@shionoro Ich würde das mit der Uni auf den Dozenten einschränken. Nicht die Uni als solche, sondern der Dozent mit seiner spezifischen Art die Veranstaltung auszugestalten ist entscheidend wie das Wissen bei Studis ankommt. Andererseits habe ich im Mathestudium immer für mich gelernt und konnte mit den Vorlesungen nur begrenzt etwas anfangen. Es kommt schon auf den Einzelnen an, wie bereitwillig er sich in einem Gebiet einarbeitet. Ich muss dazu sagen, dass ich mehr gemacht habe als im Mathestudium gefordert. Und ich habe immer versucht aus den mathematischen Gebieten einen direkten Nutzen zu abzuleiten (was bei den Abstraktionsgrad nicht immer einfach ist, aber wohl möglich).
shionoro schrieb:Bei welchem aufgabentypen die du für sehr relevant hälst siehst du denn defizite?
Ich war für Lin. Alg. I Tutor und habe die Leute öfters mal mit Aufgaben aus dem Gymnasium überrascht. Nachdem wir die Übungsblätter und einige Beweise besprochen haben, wollte ich zum "Scherz" (später habe ich dann das aktiv als Aufwärmübung genutzt) ein paar schnöde Sachaufgaben aus dem Gymi lösen. Erst da begriff wie wenig die Leute mit dem was sie lernen anfangen können. Es gab dabei natürlich Studenten, für denen war das kein Problem, aber erschreckend viele konnten erschreckend einfache Sachaufgaben nicht lösen. Allerdings waren die Leute durchaus in der Lage einen Beweis zu führen. Mir ist die Diskrepanz aufgefallen und mir fällt sie auch zur Zeit im Informatikstudium auf. Aber womöglich gehören ich zu denen wenigen die sich kritisch hinterfragen, wie man die Theorie in die Praxis umsetzen kann bzw. wo mögliche Anknüpfpunkte sein können (auch außerhalb des Forschungsalltags). Man könnte damit argumentieren, dass diese Defizite vielleicht nur bei den 1. / 2. Semestern liegen könnten. Aber ein Gespräch mit einem (mittlerweile gut befreundeten) Mathe-Prof hatte mir dies ebenfalls bestätigt für höhere Semester.
Aber darum geht es mir nicht. Trotz der Defizite mache ich mir um die Mathe-Studenten als solche keine großen Sorgen. Mir geht's eher um das Gesamte: Schlechte Arbeitsbedingung in der Wissenschaft, einen mittelmäßigen Platzierung der Deutschen in der Relevanz der weltweiten Forschung & Veröffentlichung, einen Aufbau von Scheinwelten um Schüler in die Uni zu locken, eine Überschätzung der akademischen Fähigkeiten, eine von Prestige zerfressende Arroganz der Hochschulleitung mit nur wenig Gespür was Studenten (und Forscher) brauchen, eine fast an die Lächerlichkeit gebrachte Bildungsdiskussion, eine katastrophale finanziellen Austattung der Hochschulen, einen sinnlosen Drang Hochschulprofil aufzuweichen und ein elitäresGehabe, bei gleichzeitig fehlender elitären Ausbildungsstruktur, die wiederum das elitäre Gehabe rechtfertigen könnte.
Wo sind nur die kritischen Studenten geblieben? Oder findet ihr tatsächlich die derzeitige Hochschulbildung gut? Sind wir schon in den gleichen komatösen Zustand abgeglitten, wie die Deutschen insgesamt? Fehlt uns nicht die Kraft der Empörung und der Wille zur Weiterentwicklung?