiden Omas den Mauerfall noch mit erlebt hätten. Sie hätten es einerseits nicht für möglich gehalten und andererseits sich sehr darüber gefreut. Dadurch, dass ein Teil meiner Ursprungsfamilie aus Schlesien kam, hatte ich eine Oma im Osten und eine im Westen.

Mauern sind grundsätzlich schlecht, die realen, wie die ehemalige Mauer zwischen Ost und West und genauso wie die Mauern, die sich in manchen Köpfen befinden. Da Leben ist soviel schöner ... ohne Mauern.


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01.08.2021 um 23:58
Zitat von SophiaPetrilloSophiaPetrillo schrieb:Da Leben ist soviel schöner ... ohne Mauern.
Das sehe ich ganz genauso. Deswegen war mein Bestreben eigentlich schon immer, jenseits der Mauern zu schauen und auch zu reisen. Eigentlich kann ich nicht nachvollziehen, warum so viele Menschen sich Mauern wünschen oder sie sich im eigenen Kopf zurechtzimmern, indem man beispielsweise Vorurteile pflegt. Es gibt ja sogar innerhalb Deutschlands so viele Vorurteile (Ost wegen West, Süd gegen Nord, Großstadt gegen Land, Ober- gegen Niederbayern, etc.), und letztlich sind sie doch alle überflüssig und hinderlich.


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10.08.2021 um 12:55
So "golden" war der "freie Westen" in meinem Erleben auch nicht. Kein Grund, eines der beiden konkurrierenden Systeme vor dem Mauerfall zu verklären.
Ich habe auch schon Leute erlebt, die rückwirkend betrachtet, ihre Jugend im Faschismus "besser" fanden. Im Alter trübt sich der Blick nach "hinten". Unangenehmes verdrängt man, Angenehmes bewahrt man im Gedächtnis.

In meiner Kindheit und Jugend waren die Leute genau so gestresst, abgehetzt und überarbeitet wie heute. Es war die Zeit des Wiederaufbaus, des Wirtschaftswunders, das dann aber doch nicht alle zu Reichtum kommen liess. Es war die Zeit der Prügelstrafe in Schule und am Ausbildungsplatz. Maul halten und ranklotzen hiess die Devise. Es war die Zeit, als alte Nazis Lehrer und Polizisten waren, Richter und Staatsanwälte, Politiker erst recht. Es war die Zeit der panischen Angst vor den bösen Russen, vor dem Atomkrieg (Berlin, Kuba, Vietnam, CSSR). Die D-Mark war auch nur toll für den, der genug davon hatte und das waren die wenigsten. Für ein Pfund Kaffee musste man mehr als eine Stunde arbeiten, für einen Anzug mehr als einen Monat, ein Auto blieb ein Traum. Auch damals gab es, strukturell bedingt im Zeichen der Krise Mitte der Sechziger Jahre hohe Arbeitslosenraten in Bergbauregionen oder an der Küste, und Lehrstellen waren dort Mangelware. In der Schule drängten sich bis zu 40 Kinder in einer Klasse. Wohnraum war knapp und teuer. Von meinen Mitschülern hatte kaum einer ein eigenes Bett, von eigenen Zimmern in den winzigen Wohnungen ganz zu schweigen. Es gab keine Freizeitangebote für Jugendliche, man war erst mit 21 volljährig, und wer unverheiratet sexuell aktiv wurde, hatte Ärger mit dem Kuppeleiparagrafen. Verhütungsmittel gab es kaum, an Aufklärung war nicht zu denken. "Gleichberechtigung" gab es nicht mal auf dem Papier und Schwule kamen in den Knast.

Nee, liebe Leute. Keine Ahnung, wann das bessere "früher" denn gewesen sein sollte - aber zu meinen Lebzeiten nicht. Wenn ich meine Eltern und Grosseltern noch in Erinnerung habe, dann auch nicht zu ihren.


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10.08.2021 um 12:57
Ein' hab' ich noch:

Als jemand, der Jugend und junges Erwachsenendasein in den 1960/70ern verbracht hat, kann ich mich eher erinnern an Terrorangst, Rasterfahndung, Überwachungsstaat, Berufsverbot, Kaltem Krieg und rücksichtslosem Atomprogramm. Da war die Haartracht weniger wichtig als das, was darunter war.

Aus einem historischen Beitrag zum Vergleich BRD/DDR mal kurz ausgegraben:

Wenn ich mich so recht an meine Kindheit und Jugendzeit in der BRD (ab 1954)erinnere, fallen mir gewisse Ähnlichkeiten zu Erfahrungen von in der DDR sozialisierten Menschen auf.

Nach dem KPD-Verbot 1956 wurden alte Kommunisten, die schon im Hitler-Faschismus im Knast oder KZ gesessen hatten, wieder eingesperrt. Wer statt SBZ den Begriff DDR gebrauchte, wurde als Kryptokommunist schief angesehen. In der Zeit der Berufsverbote in den 1970ern durftest Du hierzulande als Kommunist weder Lokführer noch Briefträger werden - Lehrer schon gleich gar nicht. Von der Hysterie der Terrorfahndungen oder den Bürgerkriegssituationen an AKW-Bauplätzen mal ganz abgesehen.

Zu meiner Schulzeit waren Jeans verboten - die Nieten hätten das Schulmobilar beschädigen können und wer sich als Junge traute, lange Haare zu haben, wurde von den Lehrern aufgefordert, zum Friseur zu gehen (Du bist doch kein Mädchen!). Comics und Beatmusik galten als Sendboten des Teufels. Wer als Jugendlicher mit Altersgenossen auf der Strasse "abhing" bekam von Passanten Kommentare wie "Euch sollte man alle vergasen" oder "Unter Adolf hätte es das nicht gegeben" zu hören. Wer nicht zur Bundeswehr ging, wurde schief angeguckt und musste mit beruflichen Nachteilen, spätestens nach der Frage des Personalchefs "Haben Sie gedient?" rechnen.

Nein, Toleranz oder Akzeptanz von "abweichenden" Verhaltensweisen wurde offenbar in beiden deutschen Staaten nicht gern gesehen und konnte für nicht Angepasste durchaus böse Folgen haben.
Da nahmen sich beide Systeme während des Kalten Krieges nicht viel.

Also, liebe aufgekaufte ehemalige DDR-Bürger: Hier im "freien Westen" war auch nicht alles Gold, was scheinbar glänzte."

Aus einem ollen DDR-Thread exhumiert:

Wenn ich die Tatsache, dass jeder Arbeit hat, über die Frage nach dem gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Sinn der Arbeit stelle, dann bin ich natürlich zufrieden, wenn jeder irgendwie so tut, als täte er etwas. Freitag ab eins macht jeder seins, wie sich die älteren DDR-Bürger noch erinnern.

Die Frage, wer welche Ausbildung bekam, richtete sich, wie in der BRD, nach ökonomischen Notwendigkeiten, nur sehr selten nach den individuellen Interessen des Ausbildungsplatzsuchenden. Die Tatsache, dass jemand einen Ausbildungsplatz hat, sagt nichts über die Qualität dieses Platzes aus. He, hallo Stift, hol mir mal ne Flasche Bier- galt dort wie hier.

Die "Gemeinschaftlichkeit", mal als Volksgemeinschaft, mal als Solidarität deklariert, wird rückblickend gern als das grosse Plus der DDR gefeiert. Als ich damals mit Genossen aus der DDR sprach, redeten sie anders (nach dem 3. Bier): der Konkurrenzdruck und der Neid, die Intrige gehörten zum Handwerkszeug in Partei und Kombinat. Wurde irgendwo ein guter Posten frei, begann das Rattenrennen. Mobbing war, wie in vergleichbaren Institutionen im Westen, an der Tagesordnung. Nicht wenige Genossen trugen die Säge für den Stuhl des Genossen in der Tasche. Dass man sich gelegentlich in der Datsche kollektiv die Birne zuzog, gehörte zur Schmierung des Systems, ähnlich wie im Westen. Die gearschten waren, wie anderswo auch, die Frauen. Für die DDR-Mutti galt Karriere, politische zumal, als so anrüchig wie im Westen. Davor sei die markige Faust des sozialistischen Ehemannes.

Armut ist natürlich relativ. Sicherlich würde ein ALDI-Filialleiter seinen Vetrag kündigen, würde man ihm Honeckers Villa in Wandlitz als Betriebswohnung zuweisen, um mal die Relativität von "Reichtum" darzustellen. Aber die Lebenssituation vieler Bürger der DDR war am unteren Rande des Existenzminimums angesiedelt. Niedriglohngruppen gab es dort wie hier, vor allem für Frauen. Viele Rentner konnten nur dank ihres Reiseprivilegs über die Runden kommen. Versorgungsengpässe taten ein Übriges. Okay, verhungert ist keiner, aber das ist auch heute nicht der Fall.

"Keine Nazis" zählt zu den grossen Lebenslügen der DDR. Sowohl in Wirtschaft, Politik, Kultur und Militär sassen gewendete Faschisten. Wie im Westen griff man beim Wiederaufbau auf "bewährte" Leute zurück. Dazu empfehle ich jedem das "Braunbuch DDR" aus den späten Siebzigern. Vielleicht gibt's das noch antiquarisch. Unabhängig davon gab es eine, wenn auch verdeckte, faschistische Opposition, zumindest in den Achtzigern, als es unter einigen Jugendlichen als chic galt, "rechts" zu sein. Auf diese Strukturen konnten die West-Faschisten nach 1989/90 zurückgreifen.

Ordentliche Jugenderziehung ist so ein abgelatschter Gummibegriff. Was ist "ordentlich"? Wer ist besoffen und stinkt wie ein Tier? Der Junge Pionier!

Warum eigentlich sind alle Weltverbesserer oder die, die sich dafür halten, für eine kollektive Zwangserziehung der Jugend. Freiheit scheint ihnen Angst zu machen.

Wohin das Leitbild geführt hat, sehen wir 1989/90: Rein in den Trabbi und raus, Begrüssungsgeld auf den Kopf hauen, Kredite aufnehmen bis zum Anschlag und konsumiert wie geschmiert. Dann gerne herumjammern, dass einem keiner gesagt hat, wie böse der Kapitalismus sein. Da haben Mandy und Maik offenbar bei Marxismus-Leninismus-Schulung komplett auf Durchzug gestellt. Sie hätten es besser wissen müssen, die kleinen Dösis. Nach dem Jammern Sündenbocksuche und Pogromstimmung wie in Rostock-Lichtenhagen oder Hoyerswerda und anderswo. Die ausgleichende Gerechtigkeit mit dem Baseball-Schläger und Springerstiefel gesucht. Wie sagte mir vor 15 Jahren ein alter PDS-Genosse aus Rostock: Der Kapitalismus ist scheisse, er hat uns die ganzen Ausländer hergebracht. Wenn das die Konsequenz des Leitbildes ist, dann dürften diejenigen, die für ein sozialistisches Deutschland und internationale Solidarität gestorben sind, in ihren Gräbern rotieren. Und ich schäme mich, mit solchen Menschen die Partei zu teilen.

(von 2007)


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