@TussineldaNein, hier besteht das hartnäckige Missverständnis, dass die Staastanwaltschaft OP beweisen muss, dass seine Version nicht der Wahrheit entspricht. Das stimmt aber so nicht. Angesichts der gegebenen Sachlage ist es zunächst an OP zu beweisen, dass er sich in der Tatnacht geirrt hat und es Gründe gibt, die den Mordvorwurf entkräften können. Das was OP in diesem Zusammenhang vorträgt, kann dann natürlich von der Staatsanwaltschaft aufgegriffen und ggf. widerlegt werden – aber erst ist OP dran. Er muss einen rechtlich anerkannten Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgrund liefern.
Der zentrale Inhalt des Tatvorwurfs der Staatsanwaltschaft (Mord an Reeva Steenkamp) wird durch die feststehenden Tatsachen (inkl. eines Teilgeständnisses OPs) ja bereits begründet. Oscar Pistorius hat gestanden, dass er es war, der Reeva Steenkamp durch die geschlossene Tür mit 4 Schüssen getötet hat. Das südafrikanische Recht definiert Mord als die illegale und absichtliche Tötung eines Menschen. Da der Begriff der Absicht sehr weit gefasst ist und auch den Eventualvorsatz einschließt, lässt sich eine Tötungsabsicht ebenfalls aus den bekannten Tatsachen ableiten. Auch wenn OP nicht töten wollte, liegt eine absichtliche Tötung auch dann vor, wenn er absehen konnte, dass seine Handlung den Tod eines Menschen verursachen könnte. Aus dem, was als Fakt bekannt ist, lässt sich somit ohne Weiteres der Mordvorwurf gegen OP bzgl. Reeva begründen. Wenn er nun behauptet, er wollte gar nicht Reeva erschießen, sondern dachte, sie sei ein Einbrecher, dann ist es zunächst an ihm, dies glaubhaft zumachen. Selbst, wenn ihm das gelingt, würde das allein aber immer noch nicht genügen, um den Mordvorwurf zu entkräften. Da es sich in beiden Fällen (Reeva oder Einbrecher) um einen Menschen handelt, spielt dieser personenbezogene Irrtum für die rechtliche Bewertung keine Rolle.
Um den Mordvorwurf zu widerlegen, muss OP also weitere Argumente für seine Verteidigung darlegen. Dabei sind unterschiedliche Konzepte als Rechtfertigungs- oder als Entschuldigungsgrund rechtlich anerkannt. Die Konzepte knüpfen an unterschiedliche Voraussetzungen an und sehen z.T. auch unterschiedliche Rechtsfolgen vor. Ein anerkanntes Verteidigungskonzept ist zum Beispiel die Notwehr, die (nach deutschem Recht) als Rechtfertigungsgrund etabliert ist und einen Freispruch begründet. Offensichtlich ist, dass im Fall OP dieses Konzept nicht in Betracht kommt, da es an einer realen Notwehrlage, also einem gegenwärtigen und rechtswidrigen Angriff, fehlte.
Für alle Verteidigungsansätze gilt, dass derjenige, der sich darauf beruft, also der Täter, die Beweislast für das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen trägt. So trifft z.B. die Beweislast dafür, dass eine Verletzungshandlung eine Verteidigung auf eine Notwehrlage darstellte, denjenigen, der sich darauf beruft. Es ist hier nicht nur eine Frage, etwas glaubhaft zu machen, sondern es geht darum, dies zu beweisen. Das gilt natürlich in gleicher Weise für die Putativnotwehr, die im Fall von OP diskutiert wird. Wer sich auf die Entschuldbarkeit einer irrtümlichen Annahme einer Notwehrlage als Rechtfertigungsgrund für eine Tat beruft, muss die Entschuldbarkeit des Irrtums beweisen.
Was die Anspielung auf die putative self defence anbelangt, habe ich mich dazu ja schon eingehend geäußert. Ich denke, dass sich OP mit seinen Aussagen diesen Verteidigungsansatz verbaut hat.