Chomsky
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Die lange Nacht der Wissenschaft
03.01.2014 um 18:14ACHTUNG: FOLGENDER TEXT IST POLEMISCH UND ÜBERSPITZT.
Kurze Zusammenfassung, da der Text (zu?) lang und (zu?) viele Prämissen enthält:
-Es geht um eine Auseinandersetzung mit dem Universitätswesen
-Es geht um die zahlreichen Blendungen der Wissenschaft
-Es wird von den desaströsen Zuständen der Wissenschaft auf mögliche
Konsequenzen auf andere Bereiche der Gesellschaft transferiert
Letztes Jahr fand in meiner Heimatstadt mal wieder DAS Scientific Event schlechthin statt. Die knarzenden Türen der Hochschulen öffneten sich für die Bürger und baten um Eintritt der Interessierten, Halbinteressierten und Uninteressierten. Das vordergründige Ziel dieser Veranstaltung war die Zuschaustellung der (angewandten) Wissenschaft. Junge Leute sollen Blut lecken an den "fantastischen Experimenten" und sie sollen brennen für den Geruch der angeblich strahlenden Labore. (Nur durfte man sich ja nicht in die falschen Gassen der Stadt verirren, ansonsten hätte man die kurz vor dem Zusammenbruch stehenden Gebäude der geisteswissenschaftlichen Fakultäten entdecken können - was nun weniger "fantastisch" anzusehen wäre) Auch ich durfte dieser Veranstaltungen beiwohnen, da ich meinen kleinen Cousin die, in seinen Worten, "geile" Uni zeigen durfte. Die besten Professoren wurde für den Tag herausgetrieben, damit sie zumindest einmal im Jahr eine anständige Veranstaltung halten durften. Unwichtigkeiten wie mathematische Gleichungen wurden von den Tafeln entfernt und die "pure" Wissenschaft kam zum Vorschein in Form von infantilen... äh interessanten Experimenten. Am Ende der langen Nacht war meine Stirn aufgrund der massenhaften Face-Palms schon so gerötet, dass mir mein Kopf brummte. Ich sah auf den billig gedruckten Flyer der Veranstaltung und erkannte: Die lange Nacht der Wissenschaft ist nicht erst vorbei, sondern sie dauert schon lange an. Es ist Nacht. Der Morgen ungewiss.
Wann genau kam die Nacht über die Wissenschaft? Das weiß ich nicht. Aber es muss der Moment gewesen sein, wo die letzten Genies von dannen zogen und die Universitäten endgültig all ihre Ideologie verloren hat. Die Uni von heute ist kein Ort mehr für einen Einstein, Wittgenstein, Gödel etc. Sie ist zu einem Ort für Niemanden geworden. Sie ist eine Farce! Ich selbst komme mit dem "Klapperkasten" ganz gut zurecht: Doppelstudium der Psychologie und Mathe, zumindest bis Ende des (ehemaligen) Grundstudiums und danach vernunftsbedingt in einem anderen Studiengang eingestiegen. Meine Note waren bisher sehr gut (aber ein Doppelstudium würde ich trotzdem niemand empfehlen). Die besten Ausgangsbedingungen hatte ich mit einem "Quali" und einer anschließenden Lehre zwar nicht, aber besonders davon abgehalten hat mich das vom Abi und Studium dann auch wieder nicht.
Trotzdem habe ich seit Anfang an mit dem Klapperkasten so meine Probleme. Das liegt zunächst daran, dass ich mir bis heute nicht sicher bin, was das Ding von mir eigentlich will. Ich glaube einige Kommilitonen geht's genauso. Manchmal habe ich auch den Eindruck, dass manch ein Professor den selben Gedanken hat, vor allem dann wenn er in Gesichter müder Studenten mit erlahmten Geist blickt. Eine allgemeine Orientierungslosigkeit könnte man den Universitäten, den Studenten, (dem Arbeitsmarkt,) eigentlich dem gesamten Bildungssystem unterstellen. Die Universitäten können sich offenbar nicht mehr entscheiden was sie sein wollen: Ort der Wissenschaft oder ein Ort der Ausbildung für die Wirtschaft. Die naive Antwort ist dann, das man beides verbinden könnte. Das Ergebnis sind dann krude berufsqualifizierende Kurse wie Medienkompetenz (in dem man den Umgang mit PowerPoint lernt) oder Pseudo-Anwendungsmodule, in den zwar das ein oder andere beruflich relevante Schlagwort fällt, aber man schnell in die gewohnte wir "rattern-die-Theorie-ab"-Haltung verfällt. Ganz heiß gehandelt werden Gruppenarbeiten. Diese sollen die Ehr' der Dozenten und Köpf' der Studenten retten. Das es sich dabei um nichts weiteres als eine äußerst schlechte Simulation von Teamarbeit in der Wirtschaft/Wissenschaft handelt, fällt aber den unwissenden Studenten und Betriebsblinden Dozenten nicht auf. Zum Glück stellen die erlahmten Geister selten kritische oder gar unangenehme Fragen, sodass der schön eingeschliefene Betrieb nicht weiter gestört wird. All das ist dann die hohe Qualität der Universitäten in den man richtig zu denken lernt usw. Als Beweis werden eine handvoll erfolgreicher Karrieren auf die Homepage der Unis gezeigt, die dann freudestrahlend von ihrem Studium berichten. Hauptsach' die Verpackung glänzt.
Der Zustand der (deutschen) Universitäten ist aber durchaus kritisch. Sie gleichen von der Mentalität und der Zusammensetzung eher den verfallenden Fassaden der Gebäude der geisteswissenschaftlichen Fakultät meiner Uni. Den Anschluss an der Spitzenforschung haben wir in der Breite zwar verloren, aber das scheint niemand zu stören (oder besser gesagt niemand ernsthaft zu stören). Vorzugsweise wird dann mit den wenigen verbleibenden Forschungen argumentiert, die man noch als wertvoll (für sich selbst), aber wohl ehrlicherweise als weltweit unbedeutend ansehen müsste. Möglicherweise könnte man argumentieren, dass dies der Zeitgeist sei und die Unis den Absolventen sattelfest machen für die Wirtschaft. Also eine Verschiebung von Wissenschaft zur Wirtschaft. Dieses Argument wäre, wenn es denn gültig sei, zwar nicht prickelnd, aber so könnte man den Unis wenigstens ein Zielprofil unterstellen. Zum Glück (!?) ist dieses häufig gebrauchte Argumente falsch: Die Wirtschaft braucht die Akademiker nicht, zumindest nicht in der großen Masse. Sie bräuchte sogar bedeutend weniger Akademiker, trotz allen Rufe der OECD. Der Mittelstand in Deutschland war bisher gut aufgestellt. Die Brain-Power hat sich innerhalb der Betrieben entwickelt. Viele mittelständischen Betrieb sind erschreckend "unakademisch" und doch seltsamerweise weltweit erfolgreich. Die Genese des deutschen Mittelstands kam in vielen Branchen ohne die Brain-Power der Universitäten vonstatten, die in Deutschland traditionell eher in Richtung theoretische Dizsiplinen aufgestellt sind. Die Universitäten wollen für den Markt ausbilden, aber schaffen "Produkte", die von reichlich seltsamer Qualität sind.
Universitäten und Fachhochschulen kuscheln stärker um eine Mitte. Irgendwie Schule für den Markt und Schule für die Wissenschaft. Fachhochschule wollen zur The Germanys Next Top Uni aufsteigen (oder absteigen?) und Universitäten verteidigen sich bis auf die Klauen, schielen aber auch darauf die FH vom Thron der praxisorientierten Ausbildung mit wissenschaftlicher Basis zu kicken. Politiker verfallen in derbe Rhetorik und sind, ähnlich wie die Hochschulen, vom Prestige zerfressen. Es soll nicht promoviert werden aufgrund der Wissenschaft, sondern es soll promoviert werden, weil... äh, weil.. äh, weil gut. Um die Transformation am oberen Ende der Bildungslandschaft zu rechtfertigen, müssen reichlich haarsträubende wirtschaftliche Realitäten "erfunden" werden. Eine Erfindung ist der baldige, oder jetzt schon da seiende (je nach Version) Fachkräftemangel. Als (Ex-)Mathematikstudent graut es mich zwar bei der Methodik der Erhebung der Zahlen, die einen angeblichen Fachkräftemangel indizieren, aber selbst ich erlag dieser Illusion, wenn auch nur kurzzeitig. Erstaunlich auch die bedenkenlos "Extrapolation" der aktuellen wirtschaftlichen Leistung in eine doch mehr als ungewissen Zukunft. Man tut so, als sei schon heute alles gut und die Zukunft wird rosig. Unter diesen Voraussetzungen wäre ein gewisser Fachkräftemangel in gewissen Bereichen tatsächlich da. Aber da die Methodik vieler Erhebungen dahinter fast schon kriminell unexakt ist, würde man dies, unter normalen Umständen, als "Studie mit geringer Aussagekraft" werten. Aber da die Zeiten nicht normal sind, projektieren wir all unsere Hoffnungen in den wackeligen Zahlen windiger Untersuchungsdesigns.
Mich quälen die zahlreichen Aussagen, ja schon fast Lügen, der Unis sehr. Erst kürzlich musste ich einem Vortrag beiwohnen, bei der die Realität mal wieder kräftig verzerrt wurde. Demnach sei DE der Forschungsstandort zukunftssicher aufgestellt ( o.O wtf?) und die Forscher hätten hierzulande hervorragende Karierreaussichten. Teilweise habe ich mich schon gefragt, wie ernst man bleiben kann, wenn der Inhalt offensichtlich Komik ist. Nur taten mir die 18- und 19-jährigen Kommilitonen Leid die mit großen Augen den Prof. Dr. Dr. Dr. zuhörten, aber nicht sehen, dass die Wissenschaft reihenweise junge Leute "einfach so" verheizt. Die Situation der Forscher sind an sich vielerorts nicht hinnehmbar. Aber schon bei den Studieninformationstage beginnt das massive "Reality Distortion Field". Da glänzen selbst die Geisteswissenschaften auf. Zukunftaussichten? Gut! Wo arbeiten? ... man kann total viel machen.... Personalwesen, Verlagshäuser, in Agenturen! So hatte ich schon vor ein paar Jahren den Eindruck, dass irgendwie alle im Personalwesen landen: Ein bunte Abteilung mit Kunsthistorikern, Wirtschaftspädagogen, Soziologen, Psychologen und sogar Philosophen. Auch wenn ich mir es wirklich wünsche, dass die Vielfalt in die Einfalt einkehre, so kenne ich persönlich nur wenige Firmen die eine solche Vielfalt in einer Personalabteilung anbieten. Eigentlich.... keine. Möchte aber meine Erfahrung nicht über alles stellen.
Es ist schon ziemlich dunkel hier in der Wissenschaft. Man könnte ja nun argumentieren, man lerne in der Uni viel fürs Leben. Okay, gehen wir es mal durch: Forschungsmethoden? Eher nicht. BWL? Okay, Scherz beiseite. Grundlagen der Entwicklungspsychologen? Hmm, okay, da kann man sich eine von 1000(*x) Theorien aussuchen. Aber sicher doch Zahlentheorie! Für ein zwei Rechentricks vielleicht, aber ansonten? Differentialgeometrie? Äh, what!? Okay, an konkreten Inhalten ist wenig dabei. Übrigens auch in Studiengängen, von den man denken würde, sie seien "nützlich" wie z.B. Informatik. Aber ein erst kürzlicher Plausch mit einem Absolventen brachte es auf dem Punkt "Irgendwie habe ich das Gefühl, dass hier nichts gelernt habe. Ich kann von allem etwas, aber nichts gescheites". Vor allem letzteres möchte ich genauer beleuchten: Die Universität lehrt irgendwie "nichts gescheites" im Sinne von tatsächlich Verwertbaren. Und nein, damit meine ich nicht dumpfen Excelkram oder das Schwingen der Lötkolben, aber mir macht es schon Sorgen, dass ich als Nachhilfelehrer Studenten vor mir hatte, denen zwar das Grundstudium schwer fiel, aber anscheinend nach den verhassten Mathe-Module mit den M-Wort eine innere Kündigung vollzogen haben. Selbst triviale Statistikaufgaben wurden falsch gelöst, obwohl sie ein Modul in Statistik abgeschlossen haben. Nach der Theorie vieler Dozenten und Studenten durfte sowas gar nicht vorkommen. Kommt aber vor und zwar echt häufig. Unter den sehr wenigten Begabten, gibt es eine "Armee" junger Leute die weder kopfrechnen, noch die einfachen Künsten der Statistik und Grundlagen der Analysis beherrschen, sich aber dennoch mit feinen Titeln schmücken dürfen. Das sind die Leute die dank Bullimie-Lernen gar nichts können, aber zum (Un-)Glück ist der Selbsttäuschungsapparat so wohl ausgeprägt, dass sie es selbst gar nicht merken. Und genau hier bricht die Dunkelheit über uns ein: Die lange Nacht. Denn diese jungen Menschen, die selbst Opfer des Bildungsfleichwolfes sind, können im Grunde gar nichts: Haben es weder praktisch drauf, was wichtig für die Wirtschaft wäre, noch theoretisch, was wichtige für die Wissenschaft wäre. Als Bastarde der modernen Gesellschaft, symbolisieren sie perfekt den neuen Lebenstil: Schöne glänzende Verpackungen, die man hoffentlich niemals öffnen muss. Denn sie sind leer, wie die Wüste Gobi.
Die Schuld für diese Misere dürfte doch zu einem Größtenteil der Politik zukommen, aber nicht nur. Es sind vor allem die feuchten Träume nach Prestige und Ruhm. Der Beste unter allem zu sein. In Deutschland misslingt dies immer mehr. Zwar zehren wir noch vom Erfolg der vorherigen Generationen, aber meine Generation muss sich schon mal damit befassen, wie wir die vielen Berge aus zerbrochenen Porzellan zusammen kehren mögen. Dabei war unsere Lage so günstig. Eine an sich gut funktionierende Bildungsinfrastruktur, eine breite (relative) Unterschicht deren Hunger man auf Bildung und Erfolg hätte entfachen könne, Vielfakt in Kultur und Denken usw. Und jetzt? Ich sag das junger Mensch, weil viele noch nicht begriffen haben, welche "stillen" Umwälzungen zur Zeit vonstatten gehen. Verantwortungslos sind die Politiker und die Mächtigen, die Profiteure der heutigen Zeit die die junge Leute schamlos verheizen und dabei uns noch so gnadenlos täuschen. Die lange Nacht der Wissenschaft die sich in Deutschland ausgebreitet hat, der komatöse Zustand der Politik und die tiefen sozialen Risse in diesem Land werden dafür sorgen, dass ich und meine Generationen die Kraft fehlt, die wirklichen Herausforderungen (und nein das ist NICHT die Rentenversicherung) zu meistern.
Die Wissenschaft ist in Deutschland eingeschlafen. Die Universitäten werden zunehmend Ort für Niemanden. Die Hochschulen verlieren ihre Profile und feiern das noch *facepalm*. Auch wird in der Öffentlichkeit das Fehlen jeglicher Intellektuelle nicht bemerkt, und es stimmt mich als Begeisterter für Mathe beunruhigt, dass die deutlichen methodischen Schwächen der "Zukunftsforschung" nicht öffentlich wirksamer diskutiert werden (es gibt sehr Wohl Klagerufe von Soziologen und Statistiker, aber die Verhallen in den sozialwissenschaftlichen Fakultäten). Die Bildungslandschaft ist insgesamt katastrophal zerklüftet. Die jungen Menschen sind geblendet von ihren Egoismus und der Karrieregeilheit (wenn die wenigstens mit Fleiß und Intelligenz einhergehen würde *rolleyes*). Der deutsche Mittelstand der gewissermaßen eine Kuriosität im europäischen Markt ist, wird überschüttet mit einem Blödsinn nachdem anderen. Und am haben wir ein vollkommen zerstörtes Ausbildungssystem, indem nichts mehr funktioniert. Eines der ersten Opfer war die Wissenschaft, und das zweite Opfer ist oder wird die Wirtschaft sein. Und am Ende? Und am Ende wird es auch den Sozialsystem an den Kragen gehen, und damit den Frieden in diesem Land und der Politik. Kassandra-Komplex, übertrieben, falsch? Na, hoffentlich!
Kurze Zusammenfassung, da der Text (zu?) lang und (zu?) viele Prämissen enthält:
-Es geht um eine Auseinandersetzung mit dem Universitätswesen
-Es geht um die zahlreichen Blendungen der Wissenschaft
-Es wird von den desaströsen Zuständen der Wissenschaft auf mögliche
Konsequenzen auf andere Bereiche der Gesellschaft transferiert
Letztes Jahr fand in meiner Heimatstadt mal wieder DAS Scientific Event schlechthin statt. Die knarzenden Türen der Hochschulen öffneten sich für die Bürger und baten um Eintritt der Interessierten, Halbinteressierten und Uninteressierten. Das vordergründige Ziel dieser Veranstaltung war die Zuschaustellung der (angewandten) Wissenschaft. Junge Leute sollen Blut lecken an den "fantastischen Experimenten" und sie sollen brennen für den Geruch der angeblich strahlenden Labore. (Nur durfte man sich ja nicht in die falschen Gassen der Stadt verirren, ansonsten hätte man die kurz vor dem Zusammenbruch stehenden Gebäude der geisteswissenschaftlichen Fakultäten entdecken können - was nun weniger "fantastisch" anzusehen wäre) Auch ich durfte dieser Veranstaltungen beiwohnen, da ich meinen kleinen Cousin die, in seinen Worten, "geile" Uni zeigen durfte. Die besten Professoren wurde für den Tag herausgetrieben, damit sie zumindest einmal im Jahr eine anständige Veranstaltung halten durften. Unwichtigkeiten wie mathematische Gleichungen wurden von den Tafeln entfernt und die "pure" Wissenschaft kam zum Vorschein in Form von infantilen... äh interessanten Experimenten. Am Ende der langen Nacht war meine Stirn aufgrund der massenhaften Face-Palms schon so gerötet, dass mir mein Kopf brummte. Ich sah auf den billig gedruckten Flyer der Veranstaltung und erkannte: Die lange Nacht der Wissenschaft ist nicht erst vorbei, sondern sie dauert schon lange an. Es ist Nacht. Der Morgen ungewiss.
Wann genau kam die Nacht über die Wissenschaft? Das weiß ich nicht. Aber es muss der Moment gewesen sein, wo die letzten Genies von dannen zogen und die Universitäten endgültig all ihre Ideologie verloren hat. Die Uni von heute ist kein Ort mehr für einen Einstein, Wittgenstein, Gödel etc. Sie ist zu einem Ort für Niemanden geworden. Sie ist eine Farce! Ich selbst komme mit dem "Klapperkasten" ganz gut zurecht: Doppelstudium der Psychologie und Mathe, zumindest bis Ende des (ehemaligen) Grundstudiums und danach vernunftsbedingt in einem anderen Studiengang eingestiegen. Meine Note waren bisher sehr gut (aber ein Doppelstudium würde ich trotzdem niemand empfehlen). Die besten Ausgangsbedingungen hatte ich mit einem "Quali" und einer anschließenden Lehre zwar nicht, aber besonders davon abgehalten hat mich das vom Abi und Studium dann auch wieder nicht.
Trotzdem habe ich seit Anfang an mit dem Klapperkasten so meine Probleme. Das liegt zunächst daran, dass ich mir bis heute nicht sicher bin, was das Ding von mir eigentlich will. Ich glaube einige Kommilitonen geht's genauso. Manchmal habe ich auch den Eindruck, dass manch ein Professor den selben Gedanken hat, vor allem dann wenn er in Gesichter müder Studenten mit erlahmten Geist blickt. Eine allgemeine Orientierungslosigkeit könnte man den Universitäten, den Studenten, (dem Arbeitsmarkt,) eigentlich dem gesamten Bildungssystem unterstellen. Die Universitäten können sich offenbar nicht mehr entscheiden was sie sein wollen: Ort der Wissenschaft oder ein Ort der Ausbildung für die Wirtschaft. Die naive Antwort ist dann, das man beides verbinden könnte. Das Ergebnis sind dann krude berufsqualifizierende Kurse wie Medienkompetenz (in dem man den Umgang mit PowerPoint lernt) oder Pseudo-Anwendungsmodule, in den zwar das ein oder andere beruflich relevante Schlagwort fällt, aber man schnell in die gewohnte wir "rattern-die-Theorie-ab"-Haltung verfällt. Ganz heiß gehandelt werden Gruppenarbeiten. Diese sollen die Ehr' der Dozenten und Köpf' der Studenten retten. Das es sich dabei um nichts weiteres als eine äußerst schlechte Simulation von Teamarbeit in der Wirtschaft/Wissenschaft handelt, fällt aber den unwissenden Studenten und Betriebsblinden Dozenten nicht auf. Zum Glück stellen die erlahmten Geister selten kritische oder gar unangenehme Fragen, sodass der schön eingeschliefene Betrieb nicht weiter gestört wird. All das ist dann die hohe Qualität der Universitäten in den man richtig zu denken lernt usw. Als Beweis werden eine handvoll erfolgreicher Karrieren auf die Homepage der Unis gezeigt, die dann freudestrahlend von ihrem Studium berichten. Hauptsach' die Verpackung glänzt.
Der Zustand der (deutschen) Universitäten ist aber durchaus kritisch. Sie gleichen von der Mentalität und der Zusammensetzung eher den verfallenden Fassaden der Gebäude der geisteswissenschaftlichen Fakultät meiner Uni. Den Anschluss an der Spitzenforschung haben wir in der Breite zwar verloren, aber das scheint niemand zu stören (oder besser gesagt niemand ernsthaft zu stören). Vorzugsweise wird dann mit den wenigen verbleibenden Forschungen argumentiert, die man noch als wertvoll (für sich selbst), aber wohl ehrlicherweise als weltweit unbedeutend ansehen müsste. Möglicherweise könnte man argumentieren, dass dies der Zeitgeist sei und die Unis den Absolventen sattelfest machen für die Wirtschaft. Also eine Verschiebung von Wissenschaft zur Wirtschaft. Dieses Argument wäre, wenn es denn gültig sei, zwar nicht prickelnd, aber so könnte man den Unis wenigstens ein Zielprofil unterstellen. Zum Glück (!?) ist dieses häufig gebrauchte Argumente falsch: Die Wirtschaft braucht die Akademiker nicht, zumindest nicht in der großen Masse. Sie bräuchte sogar bedeutend weniger Akademiker, trotz allen Rufe der OECD. Der Mittelstand in Deutschland war bisher gut aufgestellt. Die Brain-Power hat sich innerhalb der Betrieben entwickelt. Viele mittelständischen Betrieb sind erschreckend "unakademisch" und doch seltsamerweise weltweit erfolgreich. Die Genese des deutschen Mittelstands kam in vielen Branchen ohne die Brain-Power der Universitäten vonstatten, die in Deutschland traditionell eher in Richtung theoretische Dizsiplinen aufgestellt sind. Die Universitäten wollen für den Markt ausbilden, aber schaffen "Produkte", die von reichlich seltsamer Qualität sind.
Universitäten und Fachhochschulen kuscheln stärker um eine Mitte. Irgendwie Schule für den Markt und Schule für die Wissenschaft. Fachhochschule wollen zur The Germanys Next Top Uni aufsteigen (oder absteigen?) und Universitäten verteidigen sich bis auf die Klauen, schielen aber auch darauf die FH vom Thron der praxisorientierten Ausbildung mit wissenschaftlicher Basis zu kicken. Politiker verfallen in derbe Rhetorik und sind, ähnlich wie die Hochschulen, vom Prestige zerfressen. Es soll nicht promoviert werden aufgrund der Wissenschaft, sondern es soll promoviert werden, weil... äh, weil.. äh, weil gut. Um die Transformation am oberen Ende der Bildungslandschaft zu rechtfertigen, müssen reichlich haarsträubende wirtschaftliche Realitäten "erfunden" werden. Eine Erfindung ist der baldige, oder jetzt schon da seiende (je nach Version) Fachkräftemangel. Als (Ex-)Mathematikstudent graut es mich zwar bei der Methodik der Erhebung der Zahlen, die einen angeblichen Fachkräftemangel indizieren, aber selbst ich erlag dieser Illusion, wenn auch nur kurzzeitig. Erstaunlich auch die bedenkenlos "Extrapolation" der aktuellen wirtschaftlichen Leistung in eine doch mehr als ungewissen Zukunft. Man tut so, als sei schon heute alles gut und die Zukunft wird rosig. Unter diesen Voraussetzungen wäre ein gewisser Fachkräftemangel in gewissen Bereichen tatsächlich da. Aber da die Methodik vieler Erhebungen dahinter fast schon kriminell unexakt ist, würde man dies, unter normalen Umständen, als "Studie mit geringer Aussagekraft" werten. Aber da die Zeiten nicht normal sind, projektieren wir all unsere Hoffnungen in den wackeligen Zahlen windiger Untersuchungsdesigns.
Mich quälen die zahlreichen Aussagen, ja schon fast Lügen, der Unis sehr. Erst kürzlich musste ich einem Vortrag beiwohnen, bei der die Realität mal wieder kräftig verzerrt wurde. Demnach sei DE der Forschungsstandort zukunftssicher aufgestellt ( o.O wtf?) und die Forscher hätten hierzulande hervorragende Karierreaussichten. Teilweise habe ich mich schon gefragt, wie ernst man bleiben kann, wenn der Inhalt offensichtlich Komik ist. Nur taten mir die 18- und 19-jährigen Kommilitonen Leid die mit großen Augen den Prof. Dr. Dr. Dr. zuhörten, aber nicht sehen, dass die Wissenschaft reihenweise junge Leute "einfach so" verheizt. Die Situation der Forscher sind an sich vielerorts nicht hinnehmbar. Aber schon bei den Studieninformationstage beginnt das massive "Reality Distortion Field". Da glänzen selbst die Geisteswissenschaften auf. Zukunftaussichten? Gut! Wo arbeiten? ... man kann total viel machen.... Personalwesen, Verlagshäuser, in Agenturen! So hatte ich schon vor ein paar Jahren den Eindruck, dass irgendwie alle im Personalwesen landen: Ein bunte Abteilung mit Kunsthistorikern, Wirtschaftspädagogen, Soziologen, Psychologen und sogar Philosophen. Auch wenn ich mir es wirklich wünsche, dass die Vielfalt in die Einfalt einkehre, so kenne ich persönlich nur wenige Firmen die eine solche Vielfalt in einer Personalabteilung anbieten. Eigentlich.... keine. Möchte aber meine Erfahrung nicht über alles stellen.
Es ist schon ziemlich dunkel hier in der Wissenschaft. Man könnte ja nun argumentieren, man lerne in der Uni viel fürs Leben. Okay, gehen wir es mal durch: Forschungsmethoden? Eher nicht. BWL? Okay, Scherz beiseite. Grundlagen der Entwicklungspsychologen? Hmm, okay, da kann man sich eine von 1000(*x) Theorien aussuchen. Aber sicher doch Zahlentheorie! Für ein zwei Rechentricks vielleicht, aber ansonten? Differentialgeometrie? Äh, what!? Okay, an konkreten Inhalten ist wenig dabei. Übrigens auch in Studiengängen, von den man denken würde, sie seien "nützlich" wie z.B. Informatik. Aber ein erst kürzlicher Plausch mit einem Absolventen brachte es auf dem Punkt "Irgendwie habe ich das Gefühl, dass hier nichts gelernt habe. Ich kann von allem etwas, aber nichts gescheites". Vor allem letzteres möchte ich genauer beleuchten: Die Universität lehrt irgendwie "nichts gescheites" im Sinne von tatsächlich Verwertbaren. Und nein, damit meine ich nicht dumpfen Excelkram oder das Schwingen der Lötkolben, aber mir macht es schon Sorgen, dass ich als Nachhilfelehrer Studenten vor mir hatte, denen zwar das Grundstudium schwer fiel, aber anscheinend nach den verhassten Mathe-Module mit den M-Wort eine innere Kündigung vollzogen haben. Selbst triviale Statistikaufgaben wurden falsch gelöst, obwohl sie ein Modul in Statistik abgeschlossen haben. Nach der Theorie vieler Dozenten und Studenten durfte sowas gar nicht vorkommen. Kommt aber vor und zwar echt häufig. Unter den sehr wenigten Begabten, gibt es eine "Armee" junger Leute die weder kopfrechnen, noch die einfachen Künsten der Statistik und Grundlagen der Analysis beherrschen, sich aber dennoch mit feinen Titeln schmücken dürfen. Das sind die Leute die dank Bullimie-Lernen gar nichts können, aber zum (Un-)Glück ist der Selbsttäuschungsapparat so wohl ausgeprägt, dass sie es selbst gar nicht merken. Und genau hier bricht die Dunkelheit über uns ein: Die lange Nacht. Denn diese jungen Menschen, die selbst Opfer des Bildungsfleichwolfes sind, können im Grunde gar nichts: Haben es weder praktisch drauf, was wichtig für die Wirtschaft wäre, noch theoretisch, was wichtige für die Wissenschaft wäre. Als Bastarde der modernen Gesellschaft, symbolisieren sie perfekt den neuen Lebenstil: Schöne glänzende Verpackungen, die man hoffentlich niemals öffnen muss. Denn sie sind leer, wie die Wüste Gobi.
Die Schuld für diese Misere dürfte doch zu einem Größtenteil der Politik zukommen, aber nicht nur. Es sind vor allem die feuchten Träume nach Prestige und Ruhm. Der Beste unter allem zu sein. In Deutschland misslingt dies immer mehr. Zwar zehren wir noch vom Erfolg der vorherigen Generationen, aber meine Generation muss sich schon mal damit befassen, wie wir die vielen Berge aus zerbrochenen Porzellan zusammen kehren mögen. Dabei war unsere Lage so günstig. Eine an sich gut funktionierende Bildungsinfrastruktur, eine breite (relative) Unterschicht deren Hunger man auf Bildung und Erfolg hätte entfachen könne, Vielfakt in Kultur und Denken usw. Und jetzt? Ich sag das junger Mensch, weil viele noch nicht begriffen haben, welche "stillen" Umwälzungen zur Zeit vonstatten gehen. Verantwortungslos sind die Politiker und die Mächtigen, die Profiteure der heutigen Zeit die die junge Leute schamlos verheizen und dabei uns noch so gnadenlos täuschen. Die lange Nacht der Wissenschaft die sich in Deutschland ausgebreitet hat, der komatöse Zustand der Politik und die tiefen sozialen Risse in diesem Land werden dafür sorgen, dass ich und meine Generationen die Kraft fehlt, die wirklichen Herausforderungen (und nein das ist NICHT die Rentenversicherung) zu meistern.
Die Wissenschaft ist in Deutschland eingeschlafen. Die Universitäten werden zunehmend Ort für Niemanden. Die Hochschulen verlieren ihre Profile und feiern das noch *facepalm*. Auch wird in der Öffentlichkeit das Fehlen jeglicher Intellektuelle nicht bemerkt, und es stimmt mich als Begeisterter für Mathe beunruhigt, dass die deutlichen methodischen Schwächen der "Zukunftsforschung" nicht öffentlich wirksamer diskutiert werden (es gibt sehr Wohl Klagerufe von Soziologen und Statistiker, aber die Verhallen in den sozialwissenschaftlichen Fakultäten). Die Bildungslandschaft ist insgesamt katastrophal zerklüftet. Die jungen Menschen sind geblendet von ihren Egoismus und der Karrieregeilheit (wenn die wenigstens mit Fleiß und Intelligenz einhergehen würde *rolleyes*). Der deutsche Mittelstand der gewissermaßen eine Kuriosität im europäischen Markt ist, wird überschüttet mit einem Blödsinn nachdem anderen. Und am haben wir ein vollkommen zerstörtes Ausbildungssystem, indem nichts mehr funktioniert. Eines der ersten Opfer war die Wissenschaft, und das zweite Opfer ist oder wird die Wirtschaft sein. Und am Ende? Und am Ende wird es auch den Sozialsystem an den Kragen gehen, und damit den Frieden in diesem Land und der Politik. Kassandra-Komplex, übertrieben, falsch? Na, hoffentlich!