Alte Wunden heilen lassen

Hallo ihr Lieben,

Ihr habt bestimmt auch schon sehr unangenehme Dinge In eurem Leben erlebt.

Habt ihr damit abgeschlossen und die Dinge sozusagen verarbeitet? Wie verarbeitet ihr die Dinge?

Ich habe oft Situationen wo negative Gefühle aus vergangenen Tagen wieder hochkommen und ich mich gefühlt wieder in diesem Augenblick befinde.

Habt ihr Tipps, wie man den Dingen gleichgültig gegenüber stehen kann bzw. wie man sie am besten verarbeitet?

Bin gespannt auf eure Beiträge

Hallo!


Jeder Mensch verarbeitet Dinge immer anders, daher gibt es auch Tipps und Empfehlungen, die dem ein oder anderen nicht von Nutzen sind.

Natürlich habe auch ich Dinge erlebt, die ich bis heute immer noch nicht so ganz verarbeitet habe.

Mir persönlich hilft es immer, darüber zu reden, auszusprechen, was mich belastet oder wie es mir geht.

Aber ebenso versuche ich mich immer abzulenken, mit Dingen, die mir gut tun oder die mir Spaß machen, sei es, ein gutes Buch zu lesen, den Lieblingsfilm zu schauen oder einfach nur dazuliegen und Musik zu hören.

Wichtig finde ich auch, den Gefühlen manchmal dann doch freien Lauf zu lassen, sich davon aber nicht beherrschen zu lassen und eine Grenze zu setzen um dem Ganzen nicht wieder all zu viel Aufmerksamkeit zu schenken und sich selbst zu schaden.


Du musst eben versuchen, dich darauf zu fokussieren, welche Schlüsse du daraus gezogen hast, welche Erfahrungen du gesammelt hast und wie du ähnlichen Situationen demnach in Zukunft gegenüberstehen kannst.


Ich hoffe mein Geschreibsel hat dir vielleicht ein klein wenig geholfen :)

LG

Alte Wunden verheilen nie ganz 
Sie vernarben und hinterlassen Spuren in der Seele.

Und von Zeit zu Zeit reißen sie wieder auf, oder man spürt wie sie schmerzen.
Die Zeit heilt keine Wunden.

Sie sind immer da und man muss mit ihnen leben und einfach weitermachen,was bleibt einem auch sonst übrig.

@fullmoon9


Weil ich schon weit jenseits der 60 bin, habe ich natürlich jede Menge unschöne Erinnerungen, die ich aber meist gleich wieder in die finsteren Verliese meines Verstandes verbanne.

Da hocken sie dann, rütteln an den Ketten und Gitterstäben und warten auf erneute Ausbruchsgelegenheit, wenn der Verstand schläft.

Wenn ich jedes mehr oder weniger "traumatische" Erlebnis meines lebens komplett würde aufarbeiten wollen, müsste ich noch mal so lange leben. Das habe ich nicht vor - allein schon deshalb nicht, weil sich dann ja wieder neue Erlebnisse ansammeln.

Hm... Wunden heilen nie komplett aus... Je tiefer desto länger braucht man, so geht es mir, sie überhaupt weniger präsent sein zulassen und in den Hintergrund fallen zu lassen.

Viele Menschen können gut überspielen und sich selbst belügen aber im Grunde machen sie sich selbst was vor wenn sie sagen die Wunde gäbe es nicht mehr.

KAALAEL schrieb am 15.10.2020:Alte Wunden verheilen nie ganz 
Sie vernarben und hinterlassen Spuren in der Seele.

Und von Zeit zu Zeit reißen sie wieder auf, oder man spürt wie sie schmerzen.
Die Zeit heilt keine Wunden.

Mit der Metapher kann ich viel anfangen.

Das geht mir so mit den Sachen, die ich mir selbst zugefügt habe. Also nicht im Sinne von "ritzen", das habe ich nie gemacht.

Ich meine damit Entscheidungen die falsch warnen, wo ich nicht auf mich gehört habe oder von Angst beherrscht war. Aber auch negative Gefühle, denen ich zu sehr nachgegeben habe, z.B. Zorn, wenn ich Kontakte vorschnell und kompromisslos beendet habe. Wenn ich selbstgerecht war und mir das heute leid tut- und auch Worte, die ich in Wut gesagt habe, um Brücken einzureißen.

Doors schrieb am 15.10.2020:Weil ich schon weit jenseits der 60 bin, habe ich natürlich jede Menge unschöne Erinnerungen, die ich aber meist gleich wieder in die finsteren Verliese meines Verstandes verbanne.

Kannst du das wirklich? Das würde ich gerne können. Es ist jetzt nicht so, dass ich von Traumata beherrscht werde, aber ich bin ein Mensch der zum Hadern neigt und sich selbst der härteste Richter ist.

Wölfin_89 schrieb:Viele Menschen können gut überspielen und sich selbst belügen aber im Grunde machen sie sich selbst was vor wenn sie sagen die Wunde gäbe es nicht mehr.

Ich denke das machen so gut wie alle Menschen, nicht nur viele. Der Mensch ist perfekt darin gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Verdrängung und Selbstbetrug sind der einfachste Weg mit Problemen umzugehen.

Versuchts mal mit Vergebung. Verdrängung und Ablenkung ist keine Lösung. Wenn man sich damit befaßt, warum dieses oder jenes passiert ist, kann man dem Verursacher auch vergeben. Und wenn man das gemacht hat, kann man selber besser damit leben und denkt dann auch immer weniger daran, oder wenn, dann ist es nicht mehr so schlimm oder es wird einem gleichgültig, man kann damit abschließen, wenn man Glück hat.

@nain
Ja richtig weil sie damit am besten und bequemsten fahren.... Wahrscheinlich auch der Grund warum es immer mehr Menschen mit psychischen Problemen gibt, weil sie garnicht mehr odt wahrscheinlich auch den Mut haben sich Hilfe zu suchen oder darüber zu sprechen.

cesare schrieb:Kannst du das wirklich?

Sagen wir mal so: Ich habe es mir im Laufe der Zeit antrainiert, weil ich mir von traumatischen Erafhrungen nicht meine Lebensqualität komplett ruinieren lassen wollte. Wer schon mal brennende Menschen gesehen und gerochen hat, dem ist jede Grillparty ein Graus, wer schon mal gesehen hat, was eine Mörsergranate aus einer Menschengruppe macht, der kann nicht mehr unbefangen an der Fleischtheke im Supermarkt vorbei gehen. Zugegeben, es braucht eben seine Zeit. Wir sprechen hier nicht von Jahren, sondern Jahrzehnten. Aber es geht weil es eben gehen muss nach dem Motto: Das war und dies ist.

@Doors

Oh Gott, das kann ich mir vorstellen. Also dass es nach derartigen Erlebnissen solche Triggermomente gibt. Es gibt vielleicht ein Erlebnis in meinem Leben, dass sich annähernd vergleichen ließe, wobei das auch nur entfernt und wesentlich weniger drastisch, als das, was du erlebt hast. Da gelingt es mir inzwischen auch unfreiwillige Momente der Erinnerung weg zu schieben.

Was mir aber Probleme bereitet ist, mir selbst zu verzeihen. Ich bin inzwischen ein Mensch den ich ganz gerne mag, aber ich war als sehr junger Mensch jemand, der mir heute unsympathisch ist. Dabei habe ich nie wirklich jemandem Schaden zugefügt, außer vielleicht Verletzungen durch harte Urteile oder harte Wörter. Aber das heilt nicht. Selbst wenn sich niemand mehr dran erinnert- ich erinnere mich. Selbst wenn mir alles verziehen wurde- ich verzeihe mir nicht.

@cesare

Auch ich habe im Laufe meines Lebens sicherlich viele Menschen schlecht behandelt oder verletzt. Damit muss ich leben. Auch heute, mit 66, passiert mir das durchaus noch, vor allem meines losen Mundwerks und meiner rasiermesserscharfen Formulierungen wegen. Aber da gilt dann die Weisheit meiner ersten Frau:

Es gibt zwei Dinge auf Erden, die kann selbst Allah in seiner grossen Güte niemals zurück holen:

Die abgefeuerte Gewehrkugel und das gesprochene Wort.

Ich bemühe mich zwar, vor dem "Abfeuern" die Konsequenzen zu überdenken, aber das gelingt mir auch nicht immer. Manchmal will ich aber auch punktgenau treffen.

Es heißt ja immer so schön, die Zeit heilt alle Wunden. Da stimme ich nur bedingt zu. Es kommt immer auf die Wunde an. Aber mal angenommen es wäre so, kann man trotzdem davon ausgehen das es hier und da trotzdem noch Narbenschmerzen gibt.

Dr.Plague schrieb:trotzdem noch Narbenschmerzen gibt.

Manchmal auch einfach nur Phantomschmerzen.

@Doors

Gedanken bzw. Erinnerungen haben ein mächtiges Potential alte Wunden wieder schmerzen zu lassen. Wie z.B. die Erinnerung daran das ich mein Kind verloren habe. Ich garantiere dir das diese Schmerzen real sind.

Wölfin_89 schrieb:Wahrscheinlich auch der Grund warum es immer mehr Menschen mit psychischen Problemen

Das ist nicht der Grund, die Gründe sehr unterschiedlich, aber meistens hausgemacht. Der Mensch mag ein Herdentier sein, aber er ist nur schlecht dazu geeignet in großen Gesellschaften zu leben, dafür sind wir einfach zu individuell. Wir pressen uns in ein Korsett, das aus Gleichheit gemacht wurde, aber es ist einfach viel zu eng genäht.

In jungen Jahren war es mir sehr schwer gefallen, Negativerfahrungen zu verarbeiten.

Ich habe es wie @Doors gemacht und sie in den Keller gesperrt (Verdrängung) und den Schlüssel weg geworfen. Die Folge davon war, dass ich mich damit selbst Triggern und Flashbacks schutzlos ausgeliefert habe.

Irgendwann ging es mir selbst so extrem auf die Nerven, dass ich mich triggern lasse, dass ich das unbedingt abstellen wollte! Diese Beeinträchtigung meiner Lebensqualität wollte ich nicht mehr hinnehmen.

Ich habe mich dann erstmal kundig gemacht, wie man Traumatas verarbeitet und was da eigentlich mit einem im Gehirn passiert. Die gängige Methode (Psychotherapie, wo intensiv besprochen wird und die Negativerfahrung nochmal durchlebt wird) funktionierte für mich nicht.

Letztendlich haben mir dann einerseits die Zeit geholfen und die Veränderung meiner eigenen Sichtweise.

Ich habe mir meine eigene Gefühlswelt angeschaut und für mich entschieden, dass Gefühle, wie Hass, Wut und Verzweiflung mich selbst vergiften und mich keinen Schritt weiter bringen. Wenn ich diese Vergiftung zulasse, dann bin ich es, die sich selbst die Zukunft und ein glückliches Leben verbaut.

Dinge, die geschehen sind, kann man nicht rückgängig machen und die Vergangenheit ändern kann man auch nicht. Allein diese verinnerlichte Erkenntnis (obwohl eigentlich banal) hat mir geholfen, abzuschließen.

Stell Dir Dein Leben wie ein Buch vor. Kapitel für Kapitel reihen sich aneinander und wenn ein Kapitel zu Ende geht, kommt ein Neues und dass kann besser sein, als das vorherige, wenn man die Gestaltung der zukünftigen Kapitel selbst in der Hand nimmt. :)

Außerdem hat der Ehrgeiz in mir, dass ich nachträglich Menschen aus meiner Vergangenheit keine Macht über mich geben wollte, mich zusätzlich angetrieben, das Problem für mich zu lösen.

Heute kann ich von mir sagen, dass ich geerdet, zufrieden und glücklich bin. Falls aus irgendeiner Ecke ein kleines Triggerchen daher kommt, dann muss ich in mich reinschmunzeln und dann schaue ich mir die letzten Kapitel meines Lebensbuches (was ich alles gemeistert habe) an und das vertreibt dann das Triggerchen.

Doors schrieb am 15.10.2020:Weil ich schon weit jenseits der 60 bin, habe ich natürlich jede Menge unschöne Erinnerungen,

Als ich das gelesen habe, habe ich erst mal gedacht "wieso". Das muss ja nicht zwangsläufig so sein. Aber bei einem weiteren Posting von Dir habe ich mir gedacht, dass das vermutlich berufliche Erfahrungen sind mit kämpferischen/kriegerischen Inhalt (?).

Doors schrieb am 15.10.2020:Wenn ich jedes mehr oder weniger "traumatische" Erlebnis meines lebens komplett würde aufarbeiten wollen, müsste ich noch mal so lange leben. Das habe ich nicht vor - allein schon deshalb nicht, weil sich dann ja wieder neue Erlebnisse ansammeln.

Doors schrieb am 20.10.2020:Wer schon mal brennende Menschen gesehen und gerochen hat, dem ist jede Grillparty ein Graus, wer schon mal gesehen hat, was eine Mörsergranate aus einer Menschengruppe macht, der kann nicht mehr unbefangen an der Fleischtheke im Supermarkt vorbei gehen. Zugegeben, es braucht eben seine Zeit.

Ja, ich kenne den "Räuchergeruch", und es stimmt, dass dann Erinnerungen hochkommen können.
Bestimmte Situationen prägen sich oft ganz besonders ein, wenn sie mit starken Gefühlen oder Sinneseindrücken einher gingen.

cesare schrieb am 20.10.2020:Ich bin inzwischen ein Mensch den ich ganz gerne mag, aber ich war als sehr junger Mensch jemand, der mir heute unsympathisch ist.

Ein Mensch entwickelt sich ja, fast das gesamte Leben hindurch. Du bist der gleiche Mensch, der Du immer warst, aber Du hast Dich eben weiter entwickelt und wohl auch selbst "erzogen".
Was war Dir denn unsympathisch an Deinem jungen Ich ?
Ich war in jungen Jahren viel unsicherer als heute. Ich habe eben meinen Weg noch gesucht.
Deswegen würde ich aber nicht sagen, dass ich das unsympathisch finde.

Doors schrieb am 20.10.2020:gesprochene Wort.

Da kommt es aber auch drauf an, wie dieses aufgefasst wird. Man kann etwas ja auch falsch verstehen, also anders, als es eigentlich gemeint war.
Das kommt wahrscheinlich sogar ziemlich oft vor.

Dr.Plague schrieb am 20.10.2020:die Zeit heilt alle Wunden. Da stimme ich nur bedingt zu. Es kommt immer auf die Wunde an. Aber mal angenommen es wäre so, kann man trotzdem davon ausgehen das es hier und da trotzdem noch Narbenschmerzen gibt.

Auf jeden Fall! Aber der Schmerz wird mit der Zeit irgendwie schwächer, und man denkt weniger daran.

Dr.Plague schrieb am 20.10.2020:Wie z.B. die Erinnerung daran das ich mein Kind verloren habe. Ich garantiere dir das diese Schmerzen real sind.

Das tut mir sehr Leid. Wie gehst Du damit um?

SophiaPetrillo schrieb:Letztendlich haben mir dann einerseits die Zeit geholfen und die Veränderung meiner eigenen Sichtweise.

Ein Mut machendes Posting ! Man kann auch sein eigener "Psychotherapeut" sein.
Bzw. ist eine Therapie ja auch nur eine Unterstützung von außen und eine Hilfe, aber innerlich umsetzen muss man es ja doch selbst.

nairobi schrieb:Ein Mensch entwickelt sich ja, fast das gesamte Leben hindurch. Du bist der gleiche Mensch, der Du immer warst, aber Du hast Dich eben weiter entwickelt und wohl auch selbst "erzogen".
Was war Dir denn unsympathisch an Deinem jungen Ich ?
Ich war in jungen Jahren viel unsicherer als heute. Ich habe eben meinen Weg noch gesucht.
Deswegen würde ich aber nicht sagen, dass ich das unsympathisch finde.

Unsicherheit und Ängste sind wirklich die Ursache von vielen Konflikten, glaube ich. Zumindest im zwischenmenschlichen Bereich.

Ich war einfach in vielen Momenten durch eine gewisse Grundhaltung selbstgerecht und "gnadenlos". Zynisch. Habe harte Urteile gefällt und mir selber aber alles zugestanden. Habe Menschen einfach aus meinem Leben gestrichen, die mir zugetan waren oder habe sehr harte Worte im Streit gewählt, ohne mich selbst zu reflektieren.

Und ich war rassistisch. Nicht wie so ein Grund-und-Boden-Nazi oder so. Ich hätte auch nie eine rechte Partei gewählt. Aber ich hatte halt Meinungen zu gewissen Dingen, wie z.B. Jugendkriminalität oder gewissen religiösen Lebensarten, die wertend und voller Vorurteile und Halbwissen waren. Draus folgte keine Konsequenz, ich wäre jetzt nie zu jemandem einfach so unfreundlich gewesen und erst recht war ich nie körperlich aggressiv.

Aber ich weiß halt noch, dass ich so gedacht habe und verstehe mich rückblickend selbst nicht mehr.