Der Vampir
Das Grab, an welchem jetzt ich stand,
trug keiner Liebe Unterpfand,
und lag verödet unterm Grase. -
Ich sah bei eines Sternes Phase,
als einer Wolke flücht'ge Schatten
den Schein des Mond's verändert hatten,
im Gras' sich eine Schlange winden
und zischend ihre Jungen finden; -
sie konnte, um die Brut zu fristen,
an keinem Orte sich'rer nisten! -
als ich der finstren Grube nahte,
erhebt sich aus der Totenlade,
vergilbt ein grinsend Angesicht. -
Ich traute meinen Augen nicht! -
Mir war, als ob ich lebend sähe
den Toten doch, in meiner Nähe,
der ohne Mitleid und Erbarmen
von tausend Witwen, Waisen, Armen
das Herzblut mit dem Fluche saugte,
der aus dem Blute ihn umrauchte: -
der von der Träne sich ernährte,
die Hilfe in der Not begehrte; -
der seinem Gotte abgeschworen
und gold'ne Götzen sich erkoren,
die er, für sich und andre karg,
in seinen Kisten ängstlich barg. -
Es wollt' die Sage vom Vampir
fast Wirklichkeit nun dünken mir,
der, eine Leiche, wie die andern,
dennoch vermag bei Nacht zu wandern
aus seinem Grab', und sich erhält,
dass er in Moder nicht zerfällt,
vom Blute derer, die noch leben
und seiner Sauglust hingegeben. -
Mir war, als hätt' in dieser Nacht
noch rot die Lippen er gemacht,
die bleichen, mit der grausen Nahrung,
gen die Verwesung zur Verwahrung, -
so stand der blut'ge Sauger da
und an mit gift'gem Blick mich sah,
als wollt' ich seine Erde essen
und so die Zauberkraft, vermessen,
ihm rauben, die die Höllenfrist
des Totenlebens für ihn ist. -
Ich aber las das tiefe Grauen
das er empfand bei solchem Schauen,
und ging von seinem Grabe fort,
und sprach ein leises heil'ges Wort. -
Da musste er sich wieder legen. -
Die Schlange durft' die Jungen pflegen,
die sie auf seinem Grab gebar; -
sie wusste, dass sie sicher war,
und dass kein and'rer Fuß würd' stören
der ganzen Brut je das Vermehren.
Gedeon von der Heide
aka. Johann Baptist Berger