Die Gesellschaft ist krank - Beziehungen.
28.04.2014 um 16:29
So, damit der Thread nicht in Vergessenheit gerät, hab ich mir ein wenig Zeit genommen um weiter zu schreiben.
Wer will schon ein normales Leben? Jeden Tag um fünf von der Arbeit nach Hause in das traute Heim. Mit Frau und Kindern im Sommer nach Spanien ans Meer und im Winter in die Alpen wenn nicht wieder mal die Waschmaschine kaputt geworden ist und deshalb das nötige Großgeld fehlt. Am Wochenende zu den Schwiegereltern Apfelkuchen essen und die immer gleichen Schimpftiraden von ihrem Dad anhören oder am Sonntag auf der Couch rum sitzen und in ein monotones Gesicht blicken in das man einst so verliebt war. Ja, wer will das schon? Wer will schon ein normales Leben? Indem man sich mit seinen Freunden einmal in der Woche kurz auf ein Bier trifft nur damit sie dir von einem Leben erzählen das man selbst führt. Vielleicht kommt der Moment in dem man über alte Zeiten fantasiert, über die Träume die man mal hatte, die Lebensfreude und die Unbeschwertheit, indem Wissen das diese Erinnerungen in so weiter Ferne liegen das selbst der Mond näher scheint. Ja, wer will das schon! Man wollte doch die Welt bereisen, eine Südtropische Frucht auf dem Gaumen spüren und auf einer Harley die Route 66 befahren, während der Wind des Lebens einem die Haare ins Gesicht bläst. Und ach ja, blasen,
in 80 Frauen um die Welt oder so ähnlich. So hat man sich das einmal vorgestellt.
Es schmerzt zu sehen wie andere Menschen gefangen sind in ihrem eigenen Leben, in einem Gefängnis aus selbst erschaffenen Umständen. Wie sie gefesselt in ihrer innerlichen Ecke sitzen, wie vietnamesische Geiseln, Tag für Tag ausharren und warten bis jemand kommt der sie rettet. Aber es kommt niemand. Das einzige von dem sie eines Tages abgeholt werden ist der Tod, der Sensenmann, der jeden Moment und jede Entscheidung erst so besonders macht. Und jeder fürchtet sich vor diesem Moment. Doch der Mann mit der schwarzen Kapuze schließt zwar keine Kompromisse aber er kennt Gnade. Ein vietnamesischer Gefangener erhält keine Gnade von seinen Peinigern. Er wird bespuckt, getreten und entwürdigt und manchmal bekommt er ein Stück Brot damit er nicht verhungert. Man hat Angst davor allein zu sein und wird es dadurch erst – paradox. Man zieht alles an und stößt es dann wieder weg, wie ein Magnet. Vielleicht weil wir zu viel Angst davor haben die falschen Entscheidungen zu treffen, weil der Kapuzenmann jede Entscheidung so unglaublich wichtig macht.
Wie befreit man sich aus einem Gefängnis das in einem liegt? Wie flüchtet man von einem Schiff mitten im Pazifischen Ozean? Was bringt es einem die Aussicht auf dem Eiffelturm zu bewundern, die Pyramiden in Gizeh zu bestaunen oder im türkisblauen Meer auf einen Seeigel zu treten, wenn man seine inneren Gitterstäbe nicht durchbrechen kann? Ja, wer will ein normales Leben? Und was heißt normales Leben überhaupt? Und was ist ein abnormales Leben? Sich an nichts festes binden? Keine Verpflichtungen eingehen und Dosenravioli in die Mikrowelle schmeißen? Statt am Sonntag bei den Schwiegereltern zu sitzen lieber den Kater vom letzten Abend streicheln? Mit so vielen Fragezeichen kann wohl keine Antwort mithalten.
Schlechte Momente in unserem Leben sind wie Regentropfen die langsam das Fenster hinunterlaufen. Irgendwann ist alles verschwommen und man blickt nicht mehr durch. Und zu allem Überfluss muss jemand kommen und die Fensterscheibe abwischen, damit man wieder etwas sieht. Ein Teufelskreis in dem der Kapuzenmann Lambada tanzt. Vielleicht sollte man nicht fragen wer ein normales Leben will, vielleicht sollte man stattdessen lieber fragen wer überhaupt leben will. Und was es eigentlich bedeutet zu leben. Auf die Dächer von New York zu steigen und dort einem Mädchen zu sagen das all die Lichter der Stadt nicht so hell leuchten wie das Strahlen ihres Wesens? Kitsch hin oder her. Die Pointe ist nämlich es auch ernst zu meinen. Oder das schwierige. Oder sagen wir besser: Das beinahe unmögliche. Das wünscht man sich. Aber um bei den Vielleichts zu bleiben. Vielleicht wünscht man sich mehr es sagen zu können als das es angenommen wird. Vielleicht wünscht man sich selbst einmal so tief empfinden zu können, damit der Orkan der über die Antarktis in unserem inneren fegt, endlich aufhört alles zu zerstören was ihm im Wege steht. Wer zu solchen Gefühlen fähig ist der hat Ruhe in sich gefunden. Der will mit keinem anderen Menschen den Stadtdschungel New Yorks überblicken als mit eben genau diesem. Der ist sich sicher und muss nicht mehr abwägen, spürt keine Zweifel und muss nicht überlegen. Der braucht keinen Beziehungsratgeber und schon gar keinen Lebensratgeber.Weil er alles fühlt. Er muss niemanden mehr fragen was er fühlen soll, nirgendwo mehr lesen wie man den oder die richtige erkennt, oder wahre Freunde findet. Dieser Mensch ist befreit und fähig zu leben, statt nur zu überleben und sich von trockenem Brot zu ernähren. Dieser Mensch tanzt Bugi wenn der Teufel Lambada tanzt. Wie schaffen solche Menschen etwas so unglaubliches, das eigentlich selbstverständlich sein müsste? Hatten die noch keine schlechten Erfahrungen? Wissen die den nicht das jeder Mensch ein potenzieller Attentäter ist und jederzeit ein Stück von uns heraus reißen kann, weil sie so hungrig vom trockenen Brot geworden sind?
Heute muss man abwägen....und genau hier müsste der Satz eigentlich zu Ende sein, weil er bereits alles richtig beschreibt was falsch läuft... aber ich schreibe ihn trotzdem.
Heute muss man abwägen, auf der Suche nach einem Menschen der zu uns passt - und wieder könnte der letzte Satz alles erklärend im Raum stehen – wir wägen ab nach: sozialen Kriterien, Aussehen, „Charakter" , Prestige, die Qualität des Sex, unseren früheren Beziehungen, Job und Ansehen, Kleidungsstyl, sonstige Auswahl auf dem „Markt" , eigenen Lebensumständen, Bildung, Intelligenz, Kochkünste, schlechten Angewohnheiten, Emotionale Intelligenz, Einstellung zu Kindern, Zukunftsvisionen, nach den letzten drei Stellen der Handynummer... das könnte man noch ewig so weiter führen – damit es zu nichts führt. Und all diese Kriterien werden in einen Sack gepackt und gut durch geschüttelt. Und wenn man einen Menschen kennen lernt dann werden diese Kriterien wieder ausgepackt und auf den Tisch geschmissen, neben dem vertrockneten Brot. Und dabei bleibt nur eine einzige Frage offen die man nicht einmal als Millionenfrage stellen könnte, weil man gar nicht auf sie kommt. Man könnte höchstens die Antwort vorgeben und man müsste die Frage dazu erraten. Es würde heute noch keinen TV-Millionär geben. Warum will ich diesen Menschen überhaupt erst kennen lernen - Vorsicht doppeldeutig -wenn ich dafür meinen Sack auspacken muss? Und was mach ich überhaupt mit dem Sack? ( jaja) Das ist doch so als würde man Pilze sammeln in der Wüste. Ich will einen Menschen auf dieser Welt sehen der sich Hals über Kopf verliebt und trotzdem seinen Sack auspackt. (so, jetzt reichts aber, keine Vergleiche mehr solcher Art) Ich glaube ein Großteil von uns Menschen hat verlernt wirkliche Gefühle zu empfinden. Vielleicht weil wir immer an den falschen Stellen suchen und den Strohhalm an den wir uns klammern für Festland halten. Wir wollen empfinden aber erzwingen. Wir wollen still sein aber reden. Wir wollen zu viel vom wollen und zu viel von vielem. Und dabei sortieren wir aus, in der großen Auswahl, ohne zu begreifen das es keine Auswahl gibt. Man muss nicht wählen, außer an den Wahltagen. Man muss nur dort hingehen wo es einen hin zieht, ohne Angst zu haben dabei anderes zu verlieren, denn sonst verliert man sich selbst. Ohne Angst das man zurück gestoßen wird, weil man sich sonst nur selbst zurück wirft. Wer nicht liebt kann auch nicht verletzt werden. Deshalb lieben wir lieber nicht und wägen ab. Suchen nach grauen Kriterien im außen, anstatt nach Farben im inneren und reden uns ein das Grautöne verschiedene Farben sind. Doch es ist nur ein anderes Grau.
Und Menschen sind nun einmal Menschen und machen manchmal, eigentlich viel zu oft, blöde Dinge. Und es wird uns immer wieder passieren das Menschen konträr zu unseren Gefühlen handeln. Das ist aber nicht das wichtige. Das wichtige ist das wir fühlen und nur nach diesem Kriterium unsere Menschen auswählen. Anstatt scheintot zu leben, leben wir um zu verlieren. Und erst wenn ein Mensch verlieren kann zeigt sich seine wahre Größe. Gewinnen ist einfach. Das kann jeder. Gewinnen ist was für Verlierer, um es Pseudo philosophisch auszudrücken. Die „Weisheit" „Wer suchet der findet" wird hier absurdum geführt. Genau das kann man nicht finden, es findet einen, um es Pseudo Klugscheißer mäßig auszudrücken, ohne Pseudo. Und es bleibt uns nichts anderes übrig außer offen zu sein und zu warten. Und vielleicht dauert es lange. Aber es ist besser zu warten bis der Funke überspringt als hundert mal mit dem Feuerzeug nach zu helfen, bis irgendwann die ganze Wohnung brennt.
Unsere Gesellschaft ist krank. Um es mit den Worten Arthur Schopenhauers zu sagen: „Das Verhältnis zwischen Mann und Weib ist kein anderes als das von Subjekt und Objekt." In diesem Satz steckt eine erschreckende Wahrheit. Viele Philosophen haben das erkannt, aber um bei Schopenhauer zu bleiben: „Es ist wirklich unglaublich, wie nichtssagend und bedeutungsleer, von außen gesehen, und wie dumpf und besinnungslos, von innen empfunden, das Leben der allermeisten Menschen dahinfließt. Es ist ein mattes Sehnen und Quälen, ein träumerisches Taumeln durch die vier Lebensalter hindurch zum Tode, unter Begleitung einer Reihe trivialer Gedanken."
Trivial ist wohl das richtige Wort. Denn eigentlich wimmelt es auch in diesem gesamten Text von Trivialität. Eigentlich! Denn es wird auch hier keine neue Weisheit verkauft, die Schrift nicht neu erfunden und es wird wohl auch nicht als Da Vinci der Literatur in die Geschichte eingehen. Und trotzdem, leben so viele Menschen genau ein solches Leben. Auch wenn viele wissen das es stimmt und „Bingo" schreien, nachdem man den Text gelesen hat macht man wieder weiter wie bisher. Im richtigen Leben bekommt man eine auf den Deckel wenn man „Bingo" schreit ohne das man alle Zahlen ankreuzen konnte. Aber im richtigen Leben zählen ja auch andere „Kriterien".