Paradigga2.0 schrieb:Wenn man innerliche Impulse hat, aufzuhören, zu pausieren oder kürzer zu treten sollte man unbedingt darauf hören und den Ursachen versuchen auf den Grund zu gehen. Wenn man diese Signale ignoriert und weitermacht, kann es oft schlechter oder schlimmer werden.
Ich denke, im Profi-Bereich, erst recht in der absoluten Welt-Elite, ist das noch mal anders zu sehen als bei Freizeitsportlern. Krisen jeglicher Art zu überwinden, bzw. eine Einstellung dazu zu haben, zu entwickeln, ist part of the game. Und gerade das macht ja oft erst die Champions aus. Wenn alle dasselbe können, ist der der Sieger, der immer liefern kann, sozusagen.
Wir haben in unserem Beruf, auch wenn er in der Regel wohl nicht in dem Ausmaß Berufung ist wie bei Sportlern, sicher ähnliche Mechanismen. Je mehr, desto stärker Kreativität, Proaktivität, Initiative, gefragt sind.
Es ist im Sport eine zweischneidige Sache. Wenn ich jedes Mal, als ich Motivationslöcher hatte oder Angst vor den Anforderungen des nächsten Workouts nicht vorwärts gegangen wäre, wäre ich nicht der, der ich bin und läge dick und degeneriert auf dem Sofa. Man weiß erst, was man leisten kann und wer man ist, wenn man lernt, da durch zu gehen.
Aaaber: Auf jeden Fall gibt es bei vielen Leuten fatale Verstrickungen mit einer problematischen Persönlichkeit oder auch mit den Lebensumständen. Da muss man dann aufpassen, wenn interne Kontrollmechanismen nicht mehr greifen und/oder der Druck von außen zu groß wird.
Das Wichtigste, was ich für mich dabei gelernt habe ist:
Es ist keine Kunst, so viel zu trainieren, dass man sich kaputt macht. Die Kunst besteht vielmehr darin, herauszufinden, wie viel man machen kann, ohne sich kaputt zu machen und sich im Gegenteil immer weiter aufbauen zu können.
Die Work-Life-Balance muss stimmen, sonst ist alles am Ende umsonst. (okay, nicht umsonst, aber suboptimal).
Im Fall von Elite-Sportlern, die eine Reißleine ziehen, muss man den Hut ziehen, das ist aber auch deutlich zu sagen.
Die sind in der Regel von Kindheit an, durch ihre gesamte Sozialisierung und Ausbildung, komplett darauf ausgerichtet und in einem Zwangskorsett. Man kann ja überhaupt nur Profi werden, wenn man dafür geeignet ist. Mal von der Leistungsfähigkeit ganz abgesehen. Da ist man ständig beim Ritt auf der Rasierklinge zwischen: "Reiß dich zusammen, du kannst morgen den größten Titel aller Zeiten erringen!" und "Jetzt haben wir das Fass zum Überlaufen gebracht und alles zerstört, weil wie die Zeichen nicht erkannt haben".
Psychologische Betreuung ist heute kein Fremdwort mehr im Leistungssport. Im Fall der US-Turnerinnen hat das Ganze natürlich noch eine zusätzliche Dimension, wie man heute weiß ...
Da sieht man erst, wie gut eine Simone Biles wirklich ist - dass sie diese extremen Leistungen maschinenmäßig abrufen konnte bei allem, was ihr Tag und Nacht durch den Kopf gegangen sein muss. Das ist auf jeden Fall auch ein Musterbeispiel an mentaler Stärke. Umso mehr darf es Vorbildfunktion haben, wenn sie diesen Schritt durch den Notausgang wagt.