Freistossspray schrieb:Dann provoziert deine Firma die Jugendlichen?
Ich hatte mich schon gefragt, wann die Frage kommt, ich frage mich das nämlich selbst auch immer wieder. Die Antwort lautet jedes mal nein.
15 Jahre lang war es zwar ärgerlich, aber trotzdem noch erträglich. Wir haben die Schäden stillschweigend beseitigt, und nichts weiter zu gesagt, ging ja auch lange genug gut. Von Zeit zu Zeit hat man mal darum gebeten, die Reste des Picknicks im Treppenhaus beim Verlassen mit nach draußen zu nehmen, und in den Papierkorb zu werfen. Manchmal kam man der Bitte sogar nach, wenn nicht, auch nicht schlimm, es kommen ja eh mehrmals wöchentlich die Reinigungskräfte.
Irgendwann hat sich dann irgendwas geändert. Schwer zu sagen wann oder warum, denn die Übergänge waren eher fließend. Ich glaube, es fing damit an, dass man unsere Altpapiercontainer, und später dann den Container für Kunststoffabfälle angezündet hat. Beim letzteren war es nur dem schnellen Eingreifen meines Technikers zu verdanken, dass keine Schäden am Gebäude und den Autos entstanden. Der hatte ihn nämlich geistesgegenwärtig in die Parkplatzmitte geschoben, so dass Schlimmeres verhindert wurde. Die Abfallgesellschaft wollte uns darauf hin keine Container mehr zur Verfügung stellen, bis wir eine Möglichkeit geschaffen haben, diese sicher einzuschließen. Alles noch kein Problem, andere bekommen so was schließlich auch hin. Dann begann irgendwann die Phase, wo es Mode war, immerzu mit einer Bierflasche in der Hand rumzulaufen (im Grunde hält diese Phase bis heute an). Probleme mit dem Taschengeld scheint es bei denen nicht zu geben, denn auf Pfandrückgabe wurde großzügig zu Gunsten vieler kleiner bunter Scherben verzichtet.
Zugang zu unserem Treppenhaus erlangt man über eine elektronische Glasschiebetür, die sich tagsüber per Knopfdruck öffnet. Ab 18 Uhr benötigt man jedoch einen Schlüssel. Vielleicht hätten wir ein paar hundert Nachschlüssel auf den Schulhöfen verteilen sollen, wäre sicher billiger gewesen, als ein bis zwei mal im Monat den Wartungsdienst zu rufen, der die Schäden am Öffnungsmechanismus der Tür repariert. Keine Ahnung, ob man das Verschließen einer Tür als Provokation werten kann, aber schuld sind wir in jedem Fall. Andererseits liefern wir somit auch eine hervorragende Gelegenheit, bei der die jungen Prachtburschen dem potentiellen Balzpartner mal so richtig zeigen können, was in ihnen steckt. Es gehört schon einiges an Kraft dazu, so eine mechanische Blockade zu überwinden. Diese "Türöffner" sind damit bestimmt die Kings, selbst ich bin immer wieder aufs Neue von denen beeindruckt.
Natürlich darf man auch die Provokation durch frisch gemalerte Wände nicht verheimlichen. So was geht schließlich gar nicht, ein Revier muss unbedingt markiert sein, wo kämen wir denn dahin...
Ich glaub, ich bin jetzt besser ruhig, ich will schließlich niemanden provozieren. Wäre sicher auch für den Mann besser gewesen, der gestern getötet wurde. Wieso provoziert er auch diese jungen dynamischen Burschen während ihrer Balzerei, und dann auch noch mit einem lila Jeep....
http://www.morgenpost.de/berlin/article206991719/69-Jaehriger-stirbt-Raser-waren-der-Berliner-Polizei-bekannt.htmlErschreckend direkt wird einem noch mal im letzten Absatz klar gemacht, welchen Stellenwert hierzulande Opfer von sinnloser Gewalt haben:
Der Verkehr läuft wieder, kaum etwas erinnert mehr daran, dass hier am Montag um 0.55 Uhr ein Mensch gestorben ist.
Opfer sind schnell vergessen, im Rampenlicht stehen die Täter, und einige genießen es womöglich auch.