Yooo schrieb:Der Ton ändert aber auch nicht viel am Druck.
Ob man mit seinem Chef jetzt bei Du ist oder nicht.
Denn der Chef hat ja selbst Druck: Vom Kunden, vom höheren Chef, vom Staat (Finanzamt usw.), vom Preiskampf, vom eigenen Anspruch usw. und der wird halt schnell weiter gereicht.
Muss ja auch, weil:
Das ist am Ende ja auch alles kein Ponyhof, sondern ein knallharter Konkurrenzkampf - den man vor hat zu gewinnen, sonst würde man das Spiel vermutlich gar nicht erst mit spielen, sondern Hand->Eier spielen.
Ja gut, das ist natürlich gerade im Umfeld der Wirtschaft ein höherer Faktor als vielleicht in vielen Verwaltungen. Ich arbeite jetzt in keinem kleinen Bürgeramt mit überschaubaren Öffnungszeiten sondern etwas, das größer ist. Ich habe durchaus Druck, es gibt zu viel Arbeit für zu wenig Personen in meinem Bereich - aber viele weitere 'Stressfaktoren' die erstens da sind und zweitens nach unten durchgedrückt werden könnten entfallen zugleich. Für mich natürlich vorteilhaft. Plakatives Beispiel: "Konkurrenzkampf" gibts zwar auch aber auf einer ganz anderen schwächeren Ebene. Da mögen von mir aus die obersten Chefs um ministerielle Gunst oder mehr Geld buhlen aber man steht nicht auf dem Markt und muss Absatz o.Ä. erwirtschaften bzw. ausbauen. Intern gibts auch nur in abgeschwächter Form Konkurrenzkampf - um Gehalt auch weniger; dem System geschuldet. Das ist für viele "genormt". "Über Geld spricht man nicht" gibts für viele nicht weil die einfach grob auf die öffentlichen Gehaltstabellen verweisen können.
Noch haben wir in dem Sinne direkte "Kunden" wie in der Wirtschaft. Druck haben wir aber sehr wohl. Dennoch bleibe ich dabei, Druck ob nun in der Wirtschaft oder anders wo: Gerade das kann einen Unterschied machen. Im Umgang an sich und in der Akzeptanz / Toleranz von "Druck". Es ist ja so: Bisher hatte ich alles tragbare Chefs im sozialen Sinne, mit einem war ich per Du weil ich den vorher in niederer Position kennenlernte und er dann aufstieg. Wenn eh schon Druck da ist, ist gesunder Umgang dann mindestens eines: Kein zusätzlicher Stress- oder Hemmfaktor, als wenn mich ein Chef noch anschnautzen und foppen würde. Unter welchen Umständen ich besser arbeiten kann, kann sich jede/r ausmalen.
rhapsody3004 schrieb:Habe ich tatsächlich. Besonders deutlich wurde das mal auf einer Bundesanstalt. Habe dort als externe Kraft gearbeitet und war für die Sicherheit, den Post- und Telefondienst zuständig.
Umso jünger es akademisch wurde, umso abgehobener und unhöflicher wurde es. Möchte ich trotzdem nicht verallgemeinern.
Umso älter es akademisch wurde, umso höflicher und beinahe hier und da auch schon kumpelhaft wurde es.
Nachvollziehbar. Ich sehe es ja selbst in größeren Bereichen: Da hast du im Kern drei grobe Bereiche, wie ich grob finde: Obere Führung, viele Mitarbeiter (leitend wie auch ausführend) die irgendwie mit dem Auftrag des Amtes, der Behörde, des Ministeriums zutun haben und dann quasi Unterstützungs- oder Servicepersonal. Wenn wir grob von den drei Kategorien ausgehen haben diese untereinander mal situativ miteinander zutun, größtenteils aber sind jene "unter sich".
Das allein ist schon ein abstrakter (!) Faktor, also dass man allgemein weniger miteinander bzw. übergreifend zutun hat, eher situativ. Ich sehe mal kurz die Reinigungskraft. Handwerker? Vielleicht nur beim Büroumzug bzw. wenn was kaputt geht. Oberere Führung schon mal gar nicht. Das ist vielleicht ein bisschen wie mit einer Twitter-Bubble vergleichbar. Daraus entsteht nicht zwingend ggü. anderen Bereichen persönliche Abneigung. Ich hab in meiner "Bubble" noch nie wen über Servicepersonell pauschalisiert lästern hören (wieso auch? Wir erinnern uns, man ist allgemein+situativ auf viele andere angewiesen).
Der Punkt ist aber zugleich, dass man oft nicht viel miteinander zutun hat. Vielleicht entstehen auch bei manchen daher subjektiv diese Eindrücke? Ich denk mir ja auch zugleich, dass ich für obere Führung, die ich als "Normalsterblicher" kaum sehe bzw. nicht viel mit zu tun habe, auch nur Mitarbeiter 0815 bin.
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Kurz zu den Juristen bzw. dem Alter das du im Ende des obigen Zitats beschrieben hast: Urgesteine als Juristen habe ich so nicht wirklich kennengelernt, quasi nur "junge" bzw. "mittel-alte" (30er Bereich alles, eine war 40). Ich glaube im Schnitt ist was dran. Jung, steile bzw. 'direkte' Karriere mit Studium ohne große Umwege, vermutlich vorherige entsprechende Sozialisierung aber je nach Alter noch nicht so viel Berufs- oder Lebenserfahrung. Abstrakt kann das bei manchen in Oberflächlichkeiten münden, ob gewollt oder ungewollt. Unabhängig vom Studium (nicht zwingend Jura) habe ich aber gehört, dass grundsätzlich "ältere Kaliber" je nach Werdegang auch entspannter sein können. Ich weiß nicht mehr wo was war aber jemand der sich im Leben wirklich hochgearbeitet hat und dann eine hohe Fürhungsposition inne hatte ging sehr kumpelhaft vor und sprach auch mit Servicepersonal usw. mal offen und locker als wer mit steiler Karriere und Jurastudium. Ist aber auch immer die Frage, wo. Ausnahmen hin oder her: Behörden sind da im Schnitt trockener oder distanzierter. Bei
Zitis wiederum hörte ich, dass es bewusst anders gestaltet wurde, eher als Startup mit ganz anderer Kultur. Geht bzw. gibts also auch, obgleich es da eher um Technik und IT geht. Techniker/IT'ler sind irgendwie auch wieder ein anderer Menschenschlag (allgemein / abstrakt) gesehen, ergo wundert es mich irgendwie nicht, dass es da überhaupt möglich ist.
rhapsody3004 schrieb:Weil du gerade Juristen ansprichst,
die sind zwar auch wichtig und werden in den unterschiedlichsten Bereichen gebraucht (der öffentliche Dienst kämpft sogar um Nachwuchs), aber bringt es auch unter den zahlreichen akademischen bzw. unter den zu studierenden Berufen nichts, wenn gefühlt jeder zweite Student entweder Jura, also Rechtswissenschaften oder BWL studiert.
Beides Studiengänge, die regelrecht überlaufen sind. Führt auch zu einem Ungleichgewicht. Erst recht, umso mehr das Studium abschließen und in dem Bereich tätig werden.
Kommt natürlich auf den Schwerpunkt der Behörde an, ich stimme aber zu, dass es eine "gesunde Mischung" macht. Es nützt wenig alles mit Juristen (Generalisten) vollzukleistern wenn ich aber je nach Bereich/Behörde auch z.B. IT-Spezialisten, Politikwissenschaftler, Geophysiker oder was weiß ich brauche. Auch oder gerade in Führungsverantwortung. Es muss sich alles in einem gesunden Maße ergänzen (können).
Witzigerweise nahm ich im Schnitt gerade Vorgesetzte mit Fachexpertise als angenehmer (menschlich auch) wahr als "Jura-Generalisten". Z.B. IT'ler usw. So zumindest meine bisherigen und subjektiven Einschätzungen und Erfahrungen.
rhapsody3004 schrieb:Bei Jura allerdings noch nicht ganz so schlimm, da viele angehende Studenten Jura nach wie vor unterschätzen oder auch gar nicht so wirklich aus wahrer Leidenschaft oder aus wahrem Interesse an der reinen Thematik Jura studieren. Das spiegelt sich dann natürlich in der Abbrecher- und Durchfallquote wieder. Also bei Jura trennt sich während des Studiums immer noch stark die Spreu vom Weizen.
Ja, das ist schon nicht ohne. Mir hat eine das eher oberflächlich ankratzende Ausbildung in diversen Rechtsfächern schon gezeigt, dass all das schon in vertiefter Form durchaus komplex und anspruchsvoll ist - nicht nur stumpf auswendig lernen. Ich glaube fast, dass man das nur durchziehen kann, wenn man ein Grundfaible dafür hat. Zugleich hatte ich Dozenten usw. die für brannte und in namhaften Fachzeitschriften publizierten. Genau mit der Einstellung packt man das UND hat dann noch Freude daran.
Ich denke man kann das also immerhin zugute halten. Andererseits kann man sich kritisch fragen: Wirklich gute Juristen, werden die in Behörden gehen oder ihre Zeitinvestition und ihre Skills nicht eher in der Wirtschaft bzw. der Selbstständigkeit ausreizen? Wenn Juristen nicht gerade für den öffentlichen Dienst gemäß innerer Einstellung brennen und die eher auf andere Dinge achten, werden sie wohl auch den öD nicht so aktiv anpeilen. Ggf. sollten perspektivisch die Rahmenbedingungen behördlich gesteigert werden weil sonst theoretisch ein ungewollter Trend entsteht, ähnlich wie bei IT-Fachkräften.
Ganz überspitzt: B-Ware in Ämter, Topleute in der Wirtschaft / Selbstständigkeit. Gerade Behörden sollten gut besetzt sein, weils ja letztendlich auch dem Bürger direkt oder indirekt zugute kommt.