für alle, die es interessiert:
Krankheitsbild und Formen der DepressionDepressive Erkrankungen verlaufen meist in Phasen, die über mehrere Monate, bei einigen Patienten auch über Jahre anhalten können.
Unipolare Depression:Die meisten Menschen, die an einer Depression erkranken, erleiden in ihrem Leben mehr als eine depressive Episode. Derartige Episoden dauern unter Umständen Wochen, manchmal auch Monate, insbesondere dann, wenn die Patienten nicht konsequent behandelt werden. Treten nur depressive Episoden auf, so spricht man von einer unipolaren Depression.
Bipolare affektive Störung:Manche Patienten erleiden nicht nur depressive, sondern auch manische Episoden. Manische Episoden sind gekennzeichnet durch einen unbändigen Tatendrang, meist gehobene Stimmung, fehlendes Schlafbedürfnis, Größenideen, häufig auch durch Kaufrausch. In diesen Fällen spricht man von einer bipolaren affektiven Störung.
Dysthymie:Manche Patienten leiden an einer meist leichter ausgeprägten, aber dafür chronisch verlaufenden Form der Depression, genannt Dysthymie. Diese beginnt meist im frühen Erwachsenenalter.
Depressive Episoden im Rahmen unipolarer und bipolarer affektiver Störungen sowie Dysthymie gehören zu den wichtigsten Depressions-Diagnosen. Depressive Erkrankungen können jedoch auch im Rahmen körperlicher Erkrankungen, z. B. von Schilddrüsenfunktionsstörungen, oder in Verbindung mit bestimmten Medikamenten, z.B. hochdosierter Cortisonbehandlung, auftreten.
Die depressiven Episoden können Wochen, Monate und unbehandelt manchmal auch Jahre anhalten. Gerade bei lang dauernden Phasen besteht die große Gefahr, dass sich ein fatalistischer Gewöhnungsprozess bei den Angehörigen und auch dem Patienten selbst einstellt und die Beschwerden nicht als Ausdruck einer Erkrankung, sondern der Persönlichkeit oder der Lebensumstände des Patienten angesehen werden.
Symptome der DepressionBei depressiven Menschen können wir sowohl körperliche Veränderungen als auch Veränderungen des Verhaltens und Erlebens beobachten. Die Depression erfasst alle drei Bereiche.
Verändertes Erleben:Die Patienten berichten über verändertes Erleben. Gefühle der Hoffnungslosigkeit dominieren: Hilflosigkeit, innere Leere, Schuld und Angst, Verzweiflung und Trauer, aber auch die Unfähigkeit, überhaupt noch Gefühle empfinden zu können ("Ich bin wie versteinert"). Negative Denkmuster herrschen vor. Depressiv Erkrankte entwickeln in vielen Fällen eine pessimistische Einstellung gegenüber sich selbst, den eigenen Fähigkeiten, dem eigenen Aussehen und der Zukunft, verbunden mit starker Grübelneigung. Permanente Selbstkritik, Konzentrationsprobleme und Suizidgedanken sind häufig. Manche Patienten entwickeln auch Wahnvorstellungen, z.B. die Überzeugung unheilbar erkrankt zu sein, oder sich und die Familie finanziell ruiniert zu haben. Die Betroffenen sind nur schwer davon zu überzeugen, dass sie eine Krankheitsepisode durchleben, die in den meisten Fällen gut zu behandeln ist.
Verändertes Verhalten:Die Patienten vermeiden soziale Kontakte, stellen Hobbys ein, können ihre Arbeit nicht mehr bewältigen und ziehen sich ins Bett zurück. Die Mimik und Gestik ist bei vielen Patienten wie erstarrt, die Stimme leise und monoton. Einige Patienten laufen rastlos, verzweifelt und wie getrieben hin und her (agitierte Depression).
Körperliche Beschwerden:Schlaflosigkeit mit Früherwachen, Appetitstörung mit Gewichtsverlust, Libidoverlust, schnelle Ermüdung und multiple körperliche Beschwerden gehören zu den vielfältigen somatischen Begleiterscheinungen einer depressiven Störung.
Depression und GeschlechtFrauen erkranken zwei- bis dreimal so oft an einer Depression wie Männer. Für diesen Geschlechterunterschied gibt es verschiedene Erklärungen.
Frauen sprechen eher über ihre Ängste und Stimmungsschwankungen und werden eher als "depressiv" eingeordnet, während bei Männern oft organische Ursachen vermutet werden. Das unterschiedliche Verhalten der Geschlechter und das unterschiedliche Diagnoseverhalten der Ärzte spielen also möglicherweise eine Rolle.
* Die soziokulturelle Erklärung stellt die gesellschaftliche Rolle der Frau in den Mittelpunkt. So wird zum Beispiel die Hausfrauenrolle immer mehr entwertet und immer weniger honoriert; erwerbstätige Frauen müssen die Mehrfachbelastung von Hausarbeit, Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit tragen. Beides könnte dazu führen, dass Frauen eher zu Depressionen neigen.
* Der Geschlechterunterschied ist teilweise auch hormonell bedingt. So sind Frauen in Zeiten mit großen Hormonschwankungen anfälliger für eine Depression: Vor der Menstruation oder nach einer Geburt. Beim prämenstruellen Syndrom treten depressive Störungen immer nur vor der Menstruation auf. Die Anfälligkeit scheint genetisch veranlagt zu sein und durch Umwelteinflüsse verstärkt zu werden. Schwere Fälle des prämenstruellen Syndroms werden mit Medikamenten behandelt.
* Die postpartale Depression tritt nach der Geburt auf. Viele Frauen leiden im Wochenbett an einer depressiven Verstimmung, doch meistens handelt es sich um eine kurzlebige Erscheinung, den "Baby-Blues". Erst wenn die Symptome über einen längeren Zeitraum andauern, handelt es sich um eine ernsthafte Wochenbettdepression.
Ob Frauen während oder nach der Menopause (Wechseljahre) anfälliger für eine Depression sind, ließ sich bis jetzt nicht abschließend klären.
Bei der Depression im Rahmen einer bipolaren affektiven Erkrankung gibt es übrigens keinen Geschlechterunterschied.
Depression und AlterAltern geht mit zahlreichen Verlusterlebnissen einher, etwa dem Verlust der körperlichen, manchmal auch der geistigen Leistungsfähigkeit, dem Verlust des Lebenspartners, des Einflusses im beruflichen und sozialen Bereich, oft auch dem Verlust der eigenen Wohnung.
Man könnte deshalb erwarten, dass alte Menschen deutlich häufiger an Depressionen erkranken. Zumindest bei den schweren Depressionen gibt es jedoch für diese Vermutung keine überzeugenden Belege. Bei jüngeren Erwachsenen wurden sogar häufiger Depressionen diagnostiziert als bei älteren Menschen. Hierbei muss man aber methodische Probleme bedenken. So könnte die Bereitschaft der jüngeren Generation, über depressive Beschwerden zu berichten, größer sein als bei der älteren Generation. Erschreckend ist allerdings die hohe Suizidrate im Alter, besonders bei alten Männern.
Keinesfalls ist höheres Alter mit seinen vielfältigen körperlichen Erkrankungen allein ein ausreichender Grund für depressive Erkrankungen. Depressionen müssen im Alter genauso konsequent wie in jüngeren Jahren behandelt werden, zumal sie bei älteren Menschen besonders leicht einen lebensbedrohlichen Charakter annehmen.
Depression und Kindheit und JugendKleine Kinder können keine schwere Depression entwickeln - von dieser Hypothese gingen Ärzte und Forscher bis in die 1980er Jahre aus. Heute gilt das nicht mehr. Wenn ein Kind ständig weint, ein negatives Selbstbild hat, seine Aktivität herabgesetzt ist und es davon spricht, nicht mehr leben zu wollen, so handelt es sich um depressive Symptome wie bei einem Erwachsenen auch.
Vor der Pubertät gibt es keinen deutlichen Unterschied in der Depressionshäufigkeit zwischen Mädchen und Jungen. Nach der Pubertät jedoch sind wesentlich mehr Mädchen als Jungen depressiv.
Die 15-19jährigen Frauen haben außerdem die höchste Suizidversuchsrate überhaupt, nämlich 340 je 100.000 Einwohner. Alarmierend ist die in den letzten Jahren in mehreren Ländern zu beobachtende Zunahme der Suizidrate bei männlichen Jugendlichen.
Jugendliche machen während ihres Reifeprozesses zahlreiche neue Erfahrungen: Verliebtsein, Trennung, Ablösung vom Elternhaus. Dies alles bringt eine gewisse Verunsicherung mit sich, die wiederum Depressionen und/oder Suizidgedanken auslösen könnte.
Depression und VeranlagungBeim Entstehen einer Depression spielt auch die Veranlagung eine Rolle. Die Wissenschaft unterscheidet zwischen genetischer und erworbener Veranlagung. Eine erworbene Veranlagung wird im Gegensatz zur genetischen Veranlagung nicht vererbt, sondern entsteht zum Beispiel durch ein frühkindliches Trauma. Im Folgenden ist nur von der genetischen Veranlagung die Rede. Familien-, Zwillings- und Adoptionsstudien legen nahe, dass bei manchen Menschen eine genetisch bedingte Empfindlichkeit für Depression besteht.
So zeigen Familienuntersuchungen, dass Verwandte depressiver Patienten zu mindestens 20% ebenfalls depressiv sind. Damit tritt die Depression im Familienkreis öfter auf als in der Allgemeinbevölkerung (5-10%). Bei eineiigen Zwillingen ist das Phänomen noch häufiger: Hat ein Zwilling eine Depression, hat der andere Zwilling sie in über 40% der Fälle ebenfalls. Bei zweieiigen Zwillingen beträgt die Rate 20%. Und Adoptionsstudien zeigen, dass die biologischen Eltern depressiver Adoptierter ebenfalls häufig depressiv sind.
Die Zwillingsstudien zeigen umgekehrt aber auch, dass der genetische Faktor nur ein Teilfaktor ist. Selbst bei identischer genetischer Ausstattung erkrankt der Zwillingspartner des depressiven Patienten in weniger als der Hälfte der Fälle. Beim Entstehen einer Depression spielen immer auch Umweltfaktoren eine Rolle. Darüber, wie die mögliche genetische Grundlage der Depression allerdings aussehen könnte, besteht keine Einigkeit. Einvernehmen herrscht im Moment nur darüber, dass es ein isoliertes "Depressions-Gen" nicht gibt.
Zu bedenken ist, dass zwischen genetischen Faktoren und Umweltfaktoren komplizierte Wechselbedingungen bestehen können. So können genetische Faktoren z.B. bedingen, dass ein bestimmter Mensch durch eine große Risikobereitschaft sich häufig in schwierige Lebenssituationen manövriert. Umgekehrt kann es von genetischen Faktoren abhängen, ob ein bestimmter Mensch mit einer psychosozialen Belastung gut zurecht kommt oder depressiv erkrankt.
Depression und WetterTrübes Wetter und dunkle verregnete Herbst-Nachmittage schlagen bei vielen Menschen auf die Stimmung. Bei Einigen erhöht sich saisonal die Vulnerabilität für depressive Erkrankungen. Typische Symptome einer saisonal bedingten Depression sind u.a. anhaltende Müdigkeit, Süßhunger, Gewichtszunahme. Tatsächlich ist in der kalten Jahreszeit ein Anstieg depressiver Erkrankungen um etwa 10% zu verzeichnen.
Andererseits wird im Frühling eine erhöhte Zahl von Suiziden registriert. Eine eindeutige Zuordnung der Faktoren "schlechtes Wetter" und Depression ist nicht möglich.
Auch die drei von der Weltgesundheitsorganisation zusammengestellten Erhebungen der Suizidzahlen aus 18 europäischen Ländern ergeben kein einheitliches Bild. Aufgrund des epidemiologischen Befundes lässt sich auf den ersten Blick zwar ein Einfluss des Wetters auf die Stimmung und die psychische Gesundheit vermuten, insofern man tendenziell ein "Nord-Süd Gefälle" in den europäischen Ländern feststellen kann. So sind die niedrigsten Suizidzahlen eher in den warmen und sonnigen Ländern Griechenland und Italien zu finden, die höheren in den nördlicheren Staaten Dänemark und Finnland mit langen Wintern und kurzen Sommern.
Doch diese Korrelation zwischen Klima und Suizidrisiko ist keineswegs eindeutig. So standen beispielsweise die Staaten der früheren Donaumonarchie Österreich-Ungarn bei Erhebungen durch die Weltgesundheitsorganisation entgegen ihrer geographischen Lage in der Mitte Europas an oberster Stelle. In neueren Erhebungen sind sie jedoch von den baltischen Staaten von den vordersten Plätzen in dieser traurigen Rangliste verdrängt worden.
Auch könnten die relativ niedrigen Suizidzahlen aus den katholischen Ländern Italien, Irland und Polen fehlerhaft sein. Da der Suizid in streng katholischen Gesellschaften als Sünde betrachtet wird, kommt es häufiger zur Verschleierung der Todesursache und fehlerhaft ausgestellten Totenscheinen.
Aber selbst wenn man sonniges und warmes Klima als einen von vielen Faktoren für die unterschiedliche Stimmung und psychische Gesundheit der Bewohner der europäischen Länder in Betracht ziehen wollte, müsste die Interdependenz zu anderen Faktoren wie Mentalität, Tradition, Religiosität, Familiensinn, Gruppenzusammenhalt und Kommunikationsverhalten mit berücksichtigt werden. Das "sonnige Gemüt" des Südländers beispielsweise ist unter Umständen weniger eine direkte Folge der intensiveren Sonnenbestrahlung als des traditionell intensiveren Kommunikationsverhaltens in Ländern, in denen mehr "nach draußen gelebt" wird.
Unabhängig vom Klima spielen in allen europäischen Ländern auch soziographische Faktoren, wie die Urbanisierung und die zunehmende Anonymität, eine nicht unbedeutende Rolle. So sind Suizidversuche in städtischen Gebieten häufiger als in ländlichen. Nach einer WHO-Studie werden 70% aller Suizidversuche in Städten unternommen, obwohl weltweit nur etwa 50% der Bevölkerung in Städten lebt.
Auch Alkoholmissbrauch und Arbeitslosigkeit sind Faktoren, die die Suizidalität beeinflussen.
Quelle: http://www.kompetenznetz-depression.de/ (Archiv-Version vom 25.09.2004)~~*"Es ist ein großer Vorteil im Leben, die Fehler, aus denen man lernen kann, möglichst früh zu begehen." (Winston Churchill)*~~