knopper schrieb:Offenbar ist also die Kirche hierzulande bzw. zumindest in Westdeutschland noch sehr tief der Gesellschaft verwurzelt...
das ist richtig.
Die Kirche hat bis heute eine wesentliche kulturelle Bedeutung, ganz speziell bei entscheidenden Stationen im Leben, und viele Menschen bleiben allein aufgrund dieser Riten Kirchenmitglieder:
- die Kindstaufe (die eigentlich unbiblisch ist, aber das ist wieder ein anderes Thema) als Fest der Geburt und Ritus der Aufnahme des Neugeborenen in die Gesellschaft
- die Firmung oder Konfirmation als Initiationsritus, als Aufnahme des Kindes in die Erwachsenenwelt
- die kirchliche Hochzeit als Fest der Bildung einer Lebensgemeinschaft
- die kirchliche Beerdigung als Ritus der Verabschiedung eines Menschen
und gerade in kleinen Dörfer o.ä. ist die Kirche oft auch Ort der Gemeinschaft, Treffpunkt (zB. kirchlich betriebene Jugendtreffs), Ort der Ausübung von Hobbys (zB. Chor) und für einsame und alte Menschen ein Ort, wo sie noch Aufgaben finden (zB. Blumenschmuck arrangieren) oder zumindest Kontakt zu anderen Menschen finden...
Fragen des Glaubens interessieren viele Kirchenmitglieder schon lange nicht mehr (vielleicht war das auch nie anders?). Ich hatte dazu mal eine wundervolle Karikatur gesehen, leider habe ich die nicht wiedergefunden: die bezog sich darauf, dass wohl Satanisten in leerstehenden Kirchen Messen abgehalten hatten, in der Karikatur jedenfalls war eine alte Frau zu sehen, die bei einem Satanisten in der Kirche anfragt, ob sie auch "under the new management" weiterhin den Blumenschmuck machen dürfe...
knopper schrieb:Herrscht diesbzgl .nicht irgendwie eine Doppelmoral,
richtig, aber das überrascht auch deswegen überhaupt nicht, weil ja auch sehr viele Kirchenleute, auch und gerade die in den Medien oft besonders hervortretenden führenden Personen der Staatskirchen wie Bischöfe etc. sehr oft diese Doppelmoral geradezu zelebrieren, indem sie den Glauben und die Bibel kaum noch erwähnen, sondern stattdessen sich selbst als Meinungsmacher in politischen Fragen begreifen.
Um mal ein ganz aktuelles Beispiel aufzugreifen: die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) hat vor drei Tagen eine Petition für Tempo 130 auf der Autobahn gestartet (!)
https://www.tz.de/auto/tempo-autobahn-evangelische-kirche-startet-petition-zr-11307124.htmlDie EKM fordert aber nicht aus religiösen Gründen ein Tempolimit von 130 km/h, sondern sorgt sich um die Umwelt und Verkehrssicherheit. Die Kirche sehe darin einen sofort umsetzbaren und kostengünstigen Beitrag, die CO2-Emissionen zu senken und das Klimaziel der Regierung zu erreichen.