Luminita schrieb:Ich denke, man kann gar nicht immer ruhig und sachlich auf alles reagieren, aber man sollte sich bemühen. In Diskussionen darf man schon irgendwie Emotionen einbringen, aber übertreiben sollte man doch auch nicht.
Dahingehend habe ich für mich aber einen höheren Anspruch gesetzt, der aber auch mit der Geschwindigkeit einer Diskussion zusammenhängt.
Die schriftliche Diskussion bietet ja den großen Vorteil, dass man sich prinzipiell nicht hetzen braucht und sich genug Zeit nehmen kann, wenn man sie braucht. Ich empfinde eine klare (schockierte und eingeschüchterte) Reaktion, wenn man mich bspw. anschreit oder einen meiner wunden Punkte trifft. Die gibt es auch im Schriftlichen, etwa wenn man meine Person auf die richtige Weise angreift und das lässt mich beim lesen auch nicht kalt.
Jetzt kommt das Thema Zeit ins Spiel. Während man mündlich möglichst schnell wieder funktionieren müsste, so musste ich mir über die Jahre auch erst angewöhnen, etwa Beleidigungen etc. setzen zu lassen und die Finger von der Tastatur fernzuhalten.
Wenn ich wirklich bei der Sache bleiben will, dann muss ich konsequenterweise auch meinen eigenen Fokus auf der Sache selbst behalten und den Rest ignorieren können! Das muss man halt erstmal üben, so sehr es auch in den Fingern jucken mag.
Und wenn ich dann voll und ganz über die Sache sprechen möchte, dann frage ich mich auch bei jedem für mich interessanten Thema, warum ich dazu etwas schreiben möchte?
Kann ich andere/neue Argumente beitragen? Will ich überhaupt Gegenargumente hören? Usw.
Das primäre Ziel des Diskutierens heißt bei mir, dass ich gründlich über meine Argumente nachdenke und sie dann auf die Probe stelle. Manche halten Stand, andere brechen zusammen - und gerade letzteres ist wichtig wahrzunehmen.
Ich kann und werde nicht erwarten, dass ich einen Beitrag schreibe und dann dafür applaudiert werde - das ist nicht das Ziel! Das Ziel ist der Diskurs selbst und meine eigene Rolle darin vor Augen zu haben.
Es gibt genügend Diskussionen in denen ich zu verschiedenen Zeitpunkten (manchmal mehrere Jahre auseinander liegend) völlig gegensätzliche Standpunkte vertrat, eben weil sich Meinungen und Überzeugungen ständig wandeln (gerade meine eigenen); und da ich mit mir selbst nur eine gewisse Zeit selbst diskutieren kann, frage ich eben bspw. hier manchmal nach, ob alte Argumente noch Relevanz haben.
Kurzum: Wenn ich mich voll und ganz der Sache hingeben will, dann prüfe ich vorher, was ich zur Sache zu sagen habe. Frage mich selbst, ob ich im schlimmsten Falle auch meine momentane Einstellung zu Sache ändern möchte/könnte.
Und wenn das alles klar geht und der Diskurs im Gange ist, bleibt noch ständig zu kontrollieren, ob ich mich mit jemandem im Kreis drehe, um ggf. auszusteigen bevor mir gar nichts Neues mehr einfällt und ich dadurch Gefahr laufe, den Fokus auf die Sache zu verlieren.
Und das Sahnehäubchen ist noch, bei eventueller eigener Unsachlichkeit noch einmal nachzulesen, was mich dazu veranlasst hatte und diese Erfahrung im Hinterkopf zu behalten.
Sachlichkeit fängt für mich also zu allererst bei mir selbst an.
Und in diesem Sinne bin ich ehrlich gespannt, in wie weit darauf reagiert wird.
So oft wie der Wunsch nach Sachlichkeit geäußert wurde, kann ich mir gut vorstellen, dass damit auch etwas anderes gemeint wurde. Erzählt mal.
:)