@WyattGilletteDen genauen Wortlaut erinnere ich nach nunmehr 27 Jahren natürlich nicht mehr. Sinngemäss habe ich unserer Tochter gesagt, dass ihre Mutter in das Land geflogen ist, wo sie geboren ist, weil dort Krieg ist, und sie als Ärztin den verletzten Menschen dort helfen wollte. Das habe ich ihr schon gesagt, als meine Frau abflog. Nachdem ich erfahren hatte, was geschehen war, musste ich ihr sagen, dass Mama nicht wiederkommt, weil sie dort getötet worden ist.
Natürlich war die Erschütterung bei uns beiden unbeschreiblich. Die Zeit, die ich dann verbrachte, um die genauen, bis heute nicht ganz geklärten Todesumstände herauszufinden, war für uns beide eine ganz schreckliche Zeit. Wir haben uns sozusagen dahingehend geeinigt, dass ihre Mutter eine ganz mutige Frau war, die ihr Leben für die Rettung anderer Menschen hingegeben hat. Wenn ich das so aufschreibe, klingt das ziemlich pathetisch. Aber es hat Leila (unserer Tochter) geholfen, damit umzugehen. Abends hat sie vor dem Bild ihrer Mutter gesessen und ihr erzählt, was sie tagsüber gemacht hat. Sie hat die Verbindung zumindest für sich quasi aufrecht erhalten. Und sie hat jedem, egal, ob er/sie es hören wollte, erzählt, dass sie ihre Mutter als Vorbild sieht und mal so werden will wie sie, was mir damals schon ziemliche Angst gemacht hat. Das führte dazu, dass es im Kindergarten ziemlichen Ärger gab, weil ihre Erzählungen anderen Kindern Angst gemacht hätten, wie eine Erzieherin sagte. Hätte meine Tochter lügen sollen? Später im Religionsunterricht gab es (im finsteren Bayern) erst recht Probleme, weil sie anlässlich der Frage, was denn Christen so machen, korrekterweise antwortete: "Meine Mutter totmachen!"
Aber das, zugegeben idealisierte, Mutterbild hat dazu geführt, dass Leila sich sehr in Schule und Studium hineinkniete, weil sie Ärztin werden wollte, und wurde, wie ihre Mutter. Als sie älter wurde, konnten wir natürlich auch über die Schattenseiten der von ihr idealisierten "Lichtgestalt" reden.
Nein, grundsätzlich halte ich nichts davon, Kinder unter Glasglocken aufwachsen zu lassen. So haben meine beiden jüngeren Kinder beispielsweise das Sterben und den Tod ihrer Oma, die wir die letzten Wochen im Hause pflegten, hautnah mitbekommen. Sie haben gelernt, was sie vorher schon von Tieren wussten (wir leben auf dem Land), nämlich, dass Geburt und Tod die Eckpunkte allen Lebens sind.
Warum sollte man ihnen dies verheimlichen?