@insidemanDie FAS ist vermutlich auch "realitätsfremd"?
Der menschliche Makel
Von Michael Wittershagen
Übergewicht kann teuer werden
20. Februar 2007
Das Hemd spannt über dem Bauch, die Beine sind zu kurz, die Nase krumm, die Zähne lückenhaft, die Haut unrein, und die wenigen Haare lassen freien Blick auf die Kopfhaut zu. Äußere Makel stehen dem beruflichen Aufstieg im Weg, und da kann die Ausbildung noch so fundiert, der Charakter des Menschen noch so liebevoll sein. Verschiedene Studien belegen dies und lassen den einfachen Schluss zu: Wer schön ist, der ist auch erfolgreich, und wer weniger attraktiv ist, der eben nicht.
„Nur mit Wissen kann niemand eine besondere Ausstrahlung erhalten, die heutzutage vor allem für Führungskräfte ausgesprochen wichtig ist“, sagt Sonja Bischoff, Professorin für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Universität Hamburg. In einer Langzeitstudie beschäftigt sie sich mit dem Zusammenhang von äußerem Erscheinungsbild und beruflichem Erfolg. Stuften 1986 lediglich sieben Prozent der deutschen Führungskräfte das Aussehen ihres Personals als wichtig ein, waren es 1991 bereits 14 Prozent, 1998 schon 22 Prozent und 2003 gar 28 Prozent.
Ein Kilogramm Übergewicht kostet 1000 Dollar
Besonderen Einfluss hat der Faktor Aussehen der Studie zufolge in Branchen wie Werbung, Public Relations und Kommunikation. Bischoff sagt: „Attraktivität ist heute oftmals wichtiger als persönliche Beziehungen.“ Schöne Menschen seien selbstbewusster und wirkten auf ihre Kollegen zielstrebiger. Eigenschaften, die man mit weniger attraktiven Menschen eher selten in Verbindung bringe.
Das Leben in einer Welt aus Bildern: Gesichter ohne Falten lächeln von großflächigen Plakaten, Frauen mit offenbar perfekten Zähnen und reiner Haut flimmern über den Fernseher, und scheinbar makellose Körper räkeln sich in Hochglanzmagazinen. Schöne Menschen stehen für Attribute wie Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Teile dieser Vorstellung ziehen sich bis in das Berufsleben.
Es geht dabei nicht um modische Schuhe, hübsche Hosen oder raffinierte Blusen. Es geht um den Menschen. Darum, wie er aussieht. Darum, wie er auf andere wirkt. Ein runder Bauch wirkt nicht so attraktiv wie ein muskulöser, der symbolisiert: Ich esse nicht, ich arbeite. Eine Glatze hat weniger vom Idealbild der Schönheit als volles Haar, und große Menschen wirken eben oftmals anziehender als kleine. An der Universität Wien hat man sogar herausgefunden, dass attraktivere Verkäuferinnen einen höheren Umsatz haben als weniger schöne Frauen.
Lustige Zwerge und seriöse Riesen
Für Frank Naumann ist all dies keine Überraschung. Der Berliner Kommunikationspsychologe hat sich eingehend mit der Macht von Attraktivität beschäftigt. Das Ergebnis ist als Buch erschienen und trägt den Titel „Schöne Menschen haben mehr vom Leben“. Naumann stützt darin die These von einem Zusammenhang zwischen Attraktivität und beruflichem Erfolg. „Es ist keine Frage, dass es weniger attraktive Menschen in unserer Gesellschaft schwerer haben, in allen Bereichen.“ Naumann bezieht sich auf verschiedene Studien, so etwa eine amerikanische, nach der Manager in den Vereinigten Staaten mit jedem Kilogramm Übergewicht rund 1000 Dollar weniger im Jahr verdienten.
Neumann erklärt das so: „Die Körperfülle symbolisiert jedem den Fitnesszustand und somit auch die Arbeitstüchtigkeit. Das Gegenüber wertet dies, bewusst oder auch unbewusst.“ Aber nicht hinter allen Schreibtischen müssten attraktive Menschen sitzen. „Eine Sekretärin soll vielmehr resolut und tüchtig sein, dabei durchaus stramm auftreten. Für die Frau wirkt es vielleicht sogar hinderlich, wenn sie glattes Haar und eine ausgesprochen ansprechende Figur hat“, sagt Naumann. Schließlich solle nicht jeder vermuten, der Chef habe sie nur wegen ihrer Schönheit in das Nebenzimmer gesetzt.
Naumann spricht von einer Art Rollenverteilung, die vom Aussehen des jeweiligen Menschen abhänge: Moderatoren wie Thomas Gottschalk oder Harald Schmidt sind großgewachsene Männer, ihre Geschlechtsgenossen wie Dirk Bach oder Herbert Feuerstein hingegen eher die lustigen Zwerge. Führungspositionen werden in der Regel von Männern besetzt, noch dazu von attraktiven, von jenen, die etwas darstellen und ausstrahlen. Von dem Geschäft auf dem Laufsteg muss an dieser Stelle gar nicht die Rede sein.
Schönheits-OP für den Karriereschub?
In England gehen heutzutage immer mehr Manager sogar zum Schönheitschirurgen, lassen sich die Nase korrigieren, die Falten aufspritzen oder das Fett an Bauch und Hüfte absaugen, weil sie glauben, dass gutes Aussehen auch gut für das Geschäft ist. In Deutschland ist ein ähnlicher Trend zu erkennen. „Mehr denn je ist heute ein gutes und jugendliches Aussehen wichtig für den Erfolg im Beruf und im Privatleben.“
Dieser Satz ist auf einer Internetpräsenz eines Düsseldorfer Schönheitschirurgen zu lesen. Tatsächlich legen sich in der Republik vor allem immer mehr Männer unter das Messer, heute ist dies bereits jeder siebte Patient. Tendenz steigend. „Viele geben offen zu, dass sie sich durch eine Korrektur des Äußeren Vorteile für die Karriere erhoffen“, sagt Joachim Graf von Finckenstein, Schönheitschirurg am Starnberger See. Darunter: eine Frau um die sechzig und noch mitten im Berufsleben, die durch ein Facelifting wieder mehr Jugendlichkeit ausstrahlen wollte, oder ein Mann, der durch weniger Polster an den Hüften dynamischer wirken wollte.
„Nach derartigen Korrekturen steigt vor allem das Selbstbewusstsein, die Menschen treten ganz anders auf und werden positiver wahrgenommen“, sagt von Finckenstein. Er spricht sogar von einer „positiven Aura“ seiner Patienten nach einer Operation. In Amerika und Australien werden mittlerweile sogar Muskelimplantate gewünscht, die womöglich dabei helfen sollen, sich im Büro gegen mögliche Widersacher durchzusetzen, und Kraft für den Karriereaufstieg geben sollen.
Wilde Typen für die IT-Branche
An der Schnittstelle von Bewerbern und Unternehmen arbeiten oft Personalberatungen. Karl Bosshard, Partner der Managementberatung Kienbaum, ist seit beinahe zwanzig Jahren im Geschäft und sagt, dass sich die Auswahlkriterien der Mitarbeiter in dieser Zeit nicht verändert hätten. „Gefragt sind Charakterköpfe mit Charisma und Persönlichkeit, weiterhin zählt die fachliche Qualifikation.“ Er sagt aber auch: „Massives Übergewicht kann die Karriere bremsen.“
Allerdings gilt das nicht für alle Branchen, wie Martin Vesterling, Geschäftsführer der gleichnamigen Personalberatung, sagt. Seine Agentur kümmert sich um rund 500 Unternehmen in Deutschland und vermittelt in der Hauptsache IT-Fachkräfte. „Vielleicht ist dies ein spezielles Feld“, vermutet Vesterling. Denn: „Mitunter sind da die wildesten Typen bei, mit langen Haaren und so weiter.“ Und trotzdem seien deren Möglichkeiten auf eine Arbeitsstelle deshalb nicht geringer. „Mit einem anderen Erscheinungsbild würden sie aber vermutlich mehr verdienen können.“
Viel mehr jedoch müsse in der Regel der Gesamteindruck der Bewerber stimmen: gepflegte Fingernägel, eine vernünftige Rasur und ein angenehmes Auftreten - all dies sei wesentlich wichtiger als die klassischen Schönheitsideale. Gleichwohl sagt auch Vesterling: „Attraktivität macht sich immer irgendwie bemerkbar.“
Auch bei der Bundesagentur für Arbeit weiß man von der Bedeutung des äußeren Erscheinungsbildes in Hinblick auf die Berufschancen. "Sympathien und Antipathien hängen wie überall im Leben häufig vom Aussehen ab", sagt Pressesprecher Heinz Oberlach. Die Fachleute in Nürnberg haben sich jedoch noch nicht weiter mit dem Wirken des Äußeren auf den beruflichen Erfolg beschäftigt. Einfach, weil es keinen Unterschied mache, ob der Arbeitslose nun attraktiv oder weniger attraktiv sei.
Was hat der Vollbart zu verbergen?
Dabei ist vieles, was nun als schön gilt oder nicht, überhaupt nicht zu beeinflussen. Dass Männer in Führungspositionen oft groß sind und sich dies auch auf ihrem Bankkonto niederschlägt, ist das Ergebnis einer Studie der London Guildhall University unter 11 000 Berufstätigen. Demnach erhalten Männer, die größer sind als 1,82 Meter, rund zehn Prozent mehr Gehalt als jene mit nur einer durchschnittlichen Körpergröße.
Die Wissenschaftler führen dies darauf zurück, dass große Männer von ihrer Umwelt als wesentlich selbstbewusster wahrgenommen werden. Dies stützt sich auf das soziologische Wissen, dass große Menschen im Allgemeinen als durchsetzungsfähiger und sicherer in ihrem Urteil gelten. Hilfreich soll zudem eine tiefe Stimme sein. Weiterhin steht volles Haar für Dynamik und symbolisiert jugendlichen Elan, ebenso wie schmale Hüften und breite Schultern. Hingegen ist ein Vollbart oftmals hinderlich für den beruflichen Erfolg, scheint der Mann dahinter doch etwas zu verheimlichen.
Bedeutet all dies nun also, dass weniger attraktive Menschen die Hoffnung auf eine Karriere aufgeben können? "Ganz im Gegenteil", sagt Professorin Bischoff. Nur müssten diese noch mehr auf ihr Äußeres achten. Die Industrie hat dies mittlerweile für sich entdeckt und sich intensiv um die Ergebnisse der Hamburger Studie bemüht.
Welchen Einfluss aber nun die Zähne auf den beruflichen Erfolg haben, das konnte auch Bischoff der Zahnärztekammer nicht verraten. Verschiedene Pharmaunternehmen und der Weltverband plastischer Chirurgen allerdings waren mit den Ergebnissen ihrer Untersuchungen hochzufrieden.
Text: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 18.02.2007, Nr. 7 / Seite V19
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