Nachfahren von Kriegsverbrechern

@Funkystreet
ich möchte dir für den thread danken.
besonders für den film.

Ich glaube, es geht hier weniger darum, die Nachfahren mit den Taten ihrer Väter und Großväter in Verbindung zu bringen. Also in einem negativen Kontext "Sein Vater hat dies und das gemacht, also muss auch er ein schlechter Mensch". Dass so etwas Quatsch ist sollte klar sein. Jeder Mensch ist ein Individuum und es können ja höchstens Vorfahren etwas für ihre Nachkommen, weil sie diese immerhin erzogen haben. Umgekehrt klappt diese Denkweise aber nicht.

Aber auf den Nachkommen lastet mitunter die Verantwortung, Stellung zu den Taten ihrer Vorväter zu beziehen. Und da sind anscheinend wirklich alle Ansichten vertreten. Von denen, die sich heute aktiv gegen Rechtsextremismus einsetzen über die ohne irgendeinen Bezug zum Thema bis hin zu Menschen, die noch in der Welt ihrer Vorväter zu leben scheinen. Wie gesagt ist da gerade die Familie Himmler ein gutes Beispiel. Gudrun, die sich jahrelang für Altnazis im Knast eingesetzt hat auf der einen und Katrin, die ihre Familiengeschichte offen gelegt und sich von einigem distanziert hat, auf der anderen Seite.

Manche so, andere so. Viele Kriegsverbrecher waren als Familienmensch ja äusserst gern angesehen. Mengele beispielsweise konnte super mit Kindern umgehen und in Argentinien gelang es ihm, ein stinknormales Leben zu führen.

Die Nachfahren von Rudolf Heß haben zugestimmt, dass sein Grab in Wunsiedel/Oberfranken aufgelöst wird.
http://www.frankenpost.de/regional/bayern/bayern/Demonstration-gegen-Rechtsextreme-in-Wunsiedel;art2832,3720167
Danke an die Nachfahren der Familie Heß und meinem vollen Respekt, dass sie diesem zugestimmt haben.

Gott sei Dank wieder ein Stück weniger, wo so Irre einen Kriegsverbrecher huldigen können.

Gruß, Dumas

illik schrieb:Viele Kriegsverbrecher waren als Familienmensch ja äusserst gern angesehen. Mengele beispielsweise konnte super mit Kindern umgehen

Privat vielleicht, kann ich nicht beurteilen und hab auch diesbezüglich keine Quellen. Aber was er sonst so für Experimente mit Kindern in den Lagern machte, will ich hier nicht im Detail erläutern. Da würde sich jedem der Magen umdrehen...einfach abscheulich und unfaßbar.

Gruß, Dumas

@Dumas
Ja das waren sie. Aber man muss bedenken, dass die Kinder, Verwandten etc. den Menschen im Privatleben kennen. Entsprechend urteilt man so, wie man die Person persönlich in Erinnerung hat. Man kann es bestens am eigenen Leib begutachten. Stelle dir vor, jemand würde jetzt plötzlich behaupten, dein Vater hätte dies und das angestellt. Wie würdest du reagieren?

illik schrieb:Stelle dir vor, jemand würde jetzt plötzlich behaupten, dein Vater hätte dies und das angestellt.

Kommt drauf an, ob das nur behauptet wird oder ob es sich um belegte Tatsachen handelt ;)

Ich kann Dir sagen, wie ich reagieren würde. Egal ob Vater, Mutter, Bruder oder sonst irgendein mir nahe stehender Mensch...wenn einer so ein abscheuliches Verbrechen begangen hat, dann würde ich mich distanzieren. Egal wie er sich im Privatleben gegeben hat. Ich würde ihn genauso verurteilen, wie die anderen das auch tun. Und das mit Recht!

Übrigens: Mein Vater ist schon gestorben, nur zur Info.

Gruß, Dumas

@Dumas
Soll ja lediglich als Anschauungsobjekt dienen. Hm, ich denke die wenigsten würden tatsächlich die Verbindung kappen.
Beweise sind immer sowas. In einem solchen Fall kann es schnell passieren, dass man die eigentlich offensichtlichen Beweise zum Selbstschutz zur Lüge verklärt. Ob bewusst oder unbewusst sei dahingestellt.

illik schrieb:Beweise sind immer sowas. In einem solchen Fall kann es schnell passieren, dass man die eigentlich offensichtlichen Beweise zum Selbstschutz zur Lüge verklärt.

Ich versteh Dich schon @illik
Aber dann sind diese Menschen genauso krank im Kopf wie der, dem die Kriegsverbrechen nachgewiesen sind. Nichts hören, nichts sehen....

Gruß, Dumas

@Dumas
Man möchte in seiner heilen Welt weiterleben. Eigentlich eine normale menschliche Reaktion.

Hier noch einige Links zu dem Thema:

http://www.ursulahomann.de/ImSchattenDerVaeterKinderVonNSTaeternMeldenSichZuWort/kap001.html

http://www.sueddeutsche.de/politik/schatten-eines-unbekannten-dein-uropa-war-ein-kriegsverbrecher-1.440168

Kriegsverbrecher in Deutschland - seit 56 Jahren unbehelligt (12.04.2001)

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http://www.bild.de/politik/2010/himmler-goering-goeth-frank-11579838.bild.html

Gruß, Dumas

illik schrieb:Man möchte in seiner heilen Welt weiterleben. Eigentlich eine normale menschliche Reaktion.

@illik Sehen aber Gott sei Dank viele der Nachfahren dieser Verbrecher nicht so...bzw. verstecken sich aus Scham.

Gruß, Dumas

@Dumas
Natürlich reagiert jeder Mensch indiviuell.

So unterschiedlich wie auch zwei Brüder reagieren:

http://www.bildarchivaustria.at/Pages/ImageDetail.aspx?p_iBildID=12823063
http://www.jweekly.com/article/full/1154/eichmann-s-son-there-is-no-way-i-can-explain-deeds/

Mir sind im Laufe meiner journalistischen Tätigkeit eine Menge Mörder über den Weg gelaufen - fast ausschliesslich welche, deren Taten nie gesühnt wurden. Angehörige von SS-Einsatzgruppen, die in der UdSSR Menschen wie am Fliessband umgebracht haben. Französische Fallschirmjäger, die in Algerien Zivilisten zu Tode gefoltert haben. Algerische Guerillas, die französische Zivilisten massakriert hatten. Mörder in Nordirland, in Nicaragua, im Libanon. Nicht wenige von ihnen waren stolz auf ihre Taten. An Reue kann ich mich bei diesen Begegnungen nicht erinnern. Im Kontakt mit solchen Menschen offenbart sich die Banalität des Bösen. Der Mörder als netter Nachbar, als freundlicher Kneipenwirt, als charmanter Gastgeber, als liebenswerter Opa.

http://www.bild.de/politik/2010/himmler-goering-goeth-frank-11579838.bild.html

Daraus einige Zitate:

Bettina Göring (53), Großnichte von Hermann Göring (Hitlers Oberbefehlshaber der Luftwaffe). Sie lebt in Santa Fe (US-Staat New Mexico), praktiziert alternative Medizin. Göring und ihr Bruder ließen sich freiwillig sterilisieren. „Ich habe das machen lassen, um mehr oder weniger keine weiteren Görings zu produzieren.“

Niklas Frank (70), Sohn von Hans Frank (Hitlers Generalgouverneur der besetzten polnischen Gebiete). Er erinnert sich, wie sein Vater ihn mit ins KZ nahm. Von den Horror-Bildern wird er heute noch heimgesucht: „In meinen Träumen sehe ich die Berge von Leichen im Lager.“

Frank klärt junge Leute auf, doziert über seinen Monster-Vater: „Ich habe es in meinem Leben nie geschafft, die Erinnerungen an ihn loszuwerden. Ich kann nicht einen Vater lieben, der Öfen voller Leichen hinterlassen hat.

Gruß, Dumas

Die Urenkelin von Fritz Sauckel. Anitas Urgroßvater ließ das KZ Buchenwald errichten und war als "Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz" verantwortlich für die Deportation von mehr als fünf Millionen Zwangsarbeitern.

1946 wurde Fritz Sauckel als einer der Hauptkriegsverbrecher gehängt. Seine Urenkelin Anita Sauckel studiert Nordistik, Archäologie und mittelalterliche Geschichte in München. Die 22-Jährige lebt im Haus ihrer Eltern bei Dachau.

http://www.sueddeutsche.de/politik/schatten-eines-unbekannten-dein-uropa-war-ein-kriegsverbrecher-1.440168

Daraus einige Zitate:

SZ: Wie gehst du heute mit deinem schwierigen Erbe um?

Sauckel: Na, ich passe ziemlich auf, was ich sage. Vor allem versuche ich, keine Vorurteile und Verallgemeinerungen gegenüber anderen Nationen von mir zu geben. Ich habe Angst, dass mir Leute dann mit meinem Namen kommen.

SZ: Ist dein Urgroßvater ein Thema auf Familienfeiern?

Sauckel: Nein, das Thema wird nicht angeschnitten. Meine Familie ist da sensibilisiert. Mit so einer Vergangenheit kann man nicht gerade prahlen. Meine Mutter sagt dann immer: Kein Wort darüber, Anita!

Gruß, Dumas

@Doors

Doors schrieb:als liebenswerter Opa.

Meine Grossväter waren beide im Krieg , und ja ich habe meine Opas geliebt weil sie für jeden Scheiss zu haben waren.
Und keiner von beiden war ein stolzer Wehrmachtssoldat , die waren das weil sie es mussten ansonsten wären sie wegen Vaterlandsverrats verurteilt worden.

Die haben mir viel erzählt aus dieser Zeit als ich Kind war , und sie haben immer gesagt das man soetwas nicht erleben will und sie hoffen das ich nie in den Krieg ziehen muss.
Krieg hat absolut nichts heldenhaftes , und die hatten Schiss als sie auf Menschen schiessen mussten die auf einmal Feinde waren aufgrund eines Befehls.

Meine Oma lebt noch , und sie ist wahrlich nicht stolz darauf im BDM gewesen zu sein während ihr Mann in Afrika gekämpft hat.

Also ich finde es total daneben das du hier Opas ins Spiel bringst.

Heijopei schrieb:Also ich finde es total daneben das du hier Opas ins Spiel bringst.

Nun, man muß halt mal von "Opas" sprechen, da dies halt die Generation war, welche diese Zeit mit erlebten. Kann ja nicht von "meinem Kind" sprechen ;) ...logisch, nä?

Der User @Doors wollte bestimmt nicht explizit irgendeinen Opa zu nahe treten bzw. ihn beleidigen.

Gruß, Dumas

P.S. Zudem muß man das ganze Posting wiedergeben, nicht nur den einen Satz ;) Dann ergibts nämlich erst Sinn.

Nun ich kann schon verstehen das Menschen ihre kleine heile Welt behalten wollen.
Irgendwie geht es mir ja genauso.
Erst vor kurzem erfuhr ich, dass mein Grossvater (welcher schon einige Jahre verstorben ist) meiner Grossmutter noch auf dem Sterbebett erzählte, dass er wohl angehöriger der SS gewesen sein will.


Insofern hat Doors schon recht wenn er schreibt.

Doors schrieb:Der Mörder als netter Nachbar, als freundlicher Kneipenwirt, als charmanter Gastgeber, als liebenswerter Opa.

Alles was bleibt ist ein sehr seltsamer Gefühlsmischmasch.