Ich bin der Ansicht, dass für diese Frage entscheidend ist:
Wann beginnt das menschliche Leben?
Denn einen Mord kann man nur begehen an einem lebenden Menschenwesen. Was noch kein Mensch ist, kann auch nicht ermordet werden.
Man kann nun die Einstellung einnehmen, dass das ,,Menschsein" schon mit der Zeugung beginnt, mit der Verschmelzung von Samenzelle und Eizelle, mit der Einnistung.
Allerdings ist zu dem Zeitpunkt noch eindeutig kein ,,Wesen", keine Person zu erkennen, sondern es liegt einfach eine Zellansammlung vor.
Es wurde nur ein Prozess in Gang gesetzt, der einmal zu einem Menschen führen KANN.
Natürlich sind auch Zellen irgendwie lebendig - aber eben keine Menschen, also können sie auch nicht ermordet werden.
Wenn es also gar nicht erst zur Befruchtung kommt, entsteht kein Mensch.
Und wenn der Prozess, der mal zur Menschwerdung führen wird, sehr früh unterbrochen wird, dann ist auch noch kein Mensch da.
Rein biologisch gesehen.
Der große Knackpunkt liegt für mich vor allem im Zeitpunkt: Ab wann kann man sagen, dass dieser ,,Zellhaufen" nun sein Menschsein begonnen hat?
Religiös (im Christentum) gesehen ist es noch schwieriger...
Es gibt keine eindeutige Aussage zur Abtreibung in der Bibel, soweit mir bekannt ist, sondern es gibt nur Textstellen, die man zur Interpretation heranziehen könnte.
Beispielsweise Jeremia 1, 4-5:
4 Eines Tages sprach der Herr zu mir:
5 "Ich habe dich schon gekannt, ehe ich dich im Mutterleib bildete, und ehe du geboren wurdest, habe ich dich erwählt. Du sollst ein Prophet sein, der den Völkern meine Botschaften verkündet."
Das kann man so verstehen, dass für Gott schon der Mensch vorhanden war, Gott den Menschen schon kannte, ehe er biologisch ein Mensch wurde.
Man kann es aber auch so sehen (meine ich), dass der Mensch erst in einem Prozess im Mutterleib gebildet wird:
ehe ich dich im Mutterleib bildete
Damit bestünde zumindest in einem sehr frühen Stadium Grund zur Annahme, dass NOCH kein Mensch geworden und vorhanden wäre.
Würde der Prozess der Werdung sehr früh unterbrochen, wäre noch kein Mensch da, der ermordet werden könnte durch Abtreibung.
Natürlicherweise, ohne Eingriff, würde aber jedenfalls ein Mensch entstehen.
Unter ,,Eingriff" ist auch ein gewaltsamer Abbruch zu verstehen. Es gibt auch Stellen in der Bibel, wo ein solch gewaltsamer Abbruch, etwa durch das Stoßen einer schwangeren Frau, die daraufhin das Kind verliert, als eine sehr üble Tat betrachtet wird.
Schlimme Taten an wehrlosen Menschen, Kindern, gelten ebenfalls als besonders üble Verbrechen.
Aber es ist eben leider alles Interpretation, sowohl biologisch, als auch religiös...
Und dann gibt es natürlich noch besonders schwierige Fälle, die Fragen, was ist, wenn das Kind durch eine Vergewaltigung entsteht, dann ist die Zwickmühle dar: Kann es überhaupt jemals schön für ein Kind sein, wenn es aus einer so schrecklichen Tat heraus entstanden ist, wenn das Kind nie gewollt war?
Oder steht das Lebensrecht des Menschen höher? (zumindest die kath. Kirche geht davon aus, dass ab der Befruchtung spätestens der Mensch da ist und schätzt das Lebensrecht höher ein)
Was ist, wenn das Leben der werdenden Mutter bedroht ist und eventuell werdende Mutter UND werdendes Kind sterben, wenn die Menschwerdung weiterhin vor sich geht?
Da sind sich die Theologen uneinig, auch innerhalb der Konfessionen.
Manche sagen klipp und klar:,,Keine Abtreibung, niemals! Wir dürfen kein ungeborenes Leben vernichten!"
Andere sagen:,,In ganz bestimmten Fällen, wenn das Leben der werdenden, schon Mensch seienden Mutter akut bedroht ist, kann die Abtreibung erlaubt sein."
Meine persönliche Meinung dazu ist:
Solange der Punkt des Seins als Mensch noch nicht erreicht ist, ist kein Mensch da. Wenn kein Mensch da ist, dann kann auch kein Mensch ermordet werden.
Wird der Prozess, der zur Menschwerdung führt (es sind also mehrere Prozesse, die nacheinander ablaufen), also frühzeitig unterbrochen, bevor der Punkt erreicht ist, an dem die Menschwerdung beginnt, dann kann insofern Abtreibung erlaubt sein.
AB dem Punkt, an dem die Menschwerdung einsetzt, wird es wirklich schwierig und im Grunde ist es ein Mord, streng genommen.
Wie die menschlichen Gesetze und die menschliche Gesellschaft darauf reagieren in dieser Welt, das ist deren Angelegenheit.
Aus religiöser Sicht aber würde meine ,,Lösung" für dieses Problem lauten:
1. Man darf nicht einfach aus Lust und Laune heraus abtreiben. Also nicht einfach aus Karrieregründen oder weil man keinen Bock auf das Kind hat oder aus sonstigen eher niederen Gründen. Das ist in meinen Augen schwer zu rechtfertigen, dem menschlichen Leben muss grundsätzlich der höchste Status eingeräumt werden!
2. Wenn wirklich gute Gründe vorliegen, akute Bedrohung des Lebens der Mutter, Vergewaltigung, schwerste zu erwartende Schwierigkeiten in Zusammenhang mit dem werdenden Menschen, dann kann es gerechtfertigt sein, eine Abtreibung zu begehen, aber auch nur in einem möglichst frühen Stadium. Je später, desto negativer sehe ich das.
In diesem Fall sollte man sich, wenn man ein gläubiger Christ ist, daran erinnern, dass Gott und Jesus grundsätzlich ALLES vergeben können. Dies ist die Hoffnung und die Gewissheit, welche Christen haben können. Dies ist essenziell für den christlichen Glauben.
Es liegt bei Gott und bei seiner personifizierten Liebe für die Menschen, Jesus, zu vergeben, sei die Tat auch noch so schlimm. Das schließt nach meinem Verständnis auch die Tat der Abtreibung mit ein, auch diese kann vergeben werden.
Wenn also wirklich gute und schwerwiegende Gründe vorliegen (denn leichtfertig darf eine Abtreibung niemals geschehen, auch das verantwortliche Handeln der schon seienden Menschen spielt eine große Rolle), dann muss man eine Entscheidung treffen und man kann, jedenfalls wenn man Christ ist und an Gott glaubt (wie andere Religionen oder Atheisten dieses Problem für sich auflösen, das weiss ich nicht), man muss darauf vertrauen, dass Gott und Jesus einem seine Tat vergeben werden, wenn sie tatsächlich falsch und eine Sünde war.
Das wäre meine Antwort.