Hochhausbrand in London
23.06.2017 um 09:26"Sozialwohnungen kostengünstig aufwerten
Im Kern geht alles auf eine Lockerung der Bauvorschriften in den 1980er Jahren zurück. Bis 1984 galten in Großbritannien recht strenge Bauvorschriften, die mit ihren Anforderungen an die Raumaufteilung von Gebäuden die Feuergefahr zwar reduzierten, jedoch die Zahl von Wohnungen in einem Hochhauskomplex limitierten. Um flexibler und vermeintlich effizienter umbauen zu können, lockerte die Regierung von Premierministerin Margaret Thatcher 1984 die Bauvorschriften. Die Städte sollten
schnell, billig und viel
bauen können. Erstens brauchte die Bevölkerung Wohnraum, zweitens sollte die Baubranche florieren und drittens sollte der Bestand an Immobilien eine zuverlässige Einnahmequelle für die Städte werden.
...... 1987 führte ihre Regierung dafür die Stadtsteuer ein, die heutige council tax. Diese Steuer richtet sich nach dem Wert einer Immobilie, unabhängig vom Einkommen des Eigentümers. Im Londoner Stadtteil Kensington & Chelsea beträgt diese council tax für Privatpersonen 708 Pfund im Jahr für Billigwohnungen, steigt aber für Luxuswohnungen auf bis zu 2.124 Pfund im Jahr. ....
Je mehr Immobilien in der Gemeinde teuer und damit steuerlich höher eingestuft werden können, desto mehr Geld bekommt die Stadtbehörde. Je mehr Wohnungen also in einen Wohnblock gezwängt werden, und je schicker alles aussieht, desto besser. Das erklärt auch, warum die 32 Londoner Stadtbehörden den aktuellsten Zahlen von 2014 zufolge mehr als 250 Millionen Pfund als eine Art Entschädigung dafür kassierten, dass Bauherren die vorgeschriebenen, preisgünstigeren Wohnungen in ihren Bauprojekten einfach nicht realisiert hatten. Kensington & Chelsea strich dafür im Jahr 2015 allein 26 Millionen Pfund ein, heißt es bei London First, einer Lobby-Gruppe.
Stadtbehörden wie Kensington & Chelsea haben also ein Interesse, die billigen Wohnblocks der siebziger Jahre mit ihren Sozialwohnungen so kostengünstig wie möglich aufzuwerten.
Niemand will auf schäbig aussehende Wohnblocks schauen, vor allem nicht im Luxusviertel Kensington & Chelsea. "
http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-06/brand-london-grenfell-tower-feuergefahr-grossbritannien