Hunderte Robbenjäger im Packeis gefangen
27.04.2007 um 09:17
ROBBENJÄGER IN SEENOT
"Ihnen wird allmählich bange"
Was sich da vor Neufundlandabspielt, ist eine Katastrophe, auf die die Welt normalerweise mit Mitleid schauen würde:Bis zu 500 Seeleute sitzen im Packeis fest, sie bangen um ihr Leben, ihnen gehen dieVorräte aus. Doch die Solidarität hält sich in Grenzen: Es geht um Robbenjäger.
Daszumindest vorläufige Ende der diesjährigen Robbenjagdsaison vor Kanadas Küste begannMitte vergangener Woche mit einem ungewöhnlich starken Nordostwind. Er drückte treibendePackeismassen in Richtung Neufundland und Labrador, schichtete die Schollen auf,komprimierte das Eis zu einer geschlossenen, festen Masse und hob dabei Fischerboote undRobbenfänger aus dem Wasser. Manche kippten und dürften sinken, wenn sich das Eiszurückzieht; manchen drückten die Eismassen die Bordwände ein. Über 100 Schiffe warenMitte der Woche im Packeis gefangen, mit rund 500 Mann Besatzung.
Fünf der amschlimmsten beschädigten Boote wurden inzwischen evakuiert, doch das ist nicht leicht.Das extreme Wetter hält an, jede Rettungsaktion ist auch für die Helfer lebensgefährlich.Eine nicht geklärte Zahl von Booten wurde von ihren Besatzungen aufgegeben, die aufBooten unterkamen, die in der Nähe feststeckten. Auch darum gehen vielen Besatzungen nunVerpflegung und Brennstoff aus, denn der größte Teil der Flotte war auf dem Weg in dieHäfen. Ihre Schiffe sind die, die am stärksten betroffen sind, erklärte Brian Penney vonder kanadischen Küstenwache der "Canadian Press": Je schwerer die Ladebuchten beladenwaren, desto tiefer hingen die Boote im Wasser, was das Risiko der Beschädigung durch dasdrückende Packeis erhöhe.
Es sind 17 Boote mit rund 70 Robbenjägern, die den Retterndie meisten Sorgen bereiten: Sie gelten zurzeit als die am stärksten beschädigten Boote,mit eingedrückten Bordwänden oder abgerissenen Schiffsschrauben. Kein einziger derKapitäne hatte um Evakuierung gebeten, obwohl einige Besatzungen die Boote aufgaben undUnterschlupf auf anderen, weniger stark betroffenen Booten fanden.
"Wir fordern siedazu auf, ihre Notlage zu erklären und um Rettung zu bitten", erklärt ChristopherFitzgerald von der kanadischen Küstenwache, "und dann schicken wir einen Hubschrauber, umsie da raus zu holen. Aber sie wollen nicht. Für sie geht es um ihre Lebensgrundlage. Diebleiben lieber auf ihren Booten. Wenn das Boot zerdrückt wird, retten sie sich aufsEis."
Ein Kapitän, den das Eis bereits vor zwölf Tagen beim Auslaufen erwischte undder nun ohne Fang in den Hafen zurückkehrte nannte das "eine Erfahrung, die man nichtzweimal erleben muss". Die Szenerie sei unwirklich gewesen, es habe kein Wasser mehrgegeben, nur Eis. Trotz des relativ glücklichen Ausganges sei das alles für ihn eineKatastrophe: Im letzten Jahr habe er 50.000 kanadische Dollar mit der Jagd verdient, "waseine Menge ist, wenn durch die Fischerei gar nichts mehr reinkommt".
Die kanadischeRegierung hatte in diesem Jahr 270.000 Robben zum Abschuss freigegeben - eine Jagd, diejedes Jahr von weltweiten Protesten begleitet wird. Rund 200.000 Robben sollen bereitserschlagen worden sein, ein nicht unerheblicher Teil dieses Fangs dürfte verloren gehen.Trotz Einfuhrverbote für Robbenfelle in den USA und der EU ist die internationalumstrittene Jagd noch immer ein lukratives Geschäft. Die Jäger bekommen rund 57 Euro proFell. Abnehmer sind die Modeindustrie in Norwegen, Russland und China.
pat/AP Spiegelonline, 21.4.07, von mir gekürzt
Und noch eine interessante dpa-Meldungdazu:
Von Mitte März bis Mitte April findet alljährlich im Sankt-Lorenz-Golf undvor Neufundland die Robbenjagd statt. Weltweit protestieren Tierschützer gegen diebrutale Schlachtung von hunderttausenden der Meeressäuger, die oft noch bei lebendigemLeib gehäutet werden. "Wir freuen uns nie, wenn Menschen in Gefahr kommen und sie mitihren Fischerbooten auch ihre Lebensgrundlage verlieren", betonte gestern Ralf Sonntag,Direktor des Tierschutzfonds IFAW Deutschland. "Außerdem müssen wir davon ausgehen, dassdie Fangquote von 270 000 Tieren in diesem Jahr von anderen Robbenfängern erfüllt wird."Der Fall zeige aber deutlich, dass die Robbenjagd nur mit hohen indirekten Subventionendurch den Einsatz von Eisbrechern und Suchflugzeugen möglich sei.
Auch die für Kanadazuständige Direktorin der amerikanischen Humane Society, Rebecca Aldworth, zog denSchluss, dass die Robbenjagd nicht nur brutal für die Tiere, sondern auchlebensgefährlich für ihre Jäger sei. "Am Ende müssen die kanadischen Steuerzahler dafürherhalten, wenn die Küstenwache das Eis für die Fangboote zu brechen und dieeingeschlossenen Robbenjäger zu retten hat."
dpa
Nur, um die emotionaleDiskussion mal mit ein paar Fakten zu füttern.