knopper schrieb:Wie gesagt das ist kein Phänomen von damals sondern zieht sich halt bis heute in unsere Gegenwart.
Plattenbauten gab es im Westen freilich auch, wenn auch oft mit besserer Qualität der Baukonstruktionen. Das ist ja auch nicht verwunderlich, denn in den vom Bombenkrieg verwüsteten deutschen Städten gab es in den späten 40er und den 50er Jahren durchaus eine ernste Wohnungsnot. Dazu kam, dass die Grundidee der neuen, modernen Plattenbausiedlungen damals auch als ein zukunftweisendes tolles modernes Wohnkonzept galten. Die negativen Auswirkungen der Massenkäfighaltung von Menschen kannte man damals noch nicht oder wollte man noch nicht sehen. So entstanden München-Neuperlach, Berlin-Gropiusstadt, Köln-Chorweiler, Nürnberg-Langwasser und wie sie alle heissen: die Plattenbausiedlungen auf der grünen Wiese.
Was im Westen allerdings anders war, weil staatlich eben gewünscht und gefördert, war die Möglichkeit, Eigenheime zu bauen und zu besitzen. Ich bin in einem westdeutschen Plattenbau aufgewachsen, aber nach und nach zog die Bevölkerung, meist normale "Arbeiter" und Angestellte aus in ihre eigenen Häuschen und wurde ersetzt durch neue Gruppen, z.B. die sogenannten "Gastarbeiter."
Die DDR dagegen kam nie dazu, den Bedarf an Wohnungen zu decken, sie blieb daher in der Entwicklung hinter dem Westen. Damit einher ging der grassierende Verfall der alten Bausubstanz. Gleichalte Bauten wurden im Westen meist abgerissen und durch -oft hässliche, aber modernere- Bauten ersetzt. Das Innenleben war ganz anders, so war seit den 70er Jahren im Westen fast überall der individuelle Kohleofen oder Ölofen durch Zentralheizungen ersetzt - in der DDR blieb Kohleheizung bis zur Wende der Standard. Das war ein Ding, das der staunende Westbesucher nur in der DDR erleben konnte: Kohlenkeller, Kohlenlieferungen usw.
Die Braunkohle in der DDR lieferte schliesslich auch die graue Einheitsfarbe von Luft und Aussenwänden überall, im Westen verschwand das in den 70er Jahren.
Was wiederum überraschte war, dass viele westdeutsche Städte ihre alte Bausubstanz erst nach 1945 radikal abriss, man dachte oft, das sei einfach die Folge des Bombenkrieges. Weit gefehlt, die westdeutsche Stadt Kassel ist da ein ganz interessantes Beispiel. Ganze Strassenzüge mit Bauten aus der sog. Gründerzeit, die den Bombenkrieg überlebt hatten und nach denen man sich heute die Finger lecken würde, die man heute als sanierte Altbauten gerne hätte, wurden abgerissen und durch ziemlich hässliche Zweckbauten ersetzt: aber eben erst in den 1950/60er Jahren. Die DDR hatte dafür kein Geld.
Obwohl es manche Problemviertel, z.B. im Ruhrgebiet oder auch in Berlin gab, muss man schon sagen, dass um 1990 herum, also zur Wendezeit, es nirgends im Westen solch extrem beschädigte Bausubstanz mehr gab wie in vielen DDR Städten.
Gleiches gilt für den Strassenbau. Kopfsteinpflaster war um 1980 fast nirgends mehr im Westen zu finden, mit Ausnahme der modernen, sanierten, Strassen, wo es wieder als ästhetisch wahrgenommen wurde. In der DDR waren die Strassen jahrzehntelang aus Geldmangel so geblieben. Ich erinnere mich an einen Besuch in Zeitz 1983, wo man das Gefühl hatte, dass in den riesigen Schlaglöchern in der Innenstadt ganze Trabbis verschwinden konnten. Im Westen dagegen wurde Boden versiegelt wo man nur konnte.
Gleiches gilt für die restliche Infrastruktur: Dampfloks verschwanden in meiner Kindheit in den 70ern in der Bundesrepublik. Die DB elektrifizierte wo sie nur konnte, schon eine Diesellok war im Fernverkehr kaum noch zu sehen. Auf der Fahrt durch die DDR nach Berlin konnte man dann die Taigatrommeln bewundern.
Betonplattenautobahnen kannte ich dann auch nur noch aus DDR, im Westen waren auch die verschwunden.
Als dann die Wende kam, waren beide Länder schon sehr unterschiedlich.