Um hier mal einigen die Illusionen zu nehmen, das schrieb Bauer Gottfried vor 5 Jahren:
"Das Leben als Selbstversorger ist ein Luxus, den ich mir leisten kann, weil ich ein reicher Mann bin. Meinen Job als Diplom-Erziehungswissenschaftler habe ich schon vor 25 Jahren an den Nagel gehängt. Ich hatte Land und zwei Häuser geerbt. Von dem Verkaufserlös konnte ich mir den Hof mit fünf Hektar Wald und fünf Hektar Ackerland leisten. Außerdem habe ich ein Mietshaus in Bad Essen. Das bringt mir, wenn alles glatt läuft, jeden Monat 1200 Euro Miete ein. Für die Unterstützung meiner drei Söhne, Stromrechnung, Krankenversicherung und Lebensmittel, die ich zukaufen möchte, brauche ich 600 bis 700 Euro. Ich spare viel. Heute Morgen habe ich auf einen Zettel geschrieben: Wohin mit dem Geld?
Ich bin handarbeitender Bauer mit zehn Schafen, einer Kuh, einem Kalb und Hühnern. Außerdem habe ich einen Gemüsegarten und Obstbäume. Die Zentralheizung im Haus und fließendes Wasser nutze ich nicht. Ich befeure den Ofen in der Küche mit meinem Holz, habe einen Hausbrunnen und ein Kompostklo. Ich lebe nicht so, weil ich die Welt retten will, sondern weil es mir Selbstwertgefühl vermittelt und Spaß macht. Manche Biobauern oder Ökos denken ja, dass das etwas Schlechtes ist. Seit dem Begriff Spaßgesellschaft verbinden sie Spaß mit der Dekadenz der Großstadt.
Aber schauen Sie meinen Hof an: Die Kühe zum Beispiel sind eine reine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Ich kann mir so viel Spaßarbeit nur wegen der Mieteinnahmen leisten. Melken macht mir zu viel Arbeit, und ich schlachte sie nicht, weil ich das Fleisch nicht verkaufen darf und es allein nicht aufessen kann. Deshalb geht das Kalb irgendwann an einen Händler. Die Kuh, eine Rotbunte, ist eine alte robuste Züchtung aus dem Wendland. Ich habe sie von einem Demeter-Bauern und nenne sie eine Anthroposophenkuh. Trotzdem füttere ich sie im Winter zusätzlich mit Hafer. Wir leben in einer Zeit, in der es kaum noch eine Milch-kuh-Rasse gibt, die ihren Energiebedarf nur mit Gras und Heu decken kann.
Aber schon für das Heu, das ich brauche, um die Kühe einen Winter lang füttern zu können, muss ich sechs Wochen arbeiten. Fünf bis sechs Stunden am Tag. Das ist reine Meditation. Ich leiste mir den Luxus, morgens mit einem duftenden Haufen Heu vor der Nase über die Wiese zu stapfen, weil es Spaß macht und mich mit Stolz erfüllt. Ich bin stolz, dass ich es ohne Maschinen und ohne den Zukauf von Futtermittel schaffe, die Tiere zu ernähren. Unter Selbstversorger-Aspekten wäre es allerdings sinnvoller, eine Ziege zu halten.
Meine Tiere binden mich an den Hof. Vor einem halben Jahr, als die Mutter meiner Kinder noch hier lebte, da war ich abkömmlich und bin öfter in die Stadt gefahren. Jetzt gehe ich noch alle 14 Tage Tango tanzen in Osnabrück. Außerdem habe ich einen Spaßbauernfreund 25 Kilometer von hier, den ich manchmal mit dem Fahrrad besuche, um mich auszutauschen und mir Rückenstärkung zu holen. Dafür nehme ich mir die Zeit. Meine Nachbarn kennen mich seit 13 Jahren und wissen mich immer besser einzuschätzen. Sie sind zwar anders als ich, aber ich bin froh, dass sie da sind. Mein Biobauer-Nachbar ist mein wichtigster Alltagskontakt.
Was ich hoffentlich bald finde, ist jemand, der sich auch mal länger um die Tiere kümmern kann. Aber ein Lehrer für Selbstversorger - das möchte ich nicht mehr sein. Ich hätte gerne einen Partner auf Augenhöhe, der sein eigenes Ding macht. Und solche Menschen werde ich finden. Zwei Interessenten gibt es da schon, Horst und Angelika. Die wären sicherlich eine große Hilfe, um den Hof zu halten. Für sie ist, anders als für die meisten, das Plumpsklo kein Problem. Außerdem akzeptieren sie, dass ich sie nicht bezahlen, sondern Wohnraum gegen ihre Arbeitskraft tauschen will. So wie früher bei den Heuerleuten.
Aber mit einer Partnerin gemeinsam auf dem Hof zu arbeiten und zu leben - diesen Traum habe ich aufgegeben. Weil es für viele zu hart ist. Das ist ein hoher Preis, und es macht mich manchmal traurig, aber ich merke: Meine Nummer eins bin ich selbst. Und meine beste Quelle für Selbstvertrauen ist nun mal, an einem Junimorgen von vier bis sechs Uhr die Sense zu schwingen."
Gottfried Stollwerk, 52, Vater von drei Söhnen, Selbstversorger und Spaßbauer in Hiddinghausen bei Osnabrück
http://www.brandeins.de/magazin/ich-verstehdie-welt-nicht-mehr/das-wahre-leben.html (Archiv-Version vom 28.05.2012)