Hier zu Eckert:
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Die grausame Todesspur des Würgers
Nach neuen Ermittlungserfolgen und 60 000 Datensätzen schließt die Polizei die Akten im Fall Volker Eckert
Von Harald Jäckel
Am Steuer der Silo-Lastzüge einer Oelsnitzer Spedition zog Volker Eckert die Todesspur durch Europa
Er richtete sich selbst: Volker Eckert musste wie auf unserem Bild beim Verlassen des Bayreuther Gerichtsgebäudes mehrmals der Justiz unter die Augen treten. Doch vor seinem Prozess in Hof entzog er sich seinen Richtern durch Selbstmord in der Gefängniszelle.
Foto: Manfred Scherer, Nordbayerischer Kurier
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Hof / Bayreuth – Am Ende einer 32 Jahre langen Mordserie dreht sich Volker Eckert aus Stoffteilen selbst einen Strick. Er hängt sich an der Wandhalterung seines Fernsehers in der Bayreuther Haftzelle auf. Setzt er damit ein letztes Zeichen seiner tödlichen Würgeleidenschaft? Denn Eckert hatte mit Händen und Seilen auch seine Opfer erwürgt. Ausnahmslos. Der Tag des Selbstmords ist der 2. Juli. Die Staatsanwaltschaft in Hof – federführend und beispielhaft erfolgreich in der internationalen Zusammenarbeit der Ermittler – hatte die Anklageschrift für sechs Mordfälle bereits aufgesetzt. Doch nach dem Selbstmord muss sie gemäß Rechtsvorschrift das Verfahren einstellen.
Genaues Bewegungsbild
Bei der Polizei freilich geht die Arbeit der Soko „Fernverkehr“ auf Hochtouren weiter. Zahlreiche Anfragen aus dem Ausland sorgen für Betrieb bei den Fahndern des Polizeipräsidiums in Bayreuth. Für die ist der Fall ungewöhnlich genug. Die Arbeitsbelastung ist hoch. Die Erfolgsquote auch. Die fünf Prostituiertenmorde von 1999 bis 2006 – die der 48-jährige Eckert ebenso gestand wie den Mord 1974 an seiner 14-jährigen Mitschülerin Sylvia U. in Plauen – rekonstruiert die Polizei anhand eines Bewegungsbildes. Dessen Erstellung erfordert unter anderem die Auswertung von 60 000 Datensätzen vom Tankbeleg bis zur Mautquittung des Fernfahrers.
Dieses Bewegungsbild macht die Ermittler jetzt so sicher, dass Volker Eckert für sieben weitere Morde verantwortlich ist. Anhand von Geldautomaten-Belegen und Handydaten, den umfangreichen Notizen auch über seine Verbrechen und die Fahrtenbücher von Volker Eckert sowie unzähligen DNA-Abgleichen entsteht eine Todesspur quer durch Europa. Mit elf grausamen Würgemorden an Prostituierten. Eckerts identische Vorgehensweise gleicht dabei einem schrecklichen Ritual.
Beim Morden fotografiert
Denn bis auf die beiden Morde in Plauen 1974 und 1987 suchte sich Eckert seine Opfer immer im Hurenmilieu. Meist auf dem Straßenstrich, für den es für interessierte Trucker regelrechte Landkarten gibt. Eckert hebt vor dem Kontakt stets Geld am Automaten ab. Er spricht die Prostituierten an und nimmt sie im Führerhaus seines Lastwagens mit. Vor dem Geschlechtsverkehr würgt er die Frauen zu Tode. Fotografiert sich in manchen Fällen dabei selbst. Danach befriedigt er seinen Sexualtrieb und legte den Frauen ein Seil um den Hals. Er fotografiert nochmals die Opfer, schneidet ihnen oft Haarbüschel ab und nimmt weitere „Trophäen“ mit. Dann legt er die Opfer nackt im Gelände ab. Die grausamen Trophäen sammelt Volker Eckert auch in seiner Hofer Wohnung. Fotos der Taten und Toten nimmt er sogar in der Lkw-Kabine mit. Über die meisten Morde führt er ganz persönliche Aufzeichnungen.
Nächste Tat nach 13 Jahren
Der ersten Tat nach dem grausamen Strickmuster fällt am 25. Juni 2001 die 25-jährige Kenianerin Sandra Osifo bei Bordeaux zum Opfer. Zu diesem Zeitpunkt hat Volker Eckert 13 Jahre lang nicht mehr gemordet. 1987 tötet er eine 18-jährige Bekannte in Plauen, zuvor als 15-Jähriger eine 14-jährige Plauener Mitschülerin. Während der zweiten Tat sorgt 1987 der „Würger von Plauen“ für Angst und Schlagzeilen in der Vogtland-Stadt. Auch Volker Eckert gerät ins Visier der Polizei. Doch statt für seine Morde wird er wegen zweier beinahe tödlich verlaufener und sexuell motivierter Würgeattacken auf junge Frauen wegen versuchten Mordes zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Volker Eckert wird nach der Wende ein Teil seiner Strafe erlassen. Im Juli 1994 kommt er auf freien Fuß. Er nimmt sich eine Wohnung in Hof und arbeitet als Fernfahrer bei einer internationalen Spedition im nahen Oelsnitz.
9. Oktober 2001: Nicht einmal drei Monate nach seinem ersten Prostituiertenmord erwürgt Volker Eckert die 24-jährige Hure Beatriz Dias Mundoz im nordspanischen Macanet de la Selva. Dreieinhalb Jahre später bringt der 48-jährige Hofer die Russin Mayra Veselova um, die ebenfalls auf dem Straßenstrich in Nordspanien tätig ist. Im Oktober 2006 wird in Frankreich nahe Reims die Leiche der 28-jährigen Prostituierten Agnieszka Bos aus Polen gefunden. Auch ein Opfer des Würgers aus Hof. Dessen letzte Tat wird ihm vier Wochen später zum Verhängnis: Kolleginnen beobachten am 2. November, wie die 20-jährige bulgarische Prostituierte Miglena Petrova im nordspanischen Sant Julia de Ramis zu Eckert in den Lkw steigt. Tags darauf ist sie tot. Just an jenem Tag entdeckt die katalanische Polizei eine heiße Spur. Eine Überwachungskamera hat an dem Platz, an dem Volker Eckert die Leiche abgelegt hat, den Laster von Volker Eckert aufs Bild genannt. Ein deutscher Silo-Truck. Die internationale Fahndung läuft an. Am 17. November 2006 wird Volker Eckert in Wesseling bei Köln festgenommen, als er gerade seinen Lkw wäscht.
Im Führerhaus finden die Beamten grausige Beweismittel: Polaroidfotos der Ermordeten, Haarsträhnen der Opfer und Kleidungsstücke. Und eine aufblasbare Gummipuppe, die Volker Eckert mit den Mord-Trophäen ausstaffiert, um sich zu erregen. Am 18. November gesteht Volker Eckert die fünf Prostituierten-Morde und die Tat an seiner Klassenkameradin in Plauen.
Grausige Beweismittel im Lkw
Am 21. November 2006 wird die Soko „Fernverkehr“ beim Polizeipräsidium Oberfranken in Bayreuth gegründet. In Spitzenzeiten kümmern sich bis zu 30 Beamte ausschließlich um den Hofer Serienmörder.
Angesichts der jetzigen internationalen Nachermittlungserfolge schließen die Bayreuther Fahnder die Akten, weitere Taten aber nicht aus. Auch, weil sie für die Zeit von 1995 bis 1999 kein genaues Bewegungsbild von Volker Eckert haben. Als der sich am 2. Juli 2007 den Strick um den Hals legt, endet das Leben eines Serienkillers, der traurige deutsche Kriminalgeschichte schreiben wird. Ob alle seine Taten geklärt sind, bleibt höchst fraglich.
http://www.frankenpost.de/regional/oberfranken/laenderspiegel/Die-grausame-Todesspur-des-Wuergers;art2388,758197