@BossMeng@passepartout@darkangel8@LightspeedIch glaube, man kann es nicht oft genug sagen:
Die systematische Hexenverfolgung ist kein Phänomen des Mittelalters, sondern der frühen Neuzeit. Und gerade das war eine Zeit, in der sich niemand stärker für grundlegende Bildung des Volkes eingesetzt hat, als die Kirchen! (Jeder von Euch kann ja mal in seiner eigenen Stadt recherchieren, wann dort die erste Schule gegründet wurde und von wem.)
Besonders engagiert waren Protestanten, hierzu lese man die entsprechenden Schriften Luthers ("An die Ratsherren...dass sie christliche Schulen aufrichten", 1524) und Melanchtons nach, in denen die Städte auffordert werden, Schulen zu gründen, dann, im Zuge der Gegenreformation, verstärkt auch die katholische Kirche unter massgeblichem Einfluss der Jesuiten. Es ist also Quark, wenn hier immer noch behauptet wird, es habe weise Frauen gegeben die verfolgt worden seien, weil sie "gebildeter" gewesen seien, als es "die Kirche" wünschte.
Diese Vorstellung lässt sich nicht aus den Quellen der frühen Neuzeit belegen, sehr wohl aber aus der antiklerikalen Publizistik des 19. Jahrhunderts, insbesondere aus Jules Michelets "La Sorcière" (dt. "Die Hexe") von 1864. In diesem Buch formuliert der Freimaurer Michelet aus zeitgebundenen antikirchlichen Gründen genau diese These, dass es weise Frauen gegeben habe, die "der Kirche" ein Dorn im Auge gewesen seien und deshalb als Hexen verfolgt worden seien. Von ihm haben dann alle anderen Schmierfinken ohne weitere Quellenstudien abgeschrieben.
Tatsächlich gab es im Mittelalter bereits Ärzte, die an Universitäten ausgebildet wurden. Erst recht in der frühen Neuzeit, als das neue Denken der Renaissance den Menschen in den Mittelpunkt stellte und der intensivierte Gedankenaustausch durch die technische Innovation des Buchdrucks die Anfänge für eine wissenschaftliche Medizin legte. Die praktische chirurgische und heilpraktikerliche Grundversorgung wurde damals in den Städten durch Bader sichergestellt, die oft mehrere Funktionen hatten. Unter anderem waren sie manchmal auch Henker, Abdecker, manchmal betrieben sie Bordelle, sogenannte "Badestuben".
"Weise Frauen" die man als medizinische Autoritäten konsultierte, gab es nicht. (Falls irgendjemand eine belastbare Quelle hat, die die Existenz einer "Weisen Frau", die medizinisch tätig gewesen ist, belegen könnte, bitte ich höflich um einen Nachweis.) Allenfalls gab es medizinische Hausmittel, die innerhalb der Familie weitergegeben wurden. Da wusste vielleicht Oma - wie immer - am besten Bescheid...